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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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Die Grafen von Altenschwerdt.

heraufgekommen, und sein graues Licht begann sich mit violetten Tinten zu
schmücken. Vor dem einzelnen Hause, das auf der kahlen Hochebene emporragte,
lehnte ein Mann, die Pfeife im Munde, gelassen am Thürpfosten. Er war
riesenhaft an Wuchs, mit Heller weißer und roter Gesichtsfarbe, feuerroten Haar
und Bart, und leicht als der Erzeuger der mannhaften Schönen zu erkennen,
welche den kleinen Zug der müden Männer führte.

Die Thür öffnete sich ihnen, sie fanden ein Feuer und heißes Getränk am
flackernden Herdfeuer, und dann sah Eberhardt, auf die Ellbogen gestützt, schwer¬
mütigen Blickes durch die kleinen Scheiben des niedrigen Fensters hinaus auf
das tobende Element, das ihm und seinen Begleitern so feindlich gewesen war
und ihn nun auf einer entlegenen Insel gefangen fernhielt von dem Ziele seiner
Sehnsucht.




Vierunddreißigstes Aapitel.

Hätte Eberhardt vom Hause des dänischen Strandwächters aus beobachten
können, was sich in und um Schloß Eichhausen zutrug, anstatt daß er nur
feine von Liebessehnsucht erfüllten Gedanken dort umherführen konnte, wo Do¬
rothea weilte, so würde ihn der Anblick nicht beruhigt haben.

Als Millicent sich am Abend vor der verunglückte" Schifffahrt von Eber¬
hardt am Saume des Waldes trennte und schnellen Schrittes auf das Schloß
zueilte, da traf sie auf ihren Onkel, den Inspektor, welcher vor dem Portal auf-
und niederging und sie offenbar erwartet hatte. Er begrüßte sie sehr rauh und
teilte ihr ohne Umschweife mit, daß ihr unverantwortliches Benehmen gegen den
Herrn Baron diesen im höchsten Grade erzürnt habe. Der Herr Baron habe
ihn rufen lassen, um ihm zu erklären, daß sie sich nicht wieder vor ihm blicken
lassen dürfe, und daß sie sich nicht unterstehen solle, wieder ins Schloß zu
kommen.

Der Inspektor selbst hatte die Entrüstung seines Herrn ganz in sich ein¬
gesogen und war womöglich noch erzürnter, als der Baron es sein konnte. Es
bereitete dem Gemüte des alten Mannes den größten Kummer, daß die Tochter
seines Bruders sich herausgenommen hatte, undankbar und frech gegen ein so
hochverehrtes Haupt aufzutreten, und er hielt mit der Ansicht über das Benehmen
seiner Nichte nicht zurück, schloß auch einen ernsten Verweis wegen Umherstreichens
in der Dunkelheit daran.

Millicent war einen Augenblick sehr betreten, dann wurde sie zornig und
wollte schon erklären, daß sie sich um den Baron garnicht kümmere und ihrer
Wege gehen wolle, um solcher Sklaverei zu entrinnen. Aber sie besann sich
darauf, daß Dorothea ohne sie verlassen und ohne Nachricht von Eberhardt sei,
sie bezwang ihren Ärger und sagte, der Herr Baron habe sie wohl nicht recht
verstanden, sie wolle jetzt gleich zu ihm gehen und ihn um Verzeihung bitten.

Aber der Inspektor hielt sie, als sie ihm mit diesen Worten entwischen
wollte, am Arme fest und sagte, sie dürfe daran nicht denken. Sie solle mit
ihm kommen und bei ihm bleiben, bis das weitere sich finde. Er hielt sie mit
Gewalt fest, zog ihren Arm unter dem seinen durch und führte sie trotz ihres
Weinens unter Drohen und Schelten mit sich fort zu seiner eignen Wohnung,


Grenzboten III. 1383, 13
Die Grafen von Altenschwerdt.

heraufgekommen, und sein graues Licht begann sich mit violetten Tinten zu
schmücken. Vor dem einzelnen Hause, das auf der kahlen Hochebene emporragte,
lehnte ein Mann, die Pfeife im Munde, gelassen am Thürpfosten. Er war
riesenhaft an Wuchs, mit Heller weißer und roter Gesichtsfarbe, feuerroten Haar
und Bart, und leicht als der Erzeuger der mannhaften Schönen zu erkennen,
welche den kleinen Zug der müden Männer führte.

Die Thür öffnete sich ihnen, sie fanden ein Feuer und heißes Getränk am
flackernden Herdfeuer, und dann sah Eberhardt, auf die Ellbogen gestützt, schwer¬
mütigen Blickes durch die kleinen Scheiben des niedrigen Fensters hinaus auf
das tobende Element, das ihm und seinen Begleitern so feindlich gewesen war
und ihn nun auf einer entlegenen Insel gefangen fernhielt von dem Ziele seiner
Sehnsucht.




Vierunddreißigstes Aapitel.

Hätte Eberhardt vom Hause des dänischen Strandwächters aus beobachten
können, was sich in und um Schloß Eichhausen zutrug, anstatt daß er nur
feine von Liebessehnsucht erfüllten Gedanken dort umherführen konnte, wo Do¬
rothea weilte, so würde ihn der Anblick nicht beruhigt haben.

Als Millicent sich am Abend vor der verunglückte» Schifffahrt von Eber¬
hardt am Saume des Waldes trennte und schnellen Schrittes auf das Schloß
zueilte, da traf sie auf ihren Onkel, den Inspektor, welcher vor dem Portal auf-
und niederging und sie offenbar erwartet hatte. Er begrüßte sie sehr rauh und
teilte ihr ohne Umschweife mit, daß ihr unverantwortliches Benehmen gegen den
Herrn Baron diesen im höchsten Grade erzürnt habe. Der Herr Baron habe
ihn rufen lassen, um ihm zu erklären, daß sie sich nicht wieder vor ihm blicken
lassen dürfe, und daß sie sich nicht unterstehen solle, wieder ins Schloß zu
kommen.

