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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

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Zur Lutherfeier.

heißt: "Der Erfolg dieses epochemachenden Werkes darf ein großartiger genannt
werden. Sieben Auflagen sind seit seinem erstmaligen Erscheinen (1876) nötig
geworden. Jeder Gebildete wird es als ein Geschenk von bleibendem Wert
mit Freuden auf dem Weihnachtstische begrüßen." Darum sind aber jene
rohen Mittel nicht etwa kaltgestellt. Dafür zeugen schon Gottliebs Briefe.
"Anderwärts, in dunkleren, katholischen Regionen wird gerade jetzt dergleichen
verbreitet." So hausirt mau von Paderborn aus mit spottbilligen Pamphleten,
deren eines z. B. sich "Luther gegen Luther" betitelt. Was in Schulen und
auf Kanzeln geleistet wird, entzieht sich leider der Beobachtung. Und diese
Richtung greift in Deutschland weiter und weiter um sich. Dafür zeugen die
aller Orten neu erstehenden katholischen Kirchen. Gerade gegenwärtig erbaut
man solche in Weimar und Eisenach -- in Eisenach angesichts der Wart¬
burg! Besonders an den gemischten Ehen hat der Ultramontanismus ein
Mittel, sich mehr und mehr in den protestantischen Boden hiueinzuwühlen.
Die willkommene Unvorsichtigkeit des Fürstbischofs von Breslau hat ja kürzlich
auf solche und schlimmere Bestrebungen ein scharfes Schlaglicht geworfen. In
jeder Seele, welche auf diesen Wegen erschlichen, mit diesen Mitteln erpreßt
wird, erwächst eine Feindin Luthers. Was wird also die Lutherfeier von ultra¬
montaner Seite zu erfahren haben?

Im besten Falle feindliche Zurückhaltung. Geeigneten Ortes leichtlich ge¬
waltthätige Gegenmaßregeln. Und wenn uns Gott davor behütet, unter allen
Umständen literarische Angriffe in gesteigertsten Maße. Großes darin wird
uns von der Schlesischen Volkszeitung in Aussicht gestellt. "Der nötige Stoff,
heißt es dort, liegt in populärer Form präparirt bereits in den Redaktious-
pulten sämtlicher katholischen Zeitungen zur Verfügung." Welcherlei
Stoff das ist, davon hat uns jene Zeitung schon am 5. Dezember v. I. eine
Probe gegeben in dem Diktum: "Luther hat die Magd als wrtinui quick mit
in die christliche Ehe zugelassen." Und eben jene Zeitung vertraut darauf,
daß "jetzt in den weitesten Kreisen Luthers Leben nach Janssen fleißig studirt
werde."'") Man sieht, es handelt sich bei Gelegenheit unsrer Jubelfeier um
einen Sturmangriff auf der ganzen Linie gegen die Stellung, welche Luther
in deu Herzen der Seinigen einnimmt.

Wie begegnet man solchem Gebahren auf protestantischer Seite? Leider
wird demselben von hier aus nur zu viel Vorschub geleistet! Seit dem religiös
verflachten achtzehnten Jahrhundert hat sich jene weichmütige, grundsatzlose To¬
leranz ausgebildet, welche einen der Krebsschäden unsers Geschlechts bildet.
Ihr Wahlspruch ist das einseitig gefaßte Wort der Apostelgeschichte: In allerlei
Volk, wer Gott fürchtet und Recht thut, der ist ihm angenehm. Sie liebt es,
die konfessionellen Gegensätze möglichst zu vertusche", strebt, die sorgfältig auf-



*) I. Kostim a. a. O., S. 71.
Zur Lutherfeier.

heißt: „Der Erfolg dieses epochemachenden Werkes darf ein großartiger genannt
werden. Sieben Auflagen sind seit seinem erstmaligen Erscheinen (1876) nötig
geworden. Jeder Gebildete wird es als ein Geschenk von bleibendem Wert
mit Freuden auf dem Weihnachtstische begrüßen." Darum sind aber jene
rohen Mittel nicht etwa kaltgestellt. Dafür zeugen schon Gottliebs Briefe.
„Anderwärts, in dunkleren, katholischen Regionen wird gerade jetzt dergleichen
verbreitet." So hausirt mau von Paderborn aus mit spottbilligen Pamphleten,
deren eines z. B. sich „Luther gegen Luther" betitelt. Was in Schulen und
auf Kanzeln geleistet wird, entzieht sich leider der Beobachtung. Und diese
Richtung greift in Deutschland weiter und weiter um sich. Dafür zeugen die
aller Orten neu erstehenden katholischen Kirchen. Gerade gegenwärtig erbaut
man solche in Weimar und Eisenach — in Eisenach angesichts der Wart¬
burg! Besonders an den gemischten Ehen hat der Ultramontanismus ein
Mittel, sich mehr und mehr in den protestantischen Boden hiueinzuwühlen.
Die willkommene Unvorsichtigkeit des Fürstbischofs von Breslau hat ja kürzlich
auf solche und schlimmere Bestrebungen ein scharfes Schlaglicht geworfen. In
jeder Seele, welche auf diesen Wegen erschlichen, mit diesen Mitteln erpreßt
wird, erwächst eine Feindin Luthers. Was wird also die Lutherfeier von ultra¬
montaner Seite zu erfahren haben?

