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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

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Dodsley und Compagnie.

Händler sich unter der erdichteten Firma zusammengethan hätten, um den Ge¬
lehrten den Selbstverlag zu verwehren. "Die Schurken von Dodsley und
Compagnie, die ich nächster Tage alle bei Namen nennen will, sollen mich noch
anders kennen lernen!" schreibt er am 10. August 1769 an Nicolai, und am
30. Oktober: "Suchen Sie mir es doch nur ja nicht auszureden, daß Reich
und mehrere Buchhändler, wenn schon nicht unter der Compagnie von Dodsley
begriffen, dennoch für ihre Unternehmungen, den Gelehrten den Selbstdruck zu
verleiden, sehr wohlgesinnt sind." Lessing war von früher her auf Reich nicht
gut zu sprechen. Er hatte ihm 1755 sechs Komödien Goldonis zu übersetzen
versprochen, und da er zu langsam Manuskript lieferte, so hatte Reich die ersten
beiden bereits gedruckten Bogen in die Makulatur geworfen und auf die Fort¬
setzung verzichtet. Dies konnte ihm Lessing nie verzeihen, und so lag ihm auch
jetzt am nächsten der Argwohn, daß Reich hinter der unverschämten Dodsleyische"
"Nachricht" stecke. Auf der richtigen Spur war dagegen Nicolai. Dieser schreibt
am 8. November 1769 mit Bezug auf die Dodsleyische Ankündigung: "Die
verkappten Dodsley haben gar keine wirkliche Unternehmung gemacht, den Selbst¬
druck der Gelehrten zu verhindern. Der Brief ist ein leeres Gewäsche, das bei
keinem Buchhändler den geringsten Eindruck gemacht oder nur den geringste"
Erfolg gehabt hat. Ich weiß aus vielen Proben, daß Reich, so wie alle Buch¬
händler, der Dodsleyischen Schleichhandlung sehr zuwider ist. Er hat noch diese
Messe die Madame Dhk, (deren Curator und Vormund ihrer Kinder er ist),
dahin gebracht, daß sie versprochen hat, ihren Diener, der eigentlich die Dods¬
leyische Commission besorgt, auf Ostern zu verabschieden." Wäre Nicolai nur
noch einen Schritt weiter gegangen, so hätte er die volle Wahrheit gehabt.
Die Firma Dodsley und Compagnie wurde in der That nicht ans einem Kon¬
sortium gebildet, sondern sie bestand uns einem einzigen Menschen, dem Hand¬
lungsdiener der Witwe Dhk, dem später, seit 1770, selbständig etablirten Leip¬
ziger Verlagsbuchhändler Engelhard Benjamin Schwickert. Diese Thatsache
ergiebt sich mit zweifelloser Gewißheit aus einem Aktenstücke der Leipziger
Bücherkommission, das uns in das Nachdrucksunwesen des 18. Jahrhunderts
und in die unglaubliche Verlogenheit, mit der es betrieben wurde, einen inter¬
essanten Einblick gewährt und aus dem wir folgende Vorgänge kennen lernen.

Zur Michaelismesse 1768 erschien in Leipzig ein Bändchen "Vermischte
Gedichte von Herrn I. C. Rost, herausgegeben 1769." Es war das ein von
dem obengenannten Erfurter Schmid veranstalteter Neudruck verschiedener früher
einzeln erschienenen Gedichte Rosts, unter denen sich die berüchtigte "Schöne
Nacht" und das bekannte für die Neuberin gegen Gottsched geschriebene "Vor¬
spiel" befanden. Druckort und Verleger waren nicht genannt.

Die Bücherkommission verbot das Buch um seines anstößigen Inhalts
willen bei 10 Thlr. Strafe. Kurz nach Erlaß des Verbots aber wurde ruch¬
bar, daß der Handlungsdiener der Witwe Dyk, Schwickert, das Buch debitirt


Dodsley und Compagnie.

Händler sich unter der erdichteten Firma zusammengethan hätten, um den Ge¬
lehrten den Selbstverlag zu verwehren. „Die Schurken von Dodsley und
Compagnie, die ich nächster Tage alle bei Namen nennen will, sollen mich noch
anders kennen lernen!" schreibt er am 10. August 1769 an Nicolai, und am
30. Oktober: „Suchen Sie mir es doch nur ja nicht auszureden, daß Reich
und mehrere Buchhändler, wenn schon nicht unter der Compagnie von Dodsley
begriffen, dennoch für ihre Unternehmungen, den Gelehrten den Selbstdruck zu
verleiden, sehr wohlgesinnt sind." Lessing war von früher her auf Reich nicht
gut zu sprechen. Er hatte ihm 1755 sechs Komödien Goldonis zu übersetzen
versprochen, und da er zu langsam Manuskript lieferte, so hatte Reich die ersten
beiden bereits gedruckten Bogen in die Makulatur geworfen und auf die Fort¬
setzung verzichtet. Dies konnte ihm Lessing nie verzeihen, und so lag ihm auch
jetzt am nächsten der Argwohn, daß Reich hinter der unverschämten Dodsleyische»
„Nachricht" stecke. Auf der richtigen Spur war dagegen Nicolai. Dieser schreibt
am 8. November 1769 mit Bezug auf die Dodsleyische Ankündigung: „Die
verkappten Dodsley haben gar keine wirkliche Unternehmung gemacht, den Selbst¬
druck der Gelehrten zu verhindern. Der Brief ist ein leeres Gewäsche, das bei
keinem Buchhändler den geringsten Eindruck gemacht oder nur den geringste»
Erfolg gehabt hat. Ich weiß aus vielen Proben, daß Reich, so wie alle Buch¬
händler, der Dodsleyischen Schleichhandlung sehr zuwider ist. Er hat noch diese
Messe die Madame Dhk, (deren Curator und Vormund ihrer Kinder er ist),
dahin gebracht, daß sie versprochen hat, ihren Diener, der eigentlich die Dods¬
leyische Commission besorgt, auf Ostern zu verabschieden." Wäre Nicolai nur
noch einen Schritt weiter gegangen, so hätte er die volle Wahrheit gehabt.
Die Firma Dodsley und Compagnie wurde in der That nicht ans einem Kon¬
sortium gebildet, sondern sie bestand uns einem einzigen Menschen, dem Hand¬
lungsdiener der Witwe Dhk, dem später, seit 1770, selbständig etablirten Leip¬
ziger Verlagsbuchhändler Engelhard Benjamin Schwickert. Diese Thatsache
ergiebt sich mit zweifelloser Gewißheit aus einem Aktenstücke der Leipziger
Bücherkommission, das uns in das Nachdrucksunwesen des 18. Jahrhunderts
und in die unglaubliche Verlogenheit, mit der es betrieben wurde, einen inter¬
essanten Einblick gewährt und aus dem wir folgende Vorgänge kennen lernen.

