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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

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Zur Kenntnis des gelehrten Handwerks.

Wenn schon diese einzelnen Stellen ein deutliches Bild des Plagiates geben,
so tritt dasselbe doch erst in seiner ganzen Bedeutung hervor, wenn man einmal
den Zusammenhang einer Seite bei Krause und dessen Photographie bei La߬
witz verfolgt. Wir wählen zu diesem Zwecke S. 41 bei Krause und S. 53 u. f.
bei Laßwitz. Da heißt es:


[Beginn Spaltensatz]

Solange man meint, daß die Vor¬
stellungen in unserm Kopfe sind, kommt
man zu den ungeheuerlichsten Fol¬
gerungen. . . .

Da nämlich der rote Schrank 8 Fuß
hoch ist, meine Augen aber nur 2 Cen-
timeter breit und mein Sehnerv nur
1/4 Centimeter dick, entspringt die Frage,
woher kommt es, daß ich einen Raum
von 8 Fuß sehe, welcher doch nicht durch
den Centimeter dicken Sehnerv über¬
geflossen sein kann. Da muß man denn
annehmen, daß ein Raum Vergröße¬
rungsvermögen dem Gehirn bei¬
wohne. . . .

Oder man sagt, die Vorstellung des
8 Fuß hohen Schrankes sitzt im Kopfe;
nun ist aber der gesehene rote Schrank
20 Fuß entfernt; also heißt es, man
projizirt seine Vorstellung in einen
Sehraum hinaus, und es ist dann eine
lustige Frage, ob der Schraum sich
mit dem wirklichen Raume da
draußen auch deckt. . . .

Zum Unglück aber sieht man mit
zwei Augen. Jedes Auge hat nun
seinen eigenen Sehraum und Proji¬
zirt ihn in den wirklichen Raum hinaus,
und es wird schon fataler, wie die drei
Räume sich decken sollen. . . .

[Spaltenumbruch]

Wollte man nun fragen, wo hat diese
Vorstellung, wo hat die Empfindung des
Hauses in uns ihren Sitz, so käme
man zu den ungeheuerlichsten An¬
nahmen. . . .

Wir sehen ein Haus, 20 Meter hoch,
30 Meter lang und ebenso weit von
uns entfernt. Dieses Haus stellen wir
als außer uns im Raume vor, die Vor¬
stellung des Hauses aber ist doch in
uns. . . . Dann wäre der Raum des
Hauses, die 20 Meter Höhe und 30
Meter Länge, in uns? . . . Demnach
müßte unser Sehorgan die Fähigkeit
haben, die räumlichen Gegenstände so
umzuwandeln, daß sie durch unsere Seh¬
nerven hindurch gleiten können und
im Gehirn Platz finden, und das Ge¬
hirn müßte wieder dieFähigkeit haben,
die räumlichen Empfindungen zu
vergrößern und aus sich hinaus zu
werfen wie die Bilder einer I^toi'iia
MÄAicÄ. . . .

Und da das Haus 30 Meter ent¬
fernt ist, so projiziren wir also das
Bild des Hauses wieder hinaus. . . .

Man kaun dann zweifeln, ob der
Sehraum, d. h. also der Raum, in
welchem unser Sehorgan uns die Dinge
erscheinen läßt, mit dem wirklichen
Raume draußen sich deckt.

Wir haben aber noch dazu nicht
bloß einen Sehraum, sondern, da wir
mit zwei Augen sehen, so hat jedes
Auge seinen besonderen Sehraum,
und es ist dann eine erfreuliche Kunst,
aus diesen beiden Räumen einen einzige"
zu machen.

[Ende Spaltensatz]

Zur Kenntnis des gelehrten Handwerks.

Wenn schon diese einzelnen Stellen ein deutliches Bild des Plagiates geben,
so tritt dasselbe doch erst in seiner ganzen Bedeutung hervor, wenn man einmal
den Zusammenhang einer Seite bei Krause und dessen Photographie bei La߬
witz verfolgt. Wir wählen zu diesem Zwecke S. 41 bei Krause und S. 53 u. f.
bei Laßwitz. Da heißt es:


[Beginn Spaltensatz]

Solange man meint, daß die Vor¬
stellungen in unserm Kopfe sind, kommt
man zu den ungeheuerlichsten Fol¬
gerungen. . . .

Da nämlich der rote Schrank 8 Fuß
hoch ist, meine Augen aber nur 2 Cen-
timeter breit und mein Sehnerv nur
1/4 Centimeter dick, entspringt die Frage,
woher kommt es, daß ich einen Raum
von 8 Fuß sehe, welcher doch nicht durch
den Centimeter dicken Sehnerv über¬
geflossen sein kann. Da muß man denn
annehmen, daß ein Raum Vergröße¬
rungsvermögen dem Gehirn bei¬
wohne. . . .

Oder man sagt, die Vorstellung des
8 Fuß hohen Schrankes sitzt im Kopfe;
nun ist aber der gesehene rote Schrank
20 Fuß entfernt; also heißt es, man
projizirt seine Vorstellung in einen
Sehraum hinaus, und es ist dann eine
lustige Frage, ob der Schraum sich
mit dem wirklichen Raume da
draußen auch deckt. . . .