Der Inspektor selbst hatte die Entrüstung seines Herrn ganz in sich ein¬
gesogen und war womöglich noch erzürnter, als der Baron es sein konnte. Es
bereitete dem Gemüte des alten Mannes den größten Kummer, daß die Tochter
seines Bruders sich herausgenommen hatte, undankbar und frech gegen ein so
hochverehrtes Haupt aufzutreten, und er hielt mit der Ansicht über das Benehmen
seiner Nichte nicht zurück, schloß auch einen ernsten Verweis wegen Umherstreichens
in der Dunkelheit daran.

Millicent war einen Augenblick sehr betreten, dann wurde sie zornig und
wollte schon erklären, daß sie sich um den Baron garnicht kümmere und ihrer
Wege gehen wolle, um solcher Sklaverei zu entrinnen. Aber sie besann sich
darauf, daß Dorothea ohne sie verlassen und ohne Nachricht von Eberhardt sei,
sie bezwang ihren Ärger und sagte, der Herr Baron habe sie wohl nicht recht
verstanden, sie wolle jetzt gleich zu ihm gehen und ihn um Verzeihung bitten.

Aber der Inspektor hielt sie, als sie ihm mit diesen Worten entwischen
wollte, am Arme fest und sagte, sie dürfe daran nicht denken. Sie solle mit
ihm kommen und bei ihm bleiben, bis das weitere sich finde. Er hielt sie mit
Gewalt fest, zog ihren Arm unter dem seinen durch und führte sie trotz ihres
Weinens unter Drohen und Schelten mit sich fort zu seiner eignen Wohnung,


Grenzboten III. 1383, 13
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[0105] Die Grafen von Altenschwerdt. heraufgekommen, und sein graues Licht begann sich mit violetten Tinten zu schmücken. Vor dem einzelnen Hause, das auf der kahlen Hochebene emporragte, lehnte ein Mann, die Pfeife im Munde, gelassen am Thürpfosten. Er war riesenhaft an Wuchs, mit Heller weißer und roter Gesichtsfarbe, feuerroten Haar und Bart, und leicht als der Erzeuger der mannhaften Schönen zu erkennen, welche den kleinen Zug der müden Männer führte. Die Thür öffnete sich ihnen, sie fanden ein Feuer und heißes Getränk am flackernden Herdfeuer, und dann sah Eberhardt, auf die Ellbogen gestützt, schwer¬ mütigen Blickes durch die kleinen Scheiben des niedrigen Fensters hinaus auf das tobende Element, das ihm und seinen Begleitern so feindlich gewesen war und ihn nun auf einer entlegenen Insel gefangen fernhielt von dem Ziele seiner Sehnsucht. Vierunddreißigstes Aapitel. Hätte Eberhardt vom Hause des dänischen Strandwächters aus beobachten können, was sich in und um Schloß Eichhausen zutrug, anstatt daß er nur feine von Liebessehnsucht erfüllten Gedanken dort umherführen konnte, wo Do¬ rothea weilte, so würde ihn der Anblick nicht beruhigt haben. Als Millicent sich am Abend vor der verunglückte» Schifffahrt von Eber¬ hardt am Saume des Waldes trennte und schnellen Schrittes auf das Schloß zueilte, da traf sie auf ihren Onkel, den Inspektor, welcher vor dem Portal auf- und niederging und sie offenbar erwartet hatte. Er begrüßte sie sehr rauh und teilte ihr ohne Umschweife mit, daß ihr unverantwortliches Benehmen gegen den Herrn Baron diesen im höchsten Grade erzürnt habe. Der Herr Baron habe ihn rufen lassen, um ihm zu erklären, daß sie sich nicht wieder vor ihm blicken lassen dürfe, und daß sie sich nicht unterstehen solle, wieder ins Schloß zu kommen. Der Inspektor selbst hatte die Entrüstung seines Herrn ganz in sich ein¬ gesogen und war womöglich noch erzürnter, als der Baron es sein konnte. Es bereitete dem Gemüte des alten Mannes den größten Kummer, daß die Tochter seines Bruders sich herausgenommen hatte, undankbar und frech gegen ein so hochverehrtes Haupt aufzutreten, und er hielt mit der Ansicht über das Benehmen seiner Nichte nicht zurück, schloß auch einen ernsten Verweis wegen Umherstreichens in der Dunkelheit daran. Millicent war einen Augenblick sehr betreten, dann wurde sie zornig und wollte schon erklären, daß sie sich um den Baron garnicht kümmere und ihrer Wege gehen wolle, um solcher Sklaverei zu entrinnen. Aber sie besann sich darauf, daß Dorothea ohne sie verlassen und ohne Nachricht von Eberhardt sei, sie bezwang ihren Ärger und sagte, der Herr Baron habe sie wohl nicht recht verstanden, sie wolle jetzt gleich zu ihm gehen und ihn um Verzeihung bitten. Aber der Inspektor hielt sie, als sie ihm mit diesen Worten entwischen wollte, am Arme fest und sagte, sie dürfe daran nicht denken. Sie solle mit ihm kommen und bei ihm bleiben, bis das weitere sich finde. Er hielt sie mit Gewalt fest, zog ihren Arm unter dem seinen durch und führte sie trotz ihres Weinens unter Drohen und Schelten mit sich fort zu seiner eignen Wohnung, Grenzboten III. 1383, 13

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/105>, abgerufen am 08.09.2024.