Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.N?as im Kollegium Germanicum gelehrt wird. Einwand. Volle Gerichtsbarkeit, so wie sie in einer vollkommenen Gesellschaft Widerlegung. Vorausgeschickt, daß wir unter dem Worte w^sstÄ8, wovon s.) daß die Kirche nicht ein Territorium in dem eben angegebnen Sinne habe, d) Daß die Kirche nicht Majestätsrechtc in dem oben erklärten Sinne habe, e) Ju Betreff des Grundes, daß die Kirche eine geistige Gesellschaft sei und *) Also als wwxorÄlo (vgl. oben) Eigentum des Papstes.
N?as im Kollegium Germanicum gelehrt wird. Einwand. Volle Gerichtsbarkeit, so wie sie in einer vollkommenen Gesellschaft Widerlegung. Vorausgeschickt, daß wir unter dem Worte w^sstÄ8, wovon s.) daß die Kirche nicht ein Territorium in dem eben angegebnen Sinne habe, d) Daß die Kirche nicht Majestätsrechtc in dem oben erklärten Sinne habe, e) Ju Betreff des Grundes, daß die Kirche eine geistige Gesellschaft sei und *) Also als wwxorÄlo (vgl. oben) Eigentum des Papstes.
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0645" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/153394"/> <fw type="header" place="top"> N?as im Kollegium Germanicum gelehrt wird.</fw><lb/> <p xml:id="ID_2478"> Einwand. Volle Gerichtsbarkeit, so wie sie in einer vollkommenen Gesellschaft<lb/> vorhanden sein muß, begreift die sogenannten Mnjestätsrechte in sich und erfordert<lb/> ein Gebiet (törriwrinw), in welchem dieselben auszuüben sind. Nun hat aber die<lb/> Kirche erstens kein Gebiet und zweitens keine Majestätsrechte, weil sie eine geistige<lb/> Gesellschaft ist und daher nur geistige Mittel anwenden, der weltlichen aber sich<lb/> enthalten soll, gemäß 2. Tim. II, 4, ferner weil sie nach der Vorschrift ihres<lb/> göttlichen Stifters, Luc. XXII 2S, 26, vor aller Herrschaft (äomiu-Ms) einen<lb/> Abscheu haben soll, endlich weil in Verfolgung eines geistigen Zweckes die Freiheit<lb/> dem Christen nach dein Dogma zu bewahren ist, weshalb die Waffen und die<lb/> Gewalt des geistlichen Beamten nnr in Ermahnungen, in Thränen, in Geduld<lb/> bestehen dürfen, 2. Tim. IV, 2, 5, mit welcher Stelle übereinstimmen Ambrosius,<lb/> Chrysostomus und alle Kirchengelehrten, welche der Kirche wenigstens das Recht<lb/> über Leben und Tod <M8 g-I^cui) bestreiten. Folglich hat die Kirche keine volle<lb/> Gerichtsbarkeit.</p><lb/> <p xml:id="ID_2479"> Widerlegung. Vorausgeschickt, daß wir unter dem Worte w^sstÄ8, wovon<lb/> Majestätsrechte abgeleitet sind, das Imperium verstehen, d. h. den Inbegriff der<lb/> Rechte, die zur vollständigen Gewalt (potostas) gehören, und unter dem Worte<lb/> tsi'reell'inen hier einen Ort, in welchem eine Gesellschaft gleichsam vermöge einer<lb/> aktiven Servitut das Recht hat, ihre Gerichtsbarkeit auszuüben, auch wenn das<lb/> bürgerliche Eigentum des Ortes andern gehört, dies vorausgeschickt gebe ich den<lb/> Obersatz Steiß zur vollen Gerichtsbarkeit Majestätsrechte und ein Territorium ge¬<lb/> hören) zu; ans den Untersatz antworte ich aber Punkt für Puukt wie folgt:</p><lb/> <p xml:id="ID_2480"> s.) daß die Kirche nicht ein Territorium in dem eben angegebnen Sinne habe,<lb/> bestreite ich; denn das Recht, die Gerichtsbarkeit auszuüben, ist'ein unvermeidliches<lb/> Korollarium der berechtigten, sogar notwendigen Existenz der Kirche, weil die Ver¬<lb/> pflichtung, den Zwecken der Kirche nachzustreben, alle Menschen verbindet. Wenn<lb/> aber die berechtigte und, was mehr ist, die notwendige Existenz einer solchen Ge¬<lb/> sellschaft, die uach ihrer Natur und uach dem Willen ihres göttlichen Stifters un¬<lb/> abhängig und vollkommen, zugegeben ist, so kann die Gesellschaft nicht alles das<lb/> entbehren, was notwendig zu ihrer Erhaltung ist, wozu vor allem das Recht ge¬<lb/> hört, die Gerichtsbarkeit auszuüben. Wie also ein Gebiet den bürgerlichen Behörden<lb/> angehört, damit sie des weltlichen Zweckes ihrer Gesellschaft walten, so gehört das¬<lb/> selbe auch der Kirche an, damit sie ihren Zweck verfolge, welcher der oberste ist,<lb/> und welchem der weltliche untergeordnet sein muß. Da es aber niemand giebt, der<lb/> nicht diesem Zwecke der Kirche untergeordnet wäre, und daher die Kirche uach<lb/> ihrer Natur und Einsetzung eine katholische Gesellschaft ist, so ist der ganze<lb/> Erdkreis Territorium der Kirche.*)</p><lb/> <p xml:id="ID_2481"> d) Daß die Kirche nicht Majestätsrechtc in dem oben erklärten Sinne habe,<lb/> leugne ich, weil sie, wie oben bewiesen, eine vollkommene Gesellschaft ist und<lb/> ihr daher der Inbegriff von Rechten zusteht, der einer vollkommnen Gesellschaft<lb/> eigen ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_2482" next="#ID_2483"> e) Ju Betreff des Grundes, daß die Kirche eine geistige Gesellschaft sei und<lb/> sich daher nur geistiger Mittel bedienen sollte, mache ich in beiden Punkten eine<lb/> Unterscheidung. Daß die Kirche eine geistige Gesellschaft bezüglich ihres Zweckes<lb/> ist, räume ich ein, daß sie es in Betreff ihres Inhaltes oder der Mitglieder, aus denen<lb/> sie besteht, sei, bestreik ich, da sie nicht aus Geistern, sondern aus Menschen besteht.<lb/> Daß sie sich geistiger Mittel bedienen müsse, gebe ich zu, soweit darunter Mittel</p><lb/> <note xml:id="FID_138" place="foot"> *) Also als wwxorÄlo (vgl. oben) Eigentum des Papstes.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0645]
N?as im Kollegium Germanicum gelehrt wird.
