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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

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Pomxejanische Sxaziergcinge.

Verkäufen vollends bekannt. Die Versteigerung (auotio), deren wir uns heute
bedienen, um uns unsrer Bücher, Möbel, Bilder zu entledigen, war bei den
Römern anfangs nur bei Zwangsverkäufen, das heißt bei denjenigen, welche
der Staat mit den Gütern der Verurteilten oder ein Gläubiger mit den Hab¬
seligkeiten seines Schuldners vornahm, üblich gewesen, dann aber zuletzt auch
bei andern Verkäufen in Anwendung gekommen. Diese Art des Verkaufs war
so allgemein geworden, daß die Wörter auotioiutri oder auetlonkin tavörs als
einfache Synonyma von vsnäöre galten. In den bedeutenderen Städten gab es große,
eigens dafür erbaute Säle mit Höfen und Säulenhallen, die atria kwotiormrig..
Der Leiter der Versteigerung -- wir würden heute sagen der Auktionskom¬
missar -- mußte sich auf Buchhaltung und auf die Abfassung eines ordnungs¬
mäßigen Protokolls verstehen; so versah denn auch häufig ein Bankier von Beruf
diese Funktion. In Pompeji war damit Caccilius Jucundus betraut. Der
Vorsitz eines Bankiers bot noch einen andern Vorteil: wenn der Käufer, der
die Kaufsumme sofort entrichten mußte, dieselbe nicht gleich M seiner Verfügung
hatte, so schoß der Bankier sie ihm vor. Er machte also bei Geschäften dieser
Art einen zweifachen Gewinn: erstens an der Provision, die er von der ge¬
samten Verkaufssumme vorweg abzog, um sich für seine Mühe bezahlt zu machen,
und dann an den Zinsen, die er für das Darlehen vom Käufer forderte. Unsre
Täfelchen sind, abgesehen von ein paar unbedeutenden Abweichungen, sämtlich
gleichlautend abgefaßt und enthalten die Quittung des Verkäufers für den Ban¬
kier, der das baare Kaufgeld liefert und den wirklichen Käufer als dessen Ver¬
mittler vertritt. Diese Stücke sind besonders für Juristen interessant; andre,
leider nur gar zu wenige, höchstens zehn, geben uns über die Finanzen der
römischen Municipien und über die Art, wie dieselben ihre Besitzungen verwalteten,
merkwürdige Aufschlüsse. Sie sind vom Schatzmeister der Stadt unterzeichnet
und lassen erkennen, daß sich Caecilius Jucundus mit seinem Gewinn aus den
Versteigerungen nicht begnügte, sondern sich auch noch mit der Verwaltung des
Gemeindebesitzes befaßte. So hatte er Weideland, ein Feld und eine Walker¬
werkstatt, die dem Municipium gehörten, in Pacht genommen; vielleicht verpach¬
tete er sie weiter oder bewirtschaftete sie auch selbst. Dies sind also die Ope¬
rationen, durch welche sich damals der Bankier einer kleinen Stadt bereicherte.
Die Quittungen des Junius stellen uns eine Profession, die wir bisher kaum
kannten, lebendig vor Augen. Sie sind folglich nicht ohne Bedeutung; vor
allem aber haben sie die fast schon aufgegebene Hoffnung der gelehrten Welt, in
den Ruinen von Pompeji doch noch eines Tages eine Bibliothek oder wenig¬
stens ein Archiv zu entdecken, das ein wenig reicher und literarisch wertvoller
ist als das des Bankiers Jucundus, neu belebt.

Dem Hause des Bankiers gegenüber hat man eine tullolÜLii. ,das heißt
die Werkstatt eines Tuchwalkers, freigelegt. Man kannte bereits mehrere der¬
artige Etablissements, besonders eines, welches deshalb berühmt ist, weil es


Pomxejanische Sxaziergcinge.

Verkäufen vollends bekannt. Die Versteigerung (auotio), deren wir uns heute
bedienen, um uns unsrer Bücher, Möbel, Bilder zu entledigen, war bei den
Römern anfangs nur bei Zwangsverkäufen, das heißt bei denjenigen, welche
der Staat mit den Gütern der Verurteilten oder ein Gläubiger mit den Hab¬
seligkeiten seines Schuldners vornahm, üblich gewesen, dann aber zuletzt auch
bei andern Verkäufen in Anwendung gekommen. Diese Art des Verkaufs war
so allgemein geworden, daß die Wörter auotioiutri oder auetlonkin tavörs als
einfache Synonyma von vsnäöre galten. In den bedeutenderen Städten gab es große,
eigens dafür erbaute Säle mit Höfen und Säulenhallen, die atria kwotiormrig..
Der Leiter der Versteigerung — wir würden heute sagen der Auktionskom¬
missar — mußte sich auf Buchhaltung und auf die Abfassung eines ordnungs¬
mäßigen Protokolls verstehen; so versah denn auch häufig ein Bankier von Beruf
diese Funktion. In Pompeji war damit Caccilius Jucundus betraut. Der
Vorsitz eines Bankiers bot noch einen andern Vorteil: wenn der Käufer, der
die Kaufsumme sofort entrichten mußte, dieselbe nicht gleich M seiner Verfügung
hatte, so schoß der Bankier sie ihm vor. Er machte also bei Geschäften dieser
Art einen zweifachen Gewinn: erstens an der Provision, die er von der ge¬
samten