Zum Unglück aber sieht man mit
zwei Augen. Jedes Auge hat nun
seinen eigenen Sehraum und Proji¬
zirt ihn in den wirklichen Raum hinaus,
und es wird schon fataler, wie die drei
Räume sich decken sollen. . . .

[Spaltenumbruch]

Wollte man nun fragen, wo hat diese
Vorstellung, wo hat die Empfindung des
Hauses in uns ihren Sitz, so käme
man zu den ungeheuerlichsten An¬
nahmen. . . .

Wir sehen ein Haus, 20 Meter hoch,
30 Meter lang und ebenso weit von
uns entfernt. Dieses Haus stellen wir
als außer uns im Raume vor, die Vor¬
stellung des Hauses aber ist doch in
uns. . . . Dann wäre der Raum des
Hauses, die 20 Meter Höhe und 30
Meter Länge, in uns? . . . Demnach
müßte unser Sehorgan die Fähigkeit
haben, die räumlichen Gegenstände so
umzuwandeln, daß sie durch unsere Seh¬
nerven hindurch gleiten können und
im Gehirn Platz finden, und das Ge¬
hirn müßte wieder dieFähigkeit haben,
die räumlichen Empfindungen zu
vergrößern und aus sich hinaus zu
werfen wie die Bilder einer I^toi'iia
MÄAicÄ. . . .

Und da das Haus 30 Meter ent¬
fernt ist, so projiziren wir also das
Bild des Hauses wieder hinaus. . . .

Man kaun dann zweifeln, ob der
Sehraum, d. h. also der Raum, in
welchem unser Sehorgan uns die Dinge
erscheinen läßt, mit dem wirklichen
Raume draußen sich deckt.

Wir haben aber noch dazu nicht
bloß einen Sehraum, sondern, da wir
mit zwei Augen sehen, so hat jedes
Auge seinen besonderen Sehraum,
und es ist dann eine erfreuliche Kunst,
aus diesen beiden Räumen einen einzige«
zu machen.

[Ende Spaltensatz]

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[0204] Zur Kenntnis des gelehrten Handwerks. Wenn schon diese einzelnen Stellen ein deutliches Bild des Plagiates geben, so tritt dasselbe doch erst in seiner ganzen Bedeutung hervor, wenn man einmal den Zusammenhang einer Seite bei Krause und dessen Photographie bei La߬ witz verfolgt. Wir wählen zu diesem Zwecke S. 41 bei Krause und S. 53 u. f. bei Laßwitz. Da heißt es: Solange man meint, daß die Vor¬ stellungen in unserm Kopfe sind, kommt man zu den ungeheuerlichsten Fol¬ gerungen. . . . Da nämlich der rote Schrank 8 Fuß hoch ist, meine Augen aber nur 2 Cen- timeter breit und mein Sehnerv nur 1/4 Centimeter dick, entspringt die Frage, woher kommt es, daß ich einen Raum von 8 Fuß sehe, welcher doch nicht durch den Centimeter dicken Sehnerv über¬ geflossen sein kann. Da muß man denn annehmen, daß ein Raum Vergröße¬ rungsvermögen dem Gehirn bei¬ wohne. . . . Oder man sagt, die Vorstellung des 8 Fuß hohen Schrankes sitzt im Kopfe; nun ist aber der gesehene rote Schrank 20 Fuß entfernt; also heißt es, man projizirt seine Vorstellung in einen Sehraum hinaus, und es ist dann eine lustige Frage, ob der Schraum sich mit dem wirklichen Raume da draußen auch deckt. . . . Zum Unglück aber sieht man mit zwei Augen. Jedes Auge hat nun seinen eigenen Sehraum und Proji¬ zirt ihn in den wirklichen Raum hinaus, und es wird schon fataler, wie die drei Räume sich decken sollen. . . . Wollte man nun fragen, wo hat diese Vorstellung, wo hat die Empfindung des Hauses in uns ihren Sitz, so käme man zu den ungeheuerlichsten An¬ nahmen. . . . Wir sehen ein Haus, 20 Meter hoch, 30 Meter lang und ebenso weit von uns entfernt. Dieses Haus stellen wir als außer uns im Raume vor, die Vor¬ stellung des Hauses aber ist doch in uns. . . . Dann wäre der Raum des Hauses, die 20 Meter Höhe und 30 Meter Länge, in uns? . . . Demnach müßte unser Sehorgan die Fähigkeit haben, die räumlichen Gegenstände so umzuwandeln, daß sie durch unsere Seh¬ nerven hindurch gleiten können und im Gehirn Platz finden, und das Ge¬ hirn müßte wieder dieFähigkeit haben, die räumlichen Empfindungen zu vergrößern und aus sich hinaus zu werfen wie die Bilder einer I^toi'iia MÄAicÄ. . . . Und da das Haus 30 Meter ent¬ fernt ist, so projiziren wir also das Bild des Hauses wieder hinaus. . . . Man kaun dann zweifeln, ob der Sehraum, d. h. also der Raum, in welchem unser Sehorgan uns die Dinge erscheinen läßt, mit dem wirklichen Raume draußen sich deckt. Wir haben aber noch dazu nicht bloß einen Sehraum, sondern, da wir mit zwei Augen sehen, so hat jedes Auge seinen besonderen Sehraum, und es ist dann eine erfreuliche Kunst, aus diesen beiden Räumen einen einzige« zu machen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/204>, abgerufen am 01.10.2024.