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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

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Pompejanische Spaziergänge.

messen. Du machst, daß mein Verlangen nach der Herrscherin Hauptstadt milder
wird; du allein bist mir Ersatz für mein Rom,"*)

Wenn sich nun die feine Bildung vom Capitol und Palatin tief in Spanien
wiederfand, wen" mau die Rhetorik in Thule studirte, wenn man an den äußersten
Enden der Welt Sitten und Moden, Sprache und Lebensart der Römer treulich
kopirte, so ist klar, daß diese Nachahmung in einer italienischen Stadt noch viel
sichtbarer zu Tage getreten sein muß, besonders in Pompeji, das heißt an den
Thoren von Bajae und Neapel, wo die elegante Jugend von Rom, um "die
warmen Bäder und das bezaubernde Schauspiel des Meeres"**) zu genießen,
alljährlich ihr Stelldichein hatte. Diese vornehmen Gäste verbreiteten um sich
her die Gewohnheiten der großen Stadt: die Bewohner Pompejis konnten sich
mit denselben vertraut machen, fast ohne ihr Städtchen zu verlassen. Dieser
Einfluß mußte sich für jedermann fühlbar machen; besonders aber waren es
die Reichen, die Leute, welche die Aristokratie des Landes bildeten, die hier
Muster und Vorbilder vor Augen hatten, deren eifrige Nachahmung ihnen am
Herzen lag.

Zu alleu Zeiten hat es zu Pompeji eine Aristokratie von Bedeutung ge¬
geben; doch scheint diejenige, welche in dem Augenblicke des Unterganges der
kleinen Stadt an ihrer Spitze stand, kein sehr hohes Alter gehabt zu haben.
Es ist bemerkt worden, daß die der Kaiserzeit vorangehende" Inschriften
Namen von Beamten enthalten, die in der Folge nicht wieder auftreten. Die
Familien dieser Persönlichkeiten scheinen später verschwunden oder in Dunkel¬
heit zurückgesunken zu sein. An ihrer Stelle treten mit den ersten Cäsaren die
Holeonius, die Pansa u. s. w. auf. Müssen wir annehmen, daß die großen
Ereignisse, welche damals eintraten, ihrem plötzlichen Glücke nicht fremd waren?
Ihre Freigebigkeit beweist uns ihren großen Reichtum; zu solchem plötzlichen
Wohlstand kommen aber sonst nur geschickte Industrielle, kühne Kaufleute, glück¬
liche Spekulanten. Wir dürfen eben nicht vergessen, daß Pompeji, welches
scheinbar nur eine Stätte des Vergnügens war, in Wirklichkeit auch eine Han¬
delsstadt gewesen ist. Nach Strabo diente Pompeji als Hafen für Aeerra,
Nola und Nuceria, war also für diese ganze Seite Campaniens eine Art von
industriellem Mittelpunkt. Es ist sehr leicht möglich, daß der Aufschwung, den
die Begründung des Kaisertums den Geschäften gab, der Friede und die Sicher¬
heit, die der Welt nach so vielen Wirren zurückgegeben waren, der Fortschritt
im öffentlichen Wohlbefinden und im Reichtum, der davon die natürliche Folge
war, gewisse Familien, deren Stellung bis dahin eine viel bescheidenere gewesen
war, mit einem Schlage zum ersten Range emporgetragen und jene großen
Hänser begründet hat, welche nunmehr während eines Jahrhunderts die leitende




Vers aus einer in Ostia gefundenen Grabschrift.
Martial XII, 21.
**) r/z-g^W g^nah oaliiZs," äslicig-sHus waris -- lautet ein
Pompejanische Spaziergänge.

messen. Du machst, daß mein Verlangen nach der Herrscherin Hauptstadt milder
wird; du allein bist mir Ersatz für mein Rom,"*)

Wenn sich nun die feine Bildung vom Capitol und Palatin tief in Spanien
wiederfand, wen» mau die Rhetorik in Thule studirte, wenn man an den äußersten
Enden der Welt Sitten und Moden, Sprache und Lebensart der Römer treulich
kopirte, so ist klar, daß diese Nachahmung in einer italienischen Stadt noch viel
sichtbarer zu Tage getreten sein muß, besonders in Pompeji, das heißt an den
Thoren von Bajae und Neapel, wo die elegante Jugend von Rom, um „die
warmen Bäder und das bezaubernde Schauspiel des Meeres"**) zu genießen,
alljährlich ihr Stelldichein hatte. Diese vornehmen Gäste verbreiteten um sich
her die Gewohnheiten der großen Stadt: die Bewohner Pompejis konnten sich
mit denselben vertraut machen, fast ohne ihr Städtchen zu verlassen. Dieser
Einfluß mußte sich für jedermann fühlbar machen; besonders aber waren es
die Reichen, die Leute, welche die Aristokratie des Landes bildeten, die hier
Muster und Vorbilder vor Augen hatten, deren eifrige Nachahmung ihnen am
Herzen lag.

