Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Aus dem Schuldbuche der Fortschrittspartei.

gefällt, mögen sie ein deutsches Land nach dem andern hingeben, weil sich die
Fürsten gegenseitig verlassen, mögen sie gestatten, daß dieses kleine Dänemark
eine unsrer schönsten Provinzen wegnimmt, meine Herren, die Rache des
Volkes sür diesen Verrat wird nicht fehlen. Solche Dinge verzeichnet
die Weltgeschichte in ihren Blättern, die werden mit blutigen Buchstaben in die
Herzen der Völker geschrieben, das werden sie niemals vergessen."

Als der Krieg mit Dänemark im Januar 1864 um Ausbrechen war und
Bismarck vom Abgeordnetenhaus? die Bewilligung einer Anleihe verlangte, wurde
dieselbe abgelehnt. Der fortschrittliche Abgeordnete Aßmaun hielt dabei eine
Rede voll geharnischten Unsinns. Es heißt da u. a. von der österreichisch-preu¬
ßischen Aktion jenseits der Eider, sie solle "Schleswig gegen die deutschen Truppen
und gegen die Ansprüche seines legitimen Herrschers schützen; es sollten die Herzog¬
tümer sicher für Dänemark aufbewahrt werden." Weiterhin meinte Herr Aßmann:
"Für uns steht vorläufig fest, daß Herr vou Bismarck dem deutsch-patriotischen
Streben der Mittelstaaten entgegenarbeitet ... und unsre Ansicht von seiner Gesin¬
nung sowohl wie von seiner Befähigung giebt uus keinen Anhalt, der weitern Entwick¬
lung einer Aktion mit Zuversicht entgegenzusehen, die wir in ihren bisherigen
Schritten als verderblich erkennen müssen.. . Stehen wir an der Schwelle von
Ereignissen, die das Traurigste, die das schmählichste in sich schließen, was
einem Staate, was einer Nation begegnen kann, soll durch die Bismarcksche
Politik die deutsche Großmacht Preußen zum Feinde Deutschlands gemacht
werden, soll die tapfere preußische Armee dazu verwendet werden, um gegen
ihre deutschen Brüder >die sächsischen und hannoverschen Exckutionstruppen in
Holsteins zu kämpfen, die deutsches Recht zu schützen ausgezogen sind ... soll
ein deutscher Bruderkrieg entbrennen in einer Frage, über die ganz Deutschland
einig ist, bloß weil Preußen das Schicksal hat, von Herrn von Bismarck re¬
giert zu werden, dann, meine Herren, muß auch die letzte Rücksicht schwinden,
die wir gegen dieses Ministerium etwa zu nehmen verpflichtet wären. Dann
mag Deutschland >die Mittelstcmteu natürlich^ wissen, daß wir in dieser Frage
zu ihm und nicht zu unserm Ministerium ^unserm Königes stehen. . . Wir
wissen ja schon längst, daß dieses Ministerium: mit jedem Schritte,
gleichviel ob in der innern oder äußern Politik, ein Stück preußisches Land
zertritt, wir wissen längst, daß Preußen in den Händen dieses Mini¬
steriums entweder zur Ohnmacht oder zum Selbstmord verurteilt
ist. Unsre Wahl kaun bei dieser Überzeugung nicht zweifelhaft sein: wir ziehen
die Ohnmacht dem Selbstmorde vor."

Herr Virchow ließ bei dieser Gelegenheit das Licht seiner staatsmännischen
Weisheit und seiner Vaterlandsliebe mit neuer Verdächtigung der Bismarckschen
Politik als einer im russischen Interesse arbeitenden und mit dem folgenden
schönen Gedanken leuchten: "Sie sprechen immer von der Großmacht Preußen.
Ich bedauere, daß dieses Sprechen von der Großmacht allmählich eine Art


Aus dem Schuldbuche der Fortschrittspartei.

gefällt, mögen sie ein deutsches Land nach dem andern hingeben, weil sich die
Fürsten gegenseitig verlassen, mögen sie gestatten, daß dieses kleine Dänemark
eine unsrer schönsten Provinzen wegnimmt, meine Herren, die Rache des
Volkes sür diesen Verrat wird nicht fehlen. Solche Dinge verzeichnet
die Weltgeschichte in ihren Blättern, die werden mit blutigen Buchstaben in die
Herzen der Völker geschrieben, das werden sie niemals vergessen."

