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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

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Die Grafen von Altenschwerdt.

nachgiebt? Der Baron hat ganz bestimmte Pläne hinsichtlich ihrer Verheira¬
tung, Was soll daraus werden, wenn sie eine vom Vater gewünschte und be¬
fohlene Verbindung eingeht, ohne mit dem Herzen daran teilzunehmen, ja
während sie noch an einer andern Hoffnung festhält? Ihr Lebensglück muß
notwendig dadurch gestört werden. Ich kann nicht annehmen, daß Sie es so
weit treiben wollen, Dorothea zum Widerstande gegen ihren Vater zu ermutigen.
Ein solches Beginnen traue ich Ihnen nicht zu, sage Ihnen auch vorher, daß
es ganz vergeblich sein würde. Zwar nicht insofern, als es Dorothea aufregen,
in einen herben Zwiespalt der Gefühle setzen wird, denn das möchte wohl die
Folge davon sein. Aber es wird Ihnen niemals gelingen, das Gefühl des
kindlichen Gehorsams in ihrem Herzen zu besiegen. Ich kenne Dorothea. Sie
gehört zu den cmserwühlten Naturen, welche instinktiv der Tugend folgen und
ihr ganzes Lebensglück in die Schanze schlagen, wenn es sich um eine Über¬
tretung der Pflicht handelt. Und hierin schon können Sie erkennen, daß es
eine Tugend geben muß, die unabhängig vom äußern Schicksal ist. Denn wie
ungerecht müßte Gott sein, wenn er zugeben könnte, daß eine edle Seele, welche
sich für die Tugend opfert, unglücklich sein könnte! Nein, mein lieber junger
Freund, wir wollen uns nicht mit Sophismen betrügen! Es giebt eine Tu¬
gend und es giebt eine Liebe, die unabhängig sind von der Erfüllung unsrer
Wünsche und uns in jedem Falle glücklich machen. Glauben Sie daran und
verzichten Sie! Für Ihr ganzes Leben und ebenso für Dvrotheens Dasein
wird dies ein Glück sein. Sie werden einander bis zum Tode in der Blüte
der Jahre vor Augen stehen, unverändert von der Zeit und verklärt in dem
Bewußtsein des schwersten und deshalb schönsten Opfers. Ihre Herzen werden
vereinigt bleiben in ewiger Jugend und in der reizenden Frische einer ersten
und idealen Liebe, unberührt von der Erniedrigung des gemeinen Lebens bis
zu dessen Ende!

Eure Excellenz haben mir eine große Güte bewiesen, indem Sie meine
Sache vor dem Vater Dvrotheens vertraten, und ich zweifle nicht daran, daß
Sie dies so wirksam gethan haben, wie es nur geschehen konnte, sagte Eber-
hardt. Es ist fehlgeschlagen, aber ich bin Eurer Excellenz darum nicht weniger
dankbar. Mit Betrübnis sehe ich, daß ich auf eine fernere Unterstützung von
Ihrer Seite nicht rechnen darf. Ich begreife es. Doch darf ich Eurer Excellenz
nicht verhehlen, daß ich Ihrem Rat nicht gehorsam sein kann. Es ist mir nicht
möglich. Ich werde nicht verzichten bis zu dem Augenblicke, wo Dorothea
selbst dies wünschen sollte, und dieser Zeitpunkt, von dem ich hoffe, daß er nie¬
mals eintreten wird, würde für mich eine völlige Vernichtung sein. So lange
ich mich aber eins weiß mit Dorothea, werde ich nicht von dem Versuche ab¬
stehen, Hindernisse zu überwinden, die ich für Vorurteile halte. Es kann gar
keinen vernünftigen Grund geben, der den Herrn Baron Sextus abhalten könnte,
seine Tochter glücklich zu machen, soweit es in seinen Kräften steht, und es


Die Grafen von Altenschwerdt.

nachgiebt? Der Baron hat ganz bestimmte Pläne hinsichtlich ihrer Verheira¬
tung, Was soll daraus werden, wenn sie eine vom Vater gewünschte und be¬
fohlene Verbindung eingeht, ohne mit dem Herzen daran teilzunehmen, ja
während sie noch an einer andern Hoffnung festhält? Ihr Lebensglück muß
notwendig dadurch gestört werden. Ich kann nicht annehmen, daß Sie es so
weit treiben wollen, Dorothea zum Widerstande gegen ihren Vater zu ermutigen.
Ein solches Beginnen traue ich Ihnen nicht zu, sage Ihnen auch vorher, daß
es ganz vergeblich sein würde. Zwar nicht insofern, als es Dorothea aufregen,
in einen herben Zwiespalt der Gefühle setzen wird, denn das möchte wohl die
Folge davon sein. Aber es wird Ihnen niemals gelingen, das Gefühl des
kindlichen Gehorsams in ihrem Herzen zu besiegen. Ich kenne Dorothea. Sie
gehört zu den cmserwühlten Naturen, welche instinktiv der Tugend folgen und
ihr ganzes Lebensglück in die Schanze schlagen, wenn es sich um eine Über¬
tretung der Pflicht handelt. Und hierin schon können Sie erkennen, daß es
eine Tugend geben muß, die unabhängig vom äußern Schicksal ist. Denn wie
ungerecht müßte Gott sein, wenn er zugeben könnte, daß eine edle Seele, welche
sich für die Tugend opfert, unglücklich sein könnte! Nein, mein lieber junger
Freund, wir wollen uns nicht mit Sophismen betrügen! Es giebt eine Tu¬
gend und es giebt eine Liebe, die unabhängig sind von der Erfüllung unsrer
Wünsche und uns in jedem Falle glücklich machen. Glauben Sie daran und
verzichten Sie! Für Ihr ganzes Leben und ebenso für Dvrotheens Dasein
wird dies ein Glück sein. Sie werden einander bis zum Tode in der Blüte
der Jahre vor Augen stehen, unverändert von der Zeit und verklärt in dem
Bewußtsein des schwersten und deshalb schönsten Opfers. Ihre Herzen werden
vereinigt bleiben in ewiger Jugend und in der reizenden Frische einer ersten
und idealen Liebe, unberührt von der Erniedrigung des gemeinen Lebens bis
zu dessen Ende!