Zur Michaelismesse 1768 erschien in Leipzig ein Bändchen „Vermischte
Gedichte von Herrn I. C. Rost, herausgegeben 1769." Es war das ein von
dem obengenannten Erfurter Schmid veranstalteter Neudruck verschiedener früher
einzeln erschienenen Gedichte Rosts, unter denen sich die berüchtigte „Schöne
Nacht" und das bekannte für die Neuberin gegen Gottsched geschriebene „Vor¬
spiel" befanden. Druckort und Verleger waren nicht genannt.

Die Bücherkommission verbot das Buch um seines anstößigen Inhalts
willen bei 10 Thlr. Strafe. Kurz nach Erlaß des Verbots aber wurde ruch¬
bar, daß der Handlungsdiener der Witwe Dyk, Schwickert, das Buch debitirt


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[0562] Dodsley und Compagnie. Händler sich unter der erdichteten Firma zusammengethan hätten, um den Ge¬ lehrten den Selbstverlag zu verwehren. „Die Schurken von Dodsley und Compagnie, die ich nächster Tage alle bei Namen nennen will, sollen mich noch anders kennen lernen!" schreibt er am 10. August 1769 an Nicolai, und am 30. Oktober: „Suchen Sie mir es doch nur ja nicht auszureden, daß Reich und mehrere Buchhändler, wenn schon nicht unter der Compagnie von Dodsley begriffen, dennoch für ihre Unternehmungen, den Gelehrten den Selbstdruck zu verleiden, sehr wohlgesinnt sind." Lessing war von früher her auf Reich nicht gut zu sprechen. Er hatte ihm 1755 sechs Komödien Goldonis zu übersetzen versprochen, und da er zu langsam Manuskript lieferte, so hatte Reich die ersten beiden bereits gedruckten Bogen in die Makulatur geworfen und auf die Fort¬ setzung verzichtet. Dies konnte ihm Lessing nie verzeihen, und so lag ihm auch jetzt am nächsten der Argwohn, daß Reich hinter der unverschämten Dodsleyische» „Nachricht" stecke. Auf der richtigen Spur war dagegen Nicolai. Dieser schreibt am 8. November 1769 mit Bezug auf die Dodsleyische Ankündigung: „Die verkappten Dodsley haben gar keine wirkliche Unternehmung gemacht, den Selbst¬ druck der Gelehrten zu verhindern. Der Brief ist ein leeres Gewäsche, das bei keinem Buchhändler den geringsten Eindruck gemacht oder nur den geringste» Erfolg gehabt hat. Ich weiß aus vielen Proben, daß Reich, so wie alle Buch¬ händler, der Dodsleyischen Schleichhandlung sehr zuwider ist. Er hat noch diese Messe die Madame Dhk, (deren Curator und Vormund ihrer Kinder er ist), dahin gebracht, daß sie versprochen hat, ihren Diener, der eigentlich die Dods¬ leyische Commission besorgt, auf Ostern zu verabschieden." Wäre Nicolai nur noch einen Schritt weiter gegangen, so hätte er die volle Wahrheit gehabt. Die Firma Dodsley und Compagnie wurde in der That nicht ans einem Kon¬ sortium gebildet, sondern sie bestand uns einem einzigen Menschen, dem Hand¬ lungsdiener der Witwe Dhk, dem später, seit 1770, selbständig etablirten Leip¬ ziger Verlagsbuchhändler Engelhard Benjamin Schwickert. Diese Thatsache ergiebt sich mit zweifelloser Gewißheit aus einem Aktenstücke der Leipziger Bücherkommission, das uns in das Nachdrucksunwesen des 18. Jahrhunderts und in die unglaubliche Verlogenheit, mit der es betrieben wurde, einen inter¬ essanten Einblick gewährt und aus dem wir folgende Vorgänge kennen lernen. Zur Michaelismesse 1768 erschien in Leipzig ein Bändchen „Vermischte Gedichte von Herrn I. C. Rost, herausgegeben 1769." Es war das ein von dem obengenannten Erfurter Schmid veranstalteter Neudruck verschiedener früher einzeln erschienenen Gedichte Rosts, unter denen sich die berüchtigte „Schöne Nacht" und das bekannte für die Neuberin gegen Gottsched geschriebene „Vor¬ spiel" befanden. Druckort und Verleger waren nicht genannt. Die Bücherkommission verbot das Buch um seines anstößigen Inhalts willen bei 10 Thlr. Strafe. Kurz nach Erlaß des Verbots aber wurde ruch¬ bar, daß der Handlungsdiener der Witwe Dyk, Schwickert, das Buch debitirt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/562>, abgerufen am 22.07.2024.