Im besten Falle feindliche Zurückhaltung. Geeigneten Ortes leichtlich ge¬
waltthätige Gegenmaßregeln. Und wenn uns Gott davor behütet, unter allen
Umständen literarische Angriffe in gesteigertsten Maße. Großes darin wird
uns von der Schlesischen Volkszeitung in Aussicht gestellt. „Der nötige Stoff,
heißt es dort, liegt in populärer Form präparirt bereits in den Redaktious-
pulten sämtlicher katholischen Zeitungen zur Verfügung." Welcherlei
Stoff das ist, davon hat uns jene Zeitung schon am 5. Dezember v. I. eine
Probe gegeben in dem Diktum: „Luther hat die Magd als wrtinui quick mit
in die christliche Ehe zugelassen." Und eben jene Zeitung vertraut darauf,
daß „jetzt in den weitesten Kreisen Luthers Leben nach Janssen fleißig studirt
werde."'") Man sieht, es handelt sich bei Gelegenheit unsrer Jubelfeier um
einen Sturmangriff auf der ganzen Linie gegen die Stellung, welche Luther
in deu Herzen der Seinigen einnimmt.

Wie begegnet man solchem Gebahren auf protestantischer Seite? Leider
wird demselben von hier aus nur zu viel Vorschub geleistet! Seit dem religiös
verflachten achtzehnten Jahrhundert hat sich jene weichmütige, grundsatzlose To¬
leranz ausgebildet, welche einen der Krebsschäden unsers Geschlechts bildet.
Ihr Wahlspruch ist das einseitig gefaßte Wort der Apostelgeschichte: In allerlei
Volk, wer Gott fürchtet und Recht thut, der ist ihm angenehm. Sie liebt es,
die konfessionellen Gegensätze möglichst zu vertusche», strebt, die sorgfältig auf-



*) I. Kostim a. a. O., S. 71.
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[0395] Zur Lutherfeier. heißt: „Der Erfolg dieses epochemachenden Werkes darf ein großartiger genannt werden. Sieben Auflagen sind seit seinem erstmaligen Erscheinen (1876) nötig geworden. Jeder Gebildete wird es als ein Geschenk von bleibendem Wert mit Freuden auf dem Weihnachtstische begrüßen." Darum sind aber jene rohen Mittel nicht etwa kaltgestellt. Dafür zeugen schon Gottliebs Briefe. „Anderwärts, in dunkleren, katholischen Regionen wird gerade jetzt dergleichen verbreitet." So hausirt mau von Paderborn aus mit spottbilligen Pamphleten, deren eines z. B. sich „Luther gegen Luther" betitelt. Was in Schulen und auf Kanzeln geleistet wird, entzieht sich leider der Beobachtung. Und diese Richtung greift in Deutschland weiter und weiter um sich. Dafür zeugen die aller Orten neu erstehenden katholischen Kirchen. Gerade gegenwärtig erbaut man solche in Weimar und Eisenach — in Eisenach angesichts der Wart¬ burg! Besonders an den gemischten Ehen hat der Ultramontanismus ein Mittel, sich mehr und mehr in den protestantischen Boden hiueinzuwühlen. Die willkommene Unvorsichtigkeit des Fürstbischofs von Breslau hat ja kürzlich auf solche und schlimmere Bestrebungen ein scharfes Schlaglicht geworfen. In jeder Seele, welche auf diesen Wegen erschlichen, mit diesen Mitteln erpreßt wird, erwächst eine Feindin Luthers. Was wird also die Lutherfeier von ultra¬ montaner Seite zu erfahren haben? Im besten Falle feindliche Zurückhaltung. Geeigneten Ortes leichtlich ge¬ waltthätige Gegenmaßregeln. Und wenn uns Gott davor behütet, unter allen Umständen literarische Angriffe in gesteigertsten Maße. Großes darin wird uns von der Schlesischen Volkszeitung in Aussicht gestellt. „Der nötige Stoff, heißt es dort, liegt in populärer Form präparirt bereits in den Redaktious- pulten sämtlicher katholischen Zeitungen zur Verfügung." Welcherlei Stoff das ist, davon hat uns jene Zeitung schon am 5. Dezember v. I. eine Probe gegeben in dem Diktum: „Luther hat die Magd als wrtinui quick mit in die christliche Ehe zugelassen." Und eben jene Zeitung vertraut darauf, daß „jetzt in den weitesten Kreisen Luthers Leben nach Janssen fleißig studirt werde."'") Man sieht, es handelt sich bei Gelegenheit unsrer Jubelfeier um einen Sturmangriff auf der ganzen Linie gegen die Stellung, welche Luther in deu Herzen der Seinigen einnimmt. Wie begegnet man solchem Gebahren auf protestantischer Seite? Leider wird demselben von hier aus nur zu viel Vorschub geleistet! Seit dem religiös verflachten achtzehnten Jahrhundert hat sich jene weichmütige, grundsatzlose To¬ leranz ausgebildet, welche einen der Krebsschäden unsers Geschlechts bildet. Ihr Wahlspruch ist das einseitig gefaßte Wort der Apostelgeschichte: In allerlei Volk, wer Gott fürchtet und Recht thut, der ist ihm angenehm. Sie liebt es, die konfessionellen Gegensätze möglichst zu vertusche», strebt, die sorgfältig auf- *) I. Kostim a. a. O., S. 71.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/395>, abgerufen am 22.07.2024.