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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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Aus dem Schuldluiche der Fortschrittspartei.

Ebensowenig wirkliche Bedeutung hatte trotz seiner wichtigen Miene der
'Antrag des Ausschlusses des Abgcordueteutages, der am 20. Mai 1866 in
Frankfurt die vielen Thorheiten, welche die "Vvlkspvlitik" dort schon begangen
hatte, um eine neue und recht ansehnliche vermehrte. Die Herren ließen fol¬
gendes Manifest in die Welt gehen: "Der Sieg der Waffen hat uns unsre
Nordmarken zurückgegeben. Ein solcher Sieg würde in jedem wohlgeordnete"
Reiche zur Erhöhung des Nationalgefühls gedient haben. In Deutschland führte
er durch die Mißachtung des Rechtes der wiedergewonnenen Länder, durch das
Streben der preußische" Regierung nach gewaltsamer Annexion und infolge der
unheilvollen Eifersucht der beiden Großmächte zu einem Zwiespalte, dessen
Dimensionen weit über den ursprünglichen Gegenstand des Streites hinaus-
reichen Wir verdammen den drohenden Krieg als eine" nur dynastischen
Zwecken dienenden Kabinetskrieg. Er ist einer zivilisirten Nation unwürdig,
gefährdet alle Güter, welche wir in fünfzig Jahren des Friedens errungen
haben, und nährt die Gelüste des Auslandes. Fürsten und Münster, welche
diesen unnatürlichen Krieg verschulden oder aus Sonderinteressen die Gefahren
desselben erweitern, machen sich eines schweren Verbrechens an der Nation
schuldig. Mit ihrem Fluche und der Strafe des Lcmdesverrates wird die Nation
diejenigen treffen, welche in Verhandlungen mit auswärtigen Mächten deutsches
Gebiet preisgeben. ^Verdächtigung Bismarcks, als habe er mit Napoleon ein
Tauschgeschäft verabredet, wobei gegen Unterstützung oder Nichteinmischung
die Abtretung von Stücken des Rheinlandes an Frankreich zugesagt worden
sein sollte. j Sollte es nicht gelingen, deu Krieg selbst durch den einmütig aus¬
gesprochenen Willen des Volkes noch in der letzten Stunde zu verhindern, so
ist wenigstens dahin zu trachten, daß er nicht ganz Deutschland in zwei große
Lager teile, sondern auf den engsten Raum: beschränkt werde. Wir erblicken hierin
das wirksamste Mittel, um die Wiederherstellung des Friedens zu beschleunigen,
die Einmischung des Auslandes abzuhalten, durch die Heeresmacht der nicht be¬
teiligtet! Staaten die Grenzen zu decken und, im Falle der Krieg einen euro¬
päischen Charakter annehmen sollte, mit noch frischen Kräften dem äußern Feinde
entgegenzutreten. Wie ein deutsches Parlament allein die Behörde ist, welche
über die deutschen Interessen in Holstein zu entscheiden vermag, so ist auch die
Erledigung der deutschen Verfassungsfrage durch eine freigewählte Volksver¬
tretung allein imstande, der Wiederkehr solcher unheilvollen Zustünde wirksam
zu begegnen. Die schleunige Einberufung eines nach dem Rcichswahlgesetze vom
12. April 1849 gewählten Parlaments muß daher von allen Landesvertretuugen
und von der ganzen Nation gefordert werden."

Neben diesen Manifesten wimmelte es von Friedensadresfen der Magistrate
und Stadtverordneten, der Handelskammern und ähnlicher Körperschaften, des¬
gleichen von Resolutionen, welche von Volksversammlungen gefaßt wurden, die
alle Echos der obigen Kundgebungen waren. Nur eine Ausnahme von der


Aus dem Schuldluiche der Fortschrittspartei.

Ebensowenig wirkliche Bedeutung hatte trotz seiner wichtigen Miene der
'Antrag des Ausschlusses des Abgcordueteutages, der am 20. Mai 1866 in
Frankfurt die vielen Thorheiten, welche die „Vvlkspvlitik" dort schon begangen
hatte, um eine neue und recht ansehnliche vermehrte. Die Herren ließen fol¬
gendes Manifest in die Welt gehen: „Der Sieg der Waffen hat uns unsre
Nordmarken zurückgegeben. Ein solcher Sieg würde in jedem wohlgeordnete»
Reiche zur Erhöhung des Nationalgefühls gedient haben. In Deutschland führte
er durch die Mißachtung des Rechtes der wiedergewonnenen Länder, durch das
Streben der preußische» Regierung nach gewaltsamer Annexion und infolge der
unheilvollen Eifersucht der beiden Großmächte zu einem Zwiespalte, dessen
Dimensionen weit über den ursprünglichen Gegenstand des Streites hinaus-
reichen Wir verdammen den drohenden Krieg als eine» nur dynastischen
Zwecken dienenden Kabinetskrieg. Er ist einer zivilisirten Nation unwürdig,
gefährdet alle Güter, welche wir in fünfzig Jahren des Friedens errungen
haben, und nährt die Gelüste des Auslandes. Fürsten und Münster, welche
diesen unnatürlichen Krieg verschulden oder aus Sonderinteressen die Gefahren
desselben erweitern, machen sich eines schweren Verbrechens an der Nation
schuldig. Mit ihrem Fluche und der Strafe des Lcmdesverrates wird die Nation
diejenigen treffen, welche in Verhandlungen mit auswärtigen Mächten deutsches
Gebiet preisgeben. ^Verdächtigung Bismarcks, als habe er mit Napoleon ein
Tauschgeschäft verabredet, wobei gegen Unterstützung oder Nichteinmischung
die Abtretung von Stücken des Rheinlandes an Frankreich zugesagt worden
sein sollte. j Sollte es nicht gelingen, deu Krieg selbst durch den einmütig aus¬
gesprochenen Willen des Volkes noch in der letzten Stunde zu verhindern, so
ist wenigstens dahin zu trachten, daß er nicht ganz Deutschland in zwei große
Lager teile, sondern auf den engsten Raum: beschränkt werde. Wir erblicken hierin
das wirksamste Mittel, um die Wiederherstellung des Friedens zu beschleunigen,
die Einmischung des Auslandes abzuhalten, durch die Heeresmacht der nicht be¬
teiligtet! Staaten die Grenzen zu decken und, im Falle der Krieg einen euro¬
päischen Charakter annehmen sollte, mit noch frischen Kräften dem äußern Feinde
entgegenzutreten. Wie ein deutsches Parlament allein die Behörde ist, welche
über die deutschen Interessen in Holstein zu entscheiden vermag, so ist auch die
Erledigung der deutschen Verfassungsfrage durch eine freigewählte Volksver¬
tretung allein imstande, der Wiederkehr solcher unheilvollen Zustünde wirksam
zu begegnen. Die schleunige Einberufung eines nach dem Rcichswahlgesetze vom
12. April 1849 gewählten Parlaments muß daher von allen Landesvertretuugen
und von der ganzen Nation gefordert werden."