Als der Krieg mit Dänemark im Januar 1864 um Ausbrechen war und
Bismarck vom Abgeordnetenhaus? die Bewilligung einer Anleihe verlangte, wurde
dieselbe abgelehnt. Der fortschrittliche Abgeordnete Aßmaun hielt dabei eine
Rede voll geharnischten Unsinns. Es heißt da u. a. von der österreichisch-preu¬
ßischen Aktion jenseits der Eider, sie solle „Schleswig gegen die deutschen Truppen
und gegen die Ansprüche seines legitimen Herrschers schützen; es sollten die Herzog¬
tümer sicher für Dänemark aufbewahrt werden." Weiterhin meinte Herr Aßmann:
„Für uns steht vorläufig fest, daß Herr vou Bismarck dem deutsch-patriotischen
Streben der Mittelstaaten entgegenarbeitet ... und unsre Ansicht von seiner Gesin¬
nung sowohl wie von seiner Befähigung giebt uus keinen Anhalt, der weitern Entwick¬
lung einer Aktion mit Zuversicht entgegenzusehen, die wir in ihren bisherigen
Schritten als verderblich erkennen müssen.. . Stehen wir an der Schwelle von
Ereignissen, die das Traurigste, die das schmählichste in sich schließen, was
einem Staate, was einer Nation begegnen kann, soll durch die Bismarcksche
Politik die deutsche Großmacht Preußen zum Feinde Deutschlands gemacht
werden, soll die tapfere preußische Armee dazu verwendet werden, um gegen
ihre deutschen Brüder >die sächsischen und hannoverschen Exckutionstruppen in
Holsteins zu kämpfen, die deutsches Recht zu schützen ausgezogen sind ... soll
ein deutscher Bruderkrieg entbrennen in einer Frage, über die ganz Deutschland
einig ist, bloß weil Preußen das Schicksal hat, von Herrn von Bismarck re¬
giert zu werden, dann, meine Herren, muß auch die letzte Rücksicht schwinden,
die wir gegen dieses Ministerium etwa zu nehmen verpflichtet wären. Dann
mag Deutschland >die Mittelstcmteu natürlich^ wissen, daß wir in dieser Frage
zu ihm und nicht zu unserm Ministerium ^unserm Königes stehen. . . Wir
wissen ja schon längst, daß dieses Ministerium: mit jedem Schritte,
gleichviel ob in der innern oder äußern Politik, ein Stück preußisches Land
zertritt, wir wissen längst, daß Preußen in den Händen dieses Mini¬
steriums entweder zur Ohnmacht oder zum Selbstmord verurteilt
ist. Unsre Wahl kaun bei dieser Überzeugung nicht zweifelhaft sein: wir ziehen
die Ohnmacht dem Selbstmorde vor."

Herr Virchow ließ bei dieser Gelegenheit das Licht seiner staatsmännischen
Weisheit und seiner Vaterlandsliebe mit neuer Verdächtigung der Bismarckschen
Politik als einer im russischen Interesse arbeitenden und mit dem folgenden
schönen Gedanken leuchten: „Sie sprechen immer von der Großmacht Preußen.
Ich bedauere, daß dieses Sprechen von der Großmacht allmählich eine Art


