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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

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Die Grafen von Altenschwerdt.

Ich muß doch sehr bitten, erwiederte Dr. Glock ärgerlich. Ich wußte nicht,
daß unser Kontrakt mir das untersagte!

Das ist wahr, sagte Herr Schmidt nach einer Pause, während deren er
seinen Redakteur mit seinem verwunderten Blick zu messen fortfuhr, gleich als
suche er in ihm nach versteckten, höchst sonderbaren Eigenschaften. Das ist
wahr, Herr Doktor, wir haben das im Kontrakt nicht erwähnt, aber ich glaube,
unser Kontrakt hat überhaupt die bedenklichsten Lücken, denn als ich ihn aufsetzte,
dachte ich es mit einem gesetzten, überlegten, vernünftigen Manne zu thun zu
haben.

Mein Herr! rief or. Glock.

Herr Schmidt ließ sich von der Entrüstung, welche durch diesen Ausruf
hindurchklang, nicht beirren. Er faltete die hoch erhobenen Hände, ließ sie
langsam sinken und fuhr fort, den ganz bestürzten Redakteur wie einen seltsamen,
fremdartigen Gegenstand anzustieren.

Unglücksmensch! rief er dann in einem Ausbruch von Wut. Sie haben
es darauf abgesehen, mich und sich selbst zu ruiniren!

Bitte, haben Sie endlich die Güte, mir zu sagen, was Sie eigentlich wollen!
schrie or. Glock.

Er weiß es garnicht, sagte Herr Schmidt, die Augen zum Himmel erhebend.
Er weiß es nicht! Er spielt mit Puppen! Gerechter Gott, giebt es etwas, was
Menschen wahnsinnig machen kann, und ist es dies nicht?

or. Glock hatte an diesem Morgen gelesen, daß auf einem Übungsmarsche
in der bairischen Pfalz zwölf Soldaten zusammengebrochen und davon vier am
Sonnenstich gestorben seien. Er dachte einen Augenblick, Herr Schmidt müsse
ebenfalls unter der Hitze der letzten Zeit gelitten haben. Sein Gesicht prägte
eine solche Vermutung und dazu die vollkommenste Unschuld so deutlich aus,
daß Herr Schmidt in ein Lachen ausbrach, welches der reinsten Verzweiflung
entstammte.

Während dessen war auf das Geräusch der lauten Stimmen ein Schenk¬
mädchen herbeigekommen, Herr Schmidt bestellte ein Glas Bier, wischte sich den
Schweiß von der Stirn und setzte sich stöhnend auf die Gartenbank, seinem Re¬
dakteur gegenüber, der ebenfalls wieder Platz nahm und den Rest seines Glases
mit wütender Miene hinuntergoß.

Ich muß es Ihnen also noch extra mitteilen, sagte Herr Schmidt, nachdem
er sich mit einem langen Zuge erquickt hatte. Hören Sie also.

Er erzählte nunmehr in seiner etwas breiten Weise und indem er wieder¬
holt sein Geschick und Glück bei geschäftlichen Unternehmungen betonte, daß er
ruhigen Herzens seine Tour bis nach Seeland ausgedehnt und mit den besten
Firmen Lieferungskontrakte über Fliesen abgeschlossen habe, als ihn plötzlich wie
ein Blitz aus heiterm Himmel der Brief eines Holzfnrter Geschäftsfreundes ge¬
troffen habe, worin derselbe geschrieben habe, Holzfurt sei außer sich über die


Die Grafen von Altenschwerdt.

Ich muß doch sehr bitten, erwiederte Dr. Glock ärgerlich. Ich wußte nicht,
daß unser Kontrakt mir das untersagte!

Das ist wahr, sagte Herr Schmidt nach einer Pause, während deren er
seinen Redakteur mit seinem verwunderten Blick zu messen fortfuhr, gleich als
suche er in ihm nach versteckten, höchst sonderbaren Eigenschaften. Das ist
wahr, Herr Doktor, wir haben das im Kontrakt nicht erwähnt, aber ich glaube,
unser Kontrakt hat überhaupt die bedenklichsten Lücken, denn als ich ihn aufsetzte,
dachte ich es mit einem gesetzten, überlegten, vernünftigen Manne zu thun zu
haben.

Mein Herr! rief or. Glock.

Herr Schmidt ließ sich von der Entrüstung, welche durch diesen Ausruf
hindurchklang, nicht beirren. Er faltete die hoch erhobenen Hände, ließ sie
langsam sinken und fuhr fort, den ganz bestürzten Redakteur wie einen seltsamen,
fremdartigen Gegenstand anzustieren.

Unglücksmensch! rief er dann in einem Ausbruch von Wut. Sie haben
es darauf abgesehen, mich und sich selbst zu ruiniren!

Bitte, haben Sie endlich die Güte, mir zu sagen, was Sie eigentlich wollen!
schrie or. Glock.