Neben diesen Manifesten wimmelte es von Friedensadresfen der Magistrate
und Stadtverordneten, der Handelskammern und ähnlicher Körperschaften, des¬
gleichen von Resolutionen, welche von Volksversammlungen gefaßt wurden, die
alle Echos der obigen Kundgebungen waren. Nur eine Ausnahme von der


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[0128] Aus dem Schuldluiche der Fortschrittspartei. Ebensowenig wirkliche Bedeutung hatte trotz seiner wichtigen Miene der 'Antrag des Ausschlusses des Abgcordueteutages, der am 20. Mai 1866 in Frankfurt die vielen Thorheiten, welche die „Vvlkspvlitik" dort schon begangen hatte, um eine neue und recht ansehnliche vermehrte. Die Herren ließen fol¬ gendes Manifest in die Welt gehen: „Der Sieg der Waffen hat uns unsre Nordmarken zurückgegeben. Ein solcher Sieg würde in jedem wohlgeordnete» Reiche zur Erhöhung des Nationalgefühls gedient haben. In Deutschland führte er durch die Mißachtung des Rechtes der wiedergewonnenen Länder, durch das Streben der preußische» Regierung nach gewaltsamer Annexion und infolge der unheilvollen Eifersucht der beiden Großmächte zu einem Zwiespalte, dessen Dimensionen weit über den ursprünglichen Gegenstand des Streites hinaus- reichen Wir verdammen den drohenden Krieg als eine» nur dynastischen Zwecken dienenden Kabinetskrieg. Er ist einer zivilisirten Nation unwürdig, gefährdet alle Güter, welche wir in fünfzig Jahren des Friedens errungen haben, und nährt die Gelüste des Auslandes. Fürsten und Münster, welche diesen unnatürlichen Krieg verschulden oder aus Sonderinteressen die Gefahren desselben erweitern, machen sich eines schweren Verbrechens an der Nation schuldig. Mit ihrem Fluche und der Strafe des Lcmdesverrates wird die Nation diejenigen treffen, welche in Verhandlungen mit auswärtigen Mächten deutsches Gebiet preisgeben. ^Verdächtigung Bismarcks, als habe er mit Napoleon ein Tauschgeschäft verabredet, wobei gegen Unterstützung oder Nichteinmischung die Abtretung von Stücken des Rheinlandes an Frankreich zugesagt worden sein sollte. j Sollte es nicht gelingen, deu Krieg selbst durch den einmütig aus¬ gesprochenen Willen des Volkes noch in der letzten Stunde zu verhindern, so ist wenigstens dahin zu trachten, daß er nicht ganz Deutschland in zwei große Lager teile, sondern auf den engsten Raum: beschränkt werde. Wir erblicken hierin das wirksamste Mittel, um die Wiederherstellung des Friedens zu beschleunigen, die Einmischung des Auslandes abzuhalten, durch die Heeresmacht der nicht be¬ teiligtet! Staaten die Grenzen zu decken und, im Falle der Krieg einen euro¬ päischen Charakter annehmen sollte, mit noch frischen Kräften dem äußern Feinde entgegenzutreten. Wie ein deutsches Parlament allein die Behörde ist, welche über die deutschen Interessen in Holstein zu entscheiden vermag, so ist auch die Erledigung der deutschen Verfassungsfrage durch eine freigewählte Volksver¬ tretung allein imstande, der Wiederkehr solcher unheilvollen Zustünde wirksam zu begegnen. Die schleunige Einberufung eines nach dem Rcichswahlgesetze vom 12. April 1849 gewählten Parlaments muß daher von allen Landesvertretuugen und von der ganzen Nation gefordert werden." Neben diesen Manifesten wimmelte es von Friedensadresfen der Magistrate und Stadtverordneten, der Handelskammern und ähnlicher Körperschaften, des¬ gleichen von Resolutionen, welche von Volksversammlungen gefaßt wurden, die alle Echos der obigen Kundgebungen waren. Nur eine Ausnahme von der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/128>, abgerufen am 08.09.2024.