Eure Excellenz haben mir eine große Güte bewiesen, indem Sie meine
Sache vor dem Vater Dvrotheens vertraten, und ich zweifle nicht daran, daß
Sie dies so wirksam gethan haben, wie es nur geschehen konnte, sagte Eber-
hardt. Es ist fehlgeschlagen, aber ich bin Eurer Excellenz darum nicht weniger
dankbar. Mit Betrübnis sehe ich, daß ich auf eine fernere Unterstützung von
Ihrer Seite nicht rechnen darf. Ich begreife es. Doch darf ich Eurer Excellenz
nicht verhehlen, daß ich Ihrem Rat nicht gehorsam sein kann. Es ist mir nicht
möglich. Ich werde nicht verzichten bis zu dem Augenblicke, wo Dorothea
selbst dies wünschen sollte, und dieser Zeitpunkt, von dem ich hoffe, daß er nie¬
mals eintreten wird, würde für mich eine völlige Vernichtung sein. So lange
ich mich aber eins weiß mit Dorothea, werde ich nicht von dem Versuche ab¬
stehen, Hindernisse zu überwinden, die ich für Vorurteile halte. Es kann gar
keinen vernünftigen Grund geben, der den Herrn Baron Sextus abhalten könnte,
seine Tochter glücklich zu machen, soweit es in seinen Kräften steht, und es


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[0483] Die Grafen von Altenschwerdt. nachgiebt? Der Baron hat ganz bestimmte Pläne hinsichtlich ihrer Verheira¬ tung, Was soll daraus werden, wenn sie eine vom Vater gewünschte und be¬ fohlene Verbindung eingeht, ohne mit dem Herzen daran teilzunehmen, ja während sie noch an einer andern Hoffnung festhält? Ihr Lebensglück muß notwendig dadurch gestört werden. Ich kann nicht annehmen, daß Sie es so weit treiben wollen, Dorothea zum Widerstande gegen ihren Vater zu ermutigen. Ein solches Beginnen traue ich Ihnen nicht zu, sage Ihnen auch vorher, daß es ganz vergeblich sein würde. Zwar nicht insofern, als es Dorothea aufregen, in einen herben Zwiespalt der Gefühle setzen wird, denn das möchte wohl die Folge davon sein. Aber es wird Ihnen niemals gelingen, das Gefühl des kindlichen Gehorsams in ihrem Herzen zu besiegen. Ich kenne Dorothea. Sie gehört zu den cmserwühlten Naturen, welche instinktiv der Tugend folgen und ihr ganzes Lebensglück in die Schanze schlagen, wenn es sich um eine Über¬ tretung der Pflicht handelt. Und hierin schon können Sie erkennen, daß es eine Tugend geben muß, die unabhängig vom äußern Schicksal ist. Denn wie ungerecht müßte Gott sein, wenn er zugeben könnte, daß eine edle Seele, welche sich für die Tugend opfert, unglücklich sein könnte! Nein, mein lieber junger Freund, wir wollen uns nicht mit Sophismen betrügen! Es giebt eine Tu¬ gend und es giebt eine Liebe, die unabhängig sind von der Erfüllung unsrer Wünsche und uns in jedem Falle glücklich machen. Glauben Sie daran und verzichten Sie! Für Ihr ganzes Leben und ebenso für Dvrotheens Dasein wird dies ein Glück sein. Sie werden einander bis zum Tode in der Blüte der Jahre vor Augen stehen, unverändert von der Zeit und verklärt in dem Bewußtsein des schwersten und deshalb schönsten Opfers. Ihre Herzen werden vereinigt bleiben in ewiger Jugend und in der reizenden Frische einer ersten und idealen Liebe, unberührt von der Erniedrigung des gemeinen Lebens bis zu dessen Ende! Eure Excellenz haben mir eine große Güte bewiesen, indem Sie meine Sache vor dem Vater Dvrotheens vertraten, und ich zweifle nicht daran, daß Sie dies so wirksam gethan haben, wie es nur geschehen konnte, sagte Eber- hardt. Es ist fehlgeschlagen, aber ich bin Eurer Excellenz darum nicht weniger dankbar. Mit Betrübnis sehe ich, daß ich auf eine fernere Unterstützung von Ihrer Seite nicht rechnen darf. Ich begreife es. Doch darf ich Eurer Excellenz nicht verhehlen, daß ich Ihrem Rat nicht gehorsam sein kann. Es ist mir nicht möglich. Ich werde nicht verzichten bis zu dem Augenblicke, wo Dorothea selbst dies wünschen sollte, und dieser Zeitpunkt, von dem ich hoffe, daß er nie¬ mals eintreten wird, würde für mich eine völlige Vernichtung sein. So lange ich mich aber eins weiß mit Dorothea, werde ich nicht von dem Versuche ab¬ stehen, Hindernisse zu überwinden, die ich für Vorurteile halte. Es kann gar keinen vernünftigen Grund geben, der den Herrn Baron Sextus abhalten könnte, seine Tochter glücklich zu machen, soweit es in seinen Kräften steht, und es

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/483>, abgerufen am 22.07.2024.