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0123" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/153572"/>
          <fw type="header" place="top"> Aus dem Schuldbuche der Fortschrittspartei.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_517" prev="#ID_516"> gefällt, mögen sie ein deutsches Land nach dem andern hingeben, weil sich die<lb/>
Fürsten gegenseitig verlassen, mögen sie gestatten, daß dieses kleine Dänemark<lb/>
eine unsrer schönsten Provinzen wegnimmt, meine Herren, die Rache des<lb/>
Volkes sür diesen Verrat wird nicht fehlen. Solche Dinge verzeichnet<lb/>
die Weltgeschichte in ihren Blättern, die werden mit blutigen Buchstaben in die<lb/>
Herzen der Völker geschrieben, das werden sie niemals vergessen."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_518"> Als der Krieg mit Dänemark im Januar 1864 um Ausbrechen war und<lb/>
Bismarck vom Abgeordnetenhaus? die Bewilligung einer Anleihe verlangte, wurde<lb/>
dieselbe abgelehnt. Der fortschrittliche Abgeordnete Aßmaun hielt dabei eine<lb/>
Rede voll geharnischten Unsinns. Es heißt da u. a. von der österreichisch-preu¬<lb/>
ßischen Aktion jenseits der Eider, sie solle &#x201E;Schleswig gegen die deutschen Truppen<lb/>
und gegen die Ansprüche seines legitimen Herrschers schützen; es sollten die Herzog¬<lb/>
tümer sicher für Dänemark aufbewahrt werden." Weiterhin meinte Herr Aßmann:<lb/>
&#x201E;Für uns steht vorläufig fest, daß Herr vou Bismarck dem deutsch-patriotischen<lb/>
Streben der Mittelstaaten entgegenarbeitet ... und unsre Ansicht von seiner Gesin¬<lb/>
nung sowohl wie von seiner Befähigung giebt uus keinen Anhalt, der weitern Entwick¬<lb/>
lung einer Aktion mit Zuversicht entgegenzusehen, die wir in ihren bisherigen<lb/>
Schritten als verderblich erkennen müssen.. . Stehen wir an der Schwelle von<lb/>
Ereignissen, die das Traurigste, die das schmählichste in sich schließen, was<lb/>
einem Staate, was einer Nation begegnen kann, soll durch die Bismarcksche<lb/>
Politik die deutsche Großmacht Preußen zum Feinde Deutschlands gemacht<lb/>
werden, soll die tapfere preußische Armee dazu verwendet werden, um gegen<lb/>
ihre deutschen Brüder &gt;die sächsischen und hannoverschen Exckutionstruppen in<lb/>
Holsteins zu kämpfen, die deutsches Recht zu schützen ausgezogen sind ... soll<lb/>
ein deutscher Bruderkrieg entbrennen in einer Frage, über die ganz Deutschland<lb/>
einig ist, bloß weil Preußen das Schicksal hat, von Herrn von Bismarck re¬<lb/>
giert zu werden, dann, meine Herren, muß auch die letzte Rücksicht schwinden,<lb/>
die wir gegen dieses Ministerium etwa zu nehmen verpflichtet wären. Dann<lb/>
mag Deutschland &gt;die Mittelstcmteu natürlich^ wissen, daß wir in dieser Frage<lb/>
zu ihm und nicht zu unserm Ministerium ^unserm Königes stehen. . . Wir<lb/>
wissen ja schon längst, daß dieses Ministerium: mit jedem Schritte,<lb/>
gleichviel ob in der innern oder äußern Politik, ein Stück preußisches Land<lb/>
zertritt, wir wissen längst, daß Preußen in den Händen dieses Mini¬<lb/>
steriums entweder zur Ohnmacht oder zum Selbstmord verurteilt<lb/>
ist. Unsre Wahl kaun bei dieser Überzeugung nicht zweifelhaft sein: wir ziehen<lb/>
die Ohnmacht dem Selbstmorde vor."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_519" next="#ID_520"> Herr Virchow ließ bei dieser Gelegenheit das Licht seiner staatsmännischen<lb/>
Weisheit und seiner Vaterlandsliebe mit neuer Verdächtigung der Bismarckschen<lb/>
Politik als einer im russischen Interesse arbeitenden und mit dem folgenden<lb/>
