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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

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Zur Aenntnis des gelehrton Handwerks,

des Porticus, wo die Wolle gewaschen wurde, fand man die Überreste einer
großen Malerei, die leider stark beschädigt ist, aber mit viel komischer Verve
angelegt scheint. Sie stellte, so nimmt man an, das Fest der Minerva (auin-
hvmtrus) dar, welches zugleich auch das Fest der Walker war. Wir sehen dort
Leute abgebildet, die sich dem Vergnügen mit solchem Übermut hingeben, daß
ihre Spiele manchmal mit Schlägen enden: ein Mann, den sie bis aufs Blut
durchgeprügelt haben, begiebt sich eben zum Richter, um seine Klage anzubringen.
Aber die heitern Szenen überwiegen: wir finden Tänze, Feste, in denen die
Gäste mit grotesken, selbst mit unanständigen Geberden abgebildet sind. Die
Freiheit des Pinsels erinnert uns daran, daß wir hier in dem Lande sind, wo
die Atellanen, die römische Volkskomödie, erfunden wurden.

Es ist bemerkenswert, daß die neue Fullonica, das Haus des Jucundus
und das andre mit dem Orpheus ganz nahe bei einander liegen. Wenn es
möglich gewesen ist, an einer einzigen Stelle der Stadt, fast auf einmal, so
viel Interessantes zu finden, ist dann nicht der Schluß berechtigt, daß man wohl
daran thut, die Arbeiten fortzusetzen, und daß wir bei regelmäßiger Förderung
derselben uoch glücklicherer Ergebnisse gewärtig sein dürfen?




Zur Kenntnis des gelehrten Handwerks.

or zwei Jahren setzte ein Petersburger Kaufmann namens Julius
Gillif einen Preis von tausend Gulden aus für "die beste Po-
pularisirung des wichtigsten Lehrsatzes Kants von der Idealität
von Zeit und Raum." Das Programm wurde im Dezember 1880
durch das Literatur-Institut von E. Last in Wien ausgegeben.
Zu Preisrichtern wurden ernannt: W. Wundt und M. Heinze in Leipzig und
E. Laas in Straßburg, o. ö. Professoren der Philosophie, und diese Gelehrten
nahmen das Prcisrichteramt an. Am 18. Oktober 1882 haben sie den aus¬
gesetzten Preis an Dr. Kurt Laßwitz in Gotha vergeben für die Schrift: "Die
Lehre Kants von der Idealität des Raumes und der Zeit," die kürzlich in der
Weidmannschen Buchhandlung in Berlin im Druck erschienen ist. Ihr Urteil
lautet: "Die Arbeit ist zunächst populär geschrieben. Sodann ist die geforderte
Widerlegung des Materialismus in feiner und gründlicher Weise durchgeführt.
Feruer hat der Verfasser auch die beiden in 2. und 3. des Preisausschreibens
gestellten Aufgaben in zweckentsprechender Weise gelöst. Er hält seine Schrift
trotz mancher leicht bemerkbaren Abweichungen von Kant doch im Geiste Kants --


Zur Aenntnis des gelehrton Handwerks,

des Porticus, wo die Wolle gewaschen wurde, fand man die Überreste einer
großen Malerei, die leider stark beschädigt ist, aber mit viel komischer Verve
angelegt scheint. Sie stellte, so nimmt man an, das Fest der Minerva (auin-
hvmtrus) dar, welches zugleich auch das Fest der Walker war. Wir sehen dort
Leute abgebildet, die sich dem Vergnügen mit solchem Übermut hingeben, daß
ihre Spiele manchmal mit Schlägen enden: ein Mann, den sie bis aufs Blut
durchgeprügelt haben, begiebt sich eben zum Richter, um seine Klage anzubringen.
Aber die heitern Szenen überwiegen: wir finden Tänze, Feste, in denen die
Gäste mit grotesken, selbst mit unanständigen Geberden abgebildet sind. Die
Freiheit des Pinsels erinnert uns daran, daß wir hier in dem Lande sind, wo
die Atellanen, die römische Volkskomödie, erfunden wurden.

Es ist bemerkenswert, daß die neue Fullonica, das Haus des Jucundus
und das andre mit dem Orpheus ganz nahe bei einander liegen. Wenn es
möglich gewesen ist, an einer einzigen Stelle der Stadt, fast auf einmal, so
viel Interessantes zu finden, ist dann nicht der Schluß berechtigt, daß man wohl
daran thut, die Arbeiten fortzusetzen, und daß wir bei regelmäßiger Förderung
derselben uoch glücklicherer Ergebnisse gewärtig sein dürfen?




Zur Kenntnis des gelehrten Handwerks.

or zwei Jahren setzte ein Petersburger Kaufmann namens Julius
Gillif einen Preis von tausend Gulden aus für „die beste Po-
pularisirung des wichtigsten Lehrsatzes Kants von der Idealität
von Zeit und Raum." Das Programm wurde im Dezember 1880
durch das Literatur-Institut von E. Last in Wien ausgegeben.
Zu Preisrichtern wurden ernannt: W. Wundt und M. Heinze in Leipzig und
E. Laas in Straßburg, o. ö. Professoren der Philosophie, und diese Gelehrten
nahmen das Prcisrichteramt an. Am 18. Oktober 1882 haben sie den aus¬
gesetzten Preis an Dr. Kurt Laßwitz in Gotha vergeben für die Schrift: „Die
Lehre Kants von der Idealität des Raumes und der Zeit," die kürzlich in der
Weidmannschen Buchhandlung in Berlin im Druck erschienen ist. Ihr Urteil
lautet: „Die Arbeit ist zunächst populär geschrieben. Sodann ist die geforderte
Widerlegung des Materialismus in feiner und gründlicher Weise durchgeführt.
Feruer hat der Verfasser auch die beiden in 2. und 3. des Preisausschreibens
gestellten Aufgaben in zweckentsprechender Weise gelöst. Er hält seine Schrift
trotz mancher leicht bemerkbaren Abweichungen von Kant doch im Geiste Kants —


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/198>, abgerufen am 01.10.2024.