Er weiß es garnicht, sagte Herr Schmidt, die Augen zum Himmel erhebend.
Er weiß es nicht! Er spielt mit Puppen! Gerechter Gott, giebt es etwas, was
Menschen wahnsinnig machen kann, und ist es dies nicht?

or. Glock hatte an diesem Morgen gelesen, daß auf einem Übungsmarsche
in der bairischen Pfalz zwölf Soldaten zusammengebrochen und davon vier am
Sonnenstich gestorben seien. Er dachte einen Augenblick, Herr Schmidt müsse
ebenfalls unter der Hitze der letzten Zeit gelitten haben. Sein Gesicht prägte
eine solche Vermutung und dazu die vollkommenste Unschuld so deutlich aus,
daß Herr Schmidt in ein Lachen ausbrach, welches der reinsten Verzweiflung
entstammte.

Während dessen war auf das Geräusch der lauten Stimmen ein Schenk¬
mädchen herbeigekommen, Herr Schmidt bestellte ein Glas Bier, wischte sich den
Schweiß von der Stirn und setzte sich stöhnend auf die Gartenbank, seinem Re¬
dakteur gegenüber, der ebenfalls wieder Platz nahm und den Rest seines Glases
mit wütender Miene hinuntergoß.

Ich muß es Ihnen also noch extra mitteilen, sagte Herr Schmidt, nachdem
er sich mit einem langen Zuge erquickt hatte. Hören Sie also.

Er erzählte nunmehr in seiner etwas breiten Weise und indem er wieder¬
holt sein Geschick und Glück bei geschäftlichen Unternehmungen betonte, daß er
ruhigen Herzens seine Tour bis nach Seeland ausgedehnt und mit den besten
Firmen Lieferungskontrakte über Fliesen abgeschlossen habe, als ihn plötzlich wie
ein Blitz aus heiterm Himmel der Brief eines Holzfnrter Geschäftsfreundes ge¬
troffen habe, worin derselbe geschrieben habe, Holzfurt sei außer sich über die


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[0213] Die Grafen von Altenschwerdt. Ich muß doch sehr bitten, erwiederte Dr. Glock ärgerlich. Ich wußte nicht, daß unser Kontrakt mir das untersagte! Das ist wahr, sagte Herr Schmidt nach einer Pause, während deren er seinen Redakteur mit seinem verwunderten Blick zu messen fortfuhr, gleich als suche er in ihm nach versteckten, höchst sonderbaren Eigenschaften. Das ist wahr, Herr Doktor, wir haben das im Kontrakt nicht erwähnt, aber ich glaube, unser Kontrakt hat überhaupt die bedenklichsten Lücken, denn als ich ihn aufsetzte, dachte ich es mit einem gesetzten, überlegten, vernünftigen Manne zu thun zu haben. Mein Herr! rief or. Glock. Herr Schmidt ließ sich von der Entrüstung, welche durch diesen Ausruf hindurchklang, nicht beirren. Er faltete die hoch erhobenen Hände, ließ sie langsam sinken und fuhr fort, den ganz bestürzten Redakteur wie einen seltsamen, fremdartigen Gegenstand anzustieren. Unglücksmensch! rief er dann in einem Ausbruch von Wut. Sie haben es darauf abgesehen, mich und sich selbst zu ruiniren! Bitte, haben Sie endlich die Güte, mir zu sagen, was Sie eigentlich wollen! schrie or. Glock. Er weiß es garnicht, sagte Herr Schmidt, die Augen zum Himmel erhebend. Er weiß es nicht! Er spielt mit Puppen! Gerechter Gott, giebt es etwas, was Menschen wahnsinnig machen kann, und ist es dies nicht? or. Glock hatte an diesem Morgen gelesen, daß auf einem Übungsmarsche in der bairischen Pfalz zwölf Soldaten zusammengebrochen und davon vier am Sonnenstich gestorben seien. Er dachte einen Augenblick, Herr Schmidt müsse ebenfalls unter der Hitze der letzten Zeit gelitten haben. Sein Gesicht prägte eine solche Vermutung und dazu die vollkommenste Unschuld so deutlich aus, daß Herr Schmidt in ein Lachen ausbrach, welches der reinsten Verzweiflung entstammte. Während dessen war auf das Geräusch der lauten Stimmen ein Schenk¬ mädchen herbeigekommen, Herr Schmidt bestellte ein Glas Bier, wischte sich den Schweiß von der Stirn und setzte sich stöhnend auf die Gartenbank, seinem Re¬ dakteur gegenüber, der ebenfalls wieder Platz nahm und den Rest seines Glases mit wütender Miene hinuntergoß. Ich muß es Ihnen also noch extra mitteilen, sagte Herr Schmidt, nachdem er sich mit einem langen Zuge erquickt hatte. Hören Sie also. Er erzählte nunmehr in seiner etwas breiten Weise und indem er wieder¬ holt sein Geschick und Glück bei geschäftlichen Unternehmungen betonte, daß er ruhigen Herzens seine Tour bis nach Seeland ausgedehnt und mit den besten Firmen Lieferungskontrakte über Fliesen abgeschlossen habe, als ihn plötzlich wie ein Blitz aus heiterm Himmel der Brief eines Holzfnrter Geschäftsfreundes ge¬ troffen habe, worin derselbe geschrieben habe, Holzfurt sei außer sich über die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/213>, abgerufen am 01.10.2024.