schönen Gedanken leuchten: &#x201E;Sie sprechen immer von der Großmacht Preußen.<lb/>
Ich bedauere, daß dieses Sprechen von der Großmacht allmählich eine Art</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0123] Aus dem Schuldbuche der Fortschrittspartei. gefällt, mögen sie ein deutsches Land nach dem andern hingeben, weil sich die Fürsten gegenseitig verlassen, mögen sie gestatten, daß dieses kleine Dänemark eine unsrer schönsten Provinzen wegnimmt, meine Herren, die Rache des Volkes sür diesen Verrat wird nicht fehlen. Solche Dinge verzeichnet die Weltgeschichte in ihren Blättern, die werden mit blutigen Buchstaben in die Herzen der Völker geschrieben, das werden sie niemals vergessen." Als der Krieg mit Dänemark im Januar 1864 um Ausbrechen war und Bismarck vom Abgeordnetenhaus? die Bewilligung einer Anleihe verlangte, wurde dieselbe abgelehnt. Der fortschrittliche Abgeordnete Aßmaun hielt dabei eine Rede voll geharnischten Unsinns. Es heißt da u. a. von der österreichisch-preu¬ ßischen Aktion jenseits der Eider, sie solle „Schleswig gegen die deutschen Truppen und gegen die Ansprüche seines legitimen Herrschers schützen; es sollten die Herzog¬ tümer sicher für Dänemark aufbewahrt werden." Weiterhin meinte Herr Aßmann: „Für uns steht vorläufig fest, daß Herr vou Bismarck dem deutsch-patriotischen Streben der Mittelstaaten entgegenarbeitet ... und unsre Ansicht von seiner Gesin¬ nung sowohl wie von seiner Befähigung giebt uus keinen Anhalt, der weitern Entwick¬ lung einer Aktion mit Zuversicht entgegenzusehen, die wir in ihren bisherigen Schritten als verderblich erkennen müssen.. . Stehen wir an der Schwelle von Ereignissen, die das Traurigste, die das schmählichste in sich schließen, was einem Staate, was einer Nation begegnen kann, soll durch die Bismarcksche Politik die deutsche Großmacht Preußen zum Feinde Deutschlands gemacht werden, soll die tapfere preußische Armee dazu verwendet werden, um gegen ihre deutschen Brüder >die sächsischen und hannoverschen Exckutionstruppen in Holsteins zu kämpfen, die deutsches Recht zu schützen ausgezogen sind ... soll ein deutscher Bruderkrieg entbrennen in einer Frage, über die ganz Deutschland einig ist, bloß weil Preußen das Schicksal hat, von Herrn von Bismarck re¬ giert zu werden, dann, meine Herren, muß auch die letzte Rücksicht schwinden, die wir gegen dieses Ministerium etwa zu nehmen verpflichtet wären. Dann mag Deutschland >die Mittelstcmteu natürlich^ wissen, daß wir in dieser Frage zu ihm und nicht zu unserm Ministerium ^unserm Königes stehen. . . Wir wissen ja schon längst, daß dieses Ministerium: mit jedem Schritte, gleichviel ob in der innern oder äußern Politik, ein Stück preußisches Land zertritt, wir wissen längst, daß Preußen in den Händen dieses Mini¬ steriums entweder zur Ohnmacht oder zum Selbstmord verurteilt ist. Unsre Wahl kaun bei dieser Überzeugung nicht zweifelhaft sein: wir ziehen die Ohnmacht dem Selbstmorde vor." Herr Virchow ließ bei dieser Gelegenheit das Licht seiner staatsmännischen Weisheit und seiner Vaterlandsliebe mit neuer Verdächtigung der Bismarckschen Politik als einer im russischen Interesse arbeitenden und mit dem folgenden schönen Gedanken leuchten: „Sie sprechen immer von der Großmacht Preußen. Ich bedauere, daß dieses Sprechen von der Großmacht allmählich eine Art

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/123
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/123>, abgerufen am 08.09.2024.