Zu alleu Zeiten hat es zu Pompeji eine Aristokratie von Bedeutung ge¬
geben; doch scheint diejenige, welche in dem Augenblicke des Unterganges der
kleinen Stadt an ihrer Spitze stand, kein sehr hohes Alter gehabt zu haben.
Es ist bemerkt worden, daß die der Kaiserzeit vorangehende» Inschriften
Namen von Beamten enthalten, die in der Folge nicht wieder auftreten. Die
Familien dieser Persönlichkeiten scheinen später verschwunden oder in Dunkel¬
heit zurückgesunken zu sein. An ihrer Stelle treten mit den ersten Cäsaren die
Holeonius, die Pansa u. s. w. auf. Müssen wir annehmen, daß die großen
Ereignisse, welche damals eintraten, ihrem plötzlichen Glücke nicht fremd waren?
Ihre Freigebigkeit beweist uns ihren großen Reichtum; zu solchem plötzlichen
Wohlstand kommen aber sonst nur geschickte Industrielle, kühne Kaufleute, glück¬
liche Spekulanten. Wir dürfen eben nicht vergessen, daß Pompeji, welches
scheinbar nur eine Stätte des Vergnügens war, in Wirklichkeit auch eine Han¬
delsstadt gewesen ist. Nach Strabo diente Pompeji als Hafen für Aeerra,
Nola und Nuceria, war also für diese ganze Seite Campaniens eine Art von
industriellem Mittelpunkt. Es ist sehr leicht möglich, daß der Aufschwung, den
die Begründung des Kaisertums den Geschäften gab, der Friede und die Sicher¬
heit, die der Welt nach so vielen Wirren zurückgegeben waren, der Fortschritt
im öffentlichen Wohlbefinden und im Reichtum, der davon die natürliche Folge
war, gewisse Familien, deren Stellung bis dahin eine viel bescheidenere gewesen
war, mit einem Schlage zum ersten Range emporgetragen und jene großen
Hänser begründet hat, welche nunmehr während eines Jahrhunderts die leitende




Vers aus einer in Ostia gefundenen Grabschrift.
Martial XII, 21.
**) r/z-g^W g^nah oaliiZs,» äslicig-sHus waris — lautet ein
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[0254] Pompejanische Spaziergänge. messen. Du machst, daß mein Verlangen nach der Herrscherin Hauptstadt milder wird; du allein bist mir Ersatz für mein Rom,"*) Wenn sich nun die feine Bildung vom Capitol und Palatin tief in Spanien wiederfand, wen» mau die Rhetorik in Thule studirte, wenn man an den äußersten Enden der Welt Sitten und Moden, Sprache und Lebensart der Römer treulich kopirte, so ist klar, daß diese Nachahmung in einer italienischen Stadt noch viel sichtbarer zu Tage getreten sein muß, besonders in Pompeji, das heißt an den Thoren von Bajae und Neapel, wo die elegante Jugend von Rom, um „die warmen Bäder und das bezaubernde Schauspiel des Meeres"**) zu genießen, alljährlich ihr Stelldichein hatte. Diese vornehmen Gäste verbreiteten um sich her die Gewohnheiten der großen Stadt: die Bewohner Pompejis konnten sich mit denselben vertraut machen, fast ohne ihr Städtchen zu verlassen. Dieser Einfluß mußte sich für jedermann fühlbar machen; besonders aber waren es die Reichen, die Leute, welche die Aristokratie des Landes bildeten, die hier Muster und Vorbilder vor Augen hatten, deren eifrige Nachahmung ihnen am Herzen lag. Zu alleu Zeiten hat es zu Pompeji eine Aristokratie von Bedeutung ge¬ geben; doch scheint diejenige, welche in dem Augenblicke des Unterganges der kleinen Stadt an ihrer Spitze stand, kein sehr hohes Alter gehabt zu haben. Es ist bemerkt worden, daß die der Kaiserzeit vorangehende» Inschriften Namen von Beamten enthalten, die in der Folge nicht wieder auftreten. Die Familien dieser Persönlichkeiten scheinen später verschwunden oder in Dunkel¬ heit zurückgesunken zu sein. An ihrer Stelle treten mit den ersten Cäsaren die Holeonius, die Pansa u. s. w. auf. Müssen wir annehmen, daß die großen Ereignisse, welche damals eintraten, ihrem plötzlichen Glücke nicht fremd waren? Ihre Freigebigkeit beweist uns ihren großen Reichtum; zu solchem plötzlichen Wohlstand kommen aber sonst nur geschickte Industrielle, kühne Kaufleute, glück¬ liche Spekulanten. Wir dürfen eben nicht vergessen, daß Pompeji, welches scheinbar nur eine Stätte des Vergnügens war, in Wirklichkeit auch eine Han¬ delsstadt gewesen ist. Nach Strabo diente Pompeji als Hafen für Aeerra, Nola und Nuceria, war also für diese ganze Seite Campaniens eine Art von industriellem Mittelpunkt. Es ist sehr leicht möglich, daß der Aufschwung, den die Begründung des Kaisertums den Geschäften gab, der Friede und die Sicher¬ heit, die der Welt nach so vielen Wirren zurückgegeben waren, der Fortschritt im öffentlichen Wohlbefinden und im Reichtum, der davon die natürliche Folge war, gewisse Familien, deren Stellung bis dahin eine viel bescheidenere gewesen war, mit einem Schlage zum ersten Range emporgetragen und jene großen Hänser begründet hat, welche nunmehr während eines Jahrhunderts die leitende Martial XII, 21. **) r/z-g^W g^nah oaliiZs,» äslicig-sHus waris — lautet ein Vers aus einer in Ostia gefundenen Grabschrift.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/254>, abgerufen am 24.08.2024.