Einwand. Volle Gerichtsbarkeit, so wie sie in einer vollkommenen Gesellschaft
vorhanden sein muß, begreift die sogenannten Mnjestätsrechte in sich und erfordert
ein Gebiet (törriwrinw), in welchem dieselben auszuüben sind. Nun hat aber die
Kirche erstens kein Gebiet und zweitens keine Majestätsrechte, weil sie eine geistige
Gesellschaft ist und daher nur geistige Mittel anwenden, der weltlichen aber sich
enthalten soll, gemäß 2. Tim. II, 4, ferner weil sie nach der Vorschrift ihres
göttlichen Stifters, Luc. XXII 2S, 26, vor aller Herrschaft (äomiu-Ms) einen
Abscheu haben soll, endlich weil in Verfolgung eines geistigen Zweckes die Freiheit
dem Christen nach dein Dogma zu bewahren ist, weshalb die Waffen und die
Gewalt des geistlichen Beamten nnr in Ermahnungen, in Thränen, in Geduld
bestehen dürfen, 2. Tim. IV, 2, 5, mit welcher Stelle übereinstimmen Ambrosius,
Chrysostomus und alle Kirchengelehrten, welche der Kirche wenigstens das Recht
über Leben und Tod <M8 g-I^cui) bestreiten. Folglich hat die Kirche keine volle
Gerichtsbarkeit.
Widerlegung. Vorausgeschickt, daß wir unter dem Worte w^sstÄ8, wovon
Majestätsrechte abgeleitet sind, das Imperium verstehen, d. h. den Inbegriff der
Rechte, die zur vollständigen Gewalt (potostas) gehören, und unter dem Worte
tsi'reell'inen hier einen Ort, in welchem eine Gesellschaft gleichsam vermöge einer
aktiven Servitut das Recht hat, ihre Gerichtsbarkeit auszuüben, auch wenn das
bürgerliche Eigentum des Ortes andern gehört, dies vorausgeschickt gebe ich den
Obersatz Steiß zur vollen Gerichtsbarkeit Majestätsrechte und ein Territorium ge¬
hören) zu; ans den Untersatz antworte ich aber Punkt für Puukt wie folgt:
s.) daß die Kirche nicht ein Territorium in dem eben angegebnen Sinne habe,
bestreite ich; denn das Recht, die Gerichtsbarkeit auszuüben, ist'ein unvermeidliches
Korollarium der berechtigten, sogar notwendigen Existenz der Kirche, weil die Ver¬
pflichtung, den Zwecken der Kirche nachzustreben, alle Menschen verbindet. Wenn
aber die berechtigte und, was mehr ist, die notwendige Existenz einer solchen Ge¬
sellschaft, die uach ihrer Natur und uach dem Willen ihres göttlichen Stifters un¬
abhängig und vollkommen, zugegeben ist, so kann die Gesellschaft nicht alles das
entbehren, was notwendig zu ihrer Erhaltung ist, wozu vor allem das Recht ge¬
hört, die Gerichtsbarkeit auszuüben. Wie also ein Gebiet den bürgerlichen Behörden
angehört, damit sie des weltlichen Zweckes ihrer Gesellschaft walten, so gehört das¬
selbe auch der Kirche an, damit sie ihren Zweck verfolge, welcher der oberste ist,
und welchem der weltliche untergeordnet sein muß. Da es aber niemand giebt, der
nicht diesem Zwecke der Kirche untergeordnet wäre, und daher die Kirche uach
ihrer Natur und Einsetzung eine katholische Gesellschaft ist, so ist der ganze
Erdkreis Territorium der Kirche.*)
d) Daß die Kirche nicht Majestätsrechtc in dem oben erklärten Sinne habe,
leugne ich, weil sie, wie oben bewiesen, eine vollkommene Gesellschaft ist und
ihr daher der Inbegriff von Rechten zusteht, der einer vollkommnen Gesellschaft
eigen ist.
e) Ju Betreff des Grundes, daß die Kirche eine geistige Gesellschaft sei und
sich daher nur geistiger Mittel bedienen sollte, mache ich in beiden Punkten eine
Unterscheidung. Daß die Kirche eine geistige Gesellschaft bezüglich ihres Zweckes
ist, räume ich ein, daß sie es in Betreff ihres Inhaltes oder der Mitglieder, aus denen
sie besteht, sei, bestreik ich, da sie nicht aus Geistern, sondern aus Menschen besteht.
Daß sie sich geistiger Mittel bedienen müsse, gebe ich zu, soweit darunter Mittel
*) Also als wwxorÄlo (vgl. oben) Eigentum des Papstes.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |