Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Bewegungen im deutschen Buchhandel.

Ladenpreises durchgesetzt werden könnte, so wäre mit einem Schlage die gesamte
Schleuderei brachgelegt, und der Buchhandel stünde auf fester Basis. Aber wie
das El zum Stehen bringen?

Es giebt wieder ein einfaches Mittel: die Korporation der Buchhändler
beschließt, daß nur zum Ladenpreis verkauft werden darf, und wer diesem Gesetze
zuwiderhandelt, erhält hinfür keine Waare mehr. Das ist doch klar und
simpel, und warum geht es dennoch nicht? Weil eben die Hauptbedingung
fehlt. Es ist niemand da, um Gesetze zu geben, und niemand, um Gesetze zu
empfangen: eine Korporation der Buchhändler existirt nicht. Und
was schlimmer ist, die Vereinigung, deren Nutzen so in die Augen springend
ist, da sie durch gemeinschaftliche Maßnahmen jeden Mißstand aus der Welt
schaffen könnte, will nicht, oder wollte bisher nicht zustande kommen, weil sich
Partei lind Partei feindlich gegenüberstanden, und auch bei dem Buchhändler
echt deutsche Art, statt in der Zentralisation ihre Kraft zu suchen, lieber durch
mannhafte partikulare Selbständigkeit das Beste zu Schanden werden läßt. Es
ist ja sicher, daß die beiden durch die Art ihres Anteils am Gewerbe in reinem
Gegensatz sich gegenüberstehenden Klassen im Buchhandel, die Sortimcnter und
die Verleger, nicht durchweg parallclgehende Interessen haben, aber das höhere
gemeinsame Interesse überwiegt so sehr die partikularen, daß es unbegreif¬
lich erscheint, warum man bisher nicht einen gemeinsamen Boden hat finden
können.

In jüngster Zeit erst, bei Gelegenheit der Generalversammlung des Börsen¬
vereins der deutschen Buchhändler, ist endlich das erlösende Wort der Innung
ausgesprochen worden. Angeregt war die Sache schon beim Tagen der Pro¬
vinziell- und Lokalvereine im vergangnen Jahre als, wenn möglicher, dann einzig
möglicher Weg; aber während damals der naheliegende Gedanke noch eigentlich
nur als die neueste der im Buchhandel nicht seltne": Marotten aufgenommen
worden war, ist doch, wie es scheint, seine Plausibilität inzwischen durchgesickert. Er
ist dem maßgebenden buchhändlerischen Verein, dein Börsenverein, zur Erwägung
vorgelegt worden, und es ist möglich, daß jetzt endlich die nötigen Schritte gethan
werden, den Gesamtbnchhandel zu einer Korporation zusammenzufassen, welche
für den buchhändlerischen Verkehr feste Normen aufstellt, die eine gedeihliche
Fortentwicklung garantiren. Aber es wird dabei viel Widerstand zu über¬
winden sein, und es ist noch immer zu erwarten, daß nur an dem Worte
"Innung," welches den im Lichtkreise moderner Anschauungen erwachsenen ein
Schrecken ist, eine vernünftige Reorganisation des Buchhandels scheitern kann,
auch wenn keine andern Umstände eine Rolle spielten.

Die Zustände im Buchhandel sind eben sehr verwickelte. Es stehen oder
standen sich nicht nur Verleger und Sortimenter als die beiden eigentlichen
Interessentengruppen gegenüber, sondern Einzelkorpvrationen, die sich selbst wieder
aus Verlegern und Sortimentern zusammensetzen, und deren Tendenzen zum


Bewegungen im deutschen Buchhandel.

Ladenpreises durchgesetzt werden könnte, so wäre mit einem Schlage die gesamte
Schleuderei brachgelegt, und der Buchhandel stünde auf fester Basis. Aber wie
das El zum Stehen bringen?

Es giebt wieder ein einfaches Mittel: die Korporation der Buchhändler
beschließt, daß nur zum Ladenpreis verkauft werden darf, und wer diesem Gesetze
zuwiderhandelt, erhält hinfür keine Waare mehr. Das ist doch klar und
simpel, und warum geht es dennoch nicht? Weil eben die Hauptbedingung
fehlt. Es ist niemand da, um Gesetze zu geben, und niemand, um Gesetze zu
empfangen: eine Korporation der Buchhändler existirt nicht. Und
was schlimmer ist, die Vereinigung, deren Nutzen so in die Augen springend
ist, da sie durch gemeinschaftliche Maßnahmen jeden Mißstand aus der Welt
schaffen könnte, will nicht, oder wollte bisher nicht zustande kommen, weil sich
Partei lind Partei feindlich gegenüberstanden, und auch bei dem Buchhändler
echt deutsche Art, statt in der Zentralisation ihre Kraft zu suchen, lieber durch
mannhafte partikulare Selbständigkeit das Beste zu Schanden werden läßt. Es
ist ja sicher, daß die beiden durch die Art ihres Anteils am Gewerbe in reinem
Gegensatz sich gegenüberstehenden Klassen im Buchhandel, die Sortimcnter und
die Verleger, nicht durchweg parallclgehende Interessen haben, aber das höhere
gemeinsame Interesse überwiegt so sehr die partikularen, daß es unbegreif¬
lich erscheint, warum man bisher nicht einen gemeinsamen Boden hat finden
können.

In jüngster Zeit erst, bei Gelegenheit der Generalversammlung des Börsen¬
vereins der deutschen Buchhändler, ist endlich das erlösende Wort der Innung
ausgesprochen worden. Angeregt war die Sache schon beim Tagen der Pro¬
vinziell- und Lokalvereine im vergangnen Jahre als, wenn möglicher, dann einzig
möglicher Weg; aber während damals der naheliegende Gedanke noch eigentlich
nur als die neueste der im Buchhandel nicht seltne«: Marotten aufgenommen
worden war, ist doch, wie es scheint, seine Plausibilität inzwischen durchgesickert. Er
ist dem maßgebenden buchhändlerischen Verein, dein Börsenverein, zur Erwägung
vorgelegt worden, und es ist möglich, daß jetzt endlich die nötigen Schritte gethan
werden, den Gesamtbnchhandel zu einer Korporation zusammenzufassen, welche
für den buchhändlerischen Verkehr feste Normen aufstellt, die eine gedeihliche
Fortentwicklung garantiren. Aber es wird dabei viel Widerstand zu über¬
winden sein, und es ist noch immer zu erwarten, daß nur an dem Worte
„Innung," welches den im Lichtkreise moderner Anschauungen erwachsenen ein
Schrecken ist, eine vernünftige Reorganisation des Buchhandels scheitern kann,
auch wenn keine andern Umstände eine Rolle spielten.

Die Zustände im Buchhandel sind eben sehr verwickelte. Es stehen oder
standen sich nicht nur Verleger und Sortimenter als die beiden eigentlichen
Interessentengruppen gegenüber, sondern Einzelkorpvrationen, die sich selbst wieder
aus Verlegern und Sortimentern zusammensetzen, und deren Tendenzen zum


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0446" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/153195"/>
          <fw type="header" place="top"> Bewegungen im deutschen Buchhandel.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1750" prev="#ID_1749"> Ladenpreises durchgesetzt werden könnte, so wäre mit einem Schlage die gesamte<lb/>
Schleuderei brachgelegt, und der Buchhandel stünde auf fester Basis. Aber wie<lb/>
das El zum Stehen bringen?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1751"> Es giebt wieder ein einfaches Mittel: die Korporation der Buchhändler<lb/>
beschließt, daß nur zum Ladenpreis verkauft werden darf, und wer diesem Gesetze<lb/>
zuwiderhandelt, erhält hinfür keine Waare mehr. Das ist doch klar und<lb/>
simpel, und warum geht es dennoch nicht? Weil eben die Hauptbedingung<lb/>
fehlt. Es ist niemand da, um Gesetze zu geben, und niemand, um Gesetze zu<lb/>
empfangen: eine Korporation der Buchhändler existirt nicht. Und<lb/>
was schlimmer ist, die Vereinigung, deren Nutzen so in die Augen springend<lb/>
ist, da sie durch gemeinschaftliche Maßnahmen jeden Mißstand aus der Welt<lb/>
schaffen könnte, will nicht, oder wollte bisher nicht zustande kommen, weil sich<lb/>
Partei lind Partei feindlich gegenüberstanden, und auch bei dem Buchhändler<lb/>
echt deutsche Art, statt in der Zentralisation ihre Kraft zu suchen, lieber durch<lb/>
mannhafte partikulare Selbständigkeit das Beste zu Schanden werden läßt. Es<lb/>
ist ja sicher, daß die beiden durch die Art ihres Anteils am Gewerbe in reinem<lb/>
Gegensatz sich gegenüberstehenden Klassen im Buchhandel, die Sortimcnter und<lb/>
die Verleger, nicht durchweg parallclgehende Interessen haben, aber das höhere<lb/>
gemeinsame Interesse überwiegt so sehr die partikularen, daß es unbegreif¬<lb/>
lich erscheint, warum man bisher nicht einen gemeinsamen Boden hat finden<lb/>
können.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1752"> In jüngster Zeit erst, bei Gelegenheit der Generalversammlung des Börsen¬<lb/>
vereins der deutschen Buchhändler, ist endlich das erlösende Wort der Innung<lb/>
ausgesprochen worden. Angeregt war die Sache schon beim Tagen der Pro¬<lb/>
vinziell- und Lokalvereine im vergangnen Jahre als, wenn möglicher, dann einzig<lb/>
möglicher Weg; aber während damals der naheliegende Gedanke noch eigentlich<lb/>
nur als die neueste der im Buchhandel nicht seltne«: Marotten aufgenommen<lb/>
worden war, ist doch, wie es scheint, seine Plausibilität inzwischen durchgesickert. Er<lb/>
ist dem maßgebenden buchhändlerischen Verein, dein Börsenverein, zur Erwägung<lb/>
vorgelegt worden, und es ist möglich, daß jetzt endlich die nötigen Schritte gethan<lb/>
werden, den Gesamtbnchhandel zu einer Korporation zusammenzufassen, welche<lb/>
für den buchhändlerischen Verkehr feste Normen aufstellt, die eine gedeihliche<lb/>
Fortentwicklung garantiren. Aber es wird dabei viel Widerstand zu über¬<lb/>
winden sein, und es ist noch immer zu erwarten, daß nur an dem Worte<lb/>
&#x201E;Innung," welches den im Lichtkreise moderner Anschauungen erwachsenen ein<lb/>
Schrecken ist, eine vernünftige Reorganisation des Buchhandels scheitern kann,<lb/>
auch wenn keine andern Umstände eine Rolle spielten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1753" next="#ID_1754"> Die Zustände im Buchhandel sind eben sehr verwickelte. Es stehen oder<lb/>
standen sich nicht nur Verleger und Sortimenter als die beiden eigentlichen<lb/>
Interessentengruppen gegenüber, sondern Einzelkorpvrationen, die sich selbst wieder<lb/>
aus Verlegern und Sortimentern zusammensetzen, und deren Tendenzen zum</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0446] Bewegungen im deutschen Buchhandel. Ladenpreises durchgesetzt werden könnte, so wäre mit einem Schlage die gesamte Schleuderei brachgelegt, und der Buchhandel stünde auf fester Basis. Aber wie das El zum Stehen bringen? Es giebt wieder ein einfaches Mittel: die Korporation der Buchhändler beschließt, daß nur zum Ladenpreis verkauft werden darf, und wer diesem Gesetze zuwiderhandelt, erhält hinfür keine Waare mehr. Das ist doch klar und simpel, und warum geht es dennoch nicht? Weil eben die Hauptbedingung fehlt. Es ist niemand da, um Gesetze zu geben, und niemand, um Gesetze zu empfangen: eine Korporation der Buchhändler existirt nicht. Und was schlimmer ist, die Vereinigung, deren Nutzen so in die Augen springend ist, da sie durch gemeinschaftliche Maßnahmen jeden Mißstand aus der Welt schaffen könnte, will nicht, oder wollte bisher nicht zustande kommen, weil sich Partei lind Partei feindlich gegenüberstanden, und auch bei dem Buchhändler echt deutsche Art, statt in der Zentralisation ihre Kraft zu suchen, lieber durch mannhafte partikulare Selbständigkeit das Beste zu Schanden werden läßt. Es ist ja sicher, daß die beiden durch die Art ihres Anteils am Gewerbe in reinem Gegensatz sich gegenüberstehenden Klassen im Buchhandel, die Sortimcnter und die Verleger, nicht durchweg parallclgehende Interessen haben, aber das höhere gemeinsame Interesse überwiegt so sehr die partikularen, daß es unbegreif¬ lich erscheint, warum man bisher nicht einen gemeinsamen Boden hat finden können. In jüngster Zeit erst, bei Gelegenheit der Generalversammlung des Börsen¬ vereins der deutschen Buchhändler, ist endlich das erlösende Wort der Innung ausgesprochen worden. Angeregt war die Sache schon beim Tagen der Pro¬ vinziell- und Lokalvereine im vergangnen Jahre als, wenn möglicher, dann einzig möglicher Weg; aber während damals der naheliegende Gedanke noch eigentlich nur als die neueste der im Buchhandel nicht seltne«: Marotten aufgenommen worden war, ist doch, wie es scheint, seine Plausibilität inzwischen durchgesickert. Er ist dem maßgebenden buchhändlerischen Verein, dein Börsenverein, zur Erwägung vorgelegt worden, und es ist möglich, daß jetzt endlich die nötigen Schritte gethan werden, den Gesamtbnchhandel zu einer Korporation zusammenzufassen, welche für den buchhändlerischen Verkehr feste Normen aufstellt, die eine gedeihliche Fortentwicklung garantiren. Aber es wird dabei viel Widerstand zu über¬ winden sein, und es ist noch immer zu erwarten, daß nur an dem Worte „Innung," welches den im Lichtkreise moderner Anschauungen erwachsenen ein Schrecken ist, eine vernünftige Reorganisation des Buchhandels scheitern kann, auch wenn keine andern Umstände eine Rolle spielten. Die Zustände im Buchhandel sind eben sehr verwickelte. Es stehen oder standen sich nicht nur Verleger und Sortimenter als die beiden eigentlichen Interessentengruppen gegenüber, sondern Einzelkorpvrationen, die sich selbst wieder aus Verlegern und Sortimentern zusammensetzen, und deren Tendenzen zum

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/446
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/446>, abgerufen am 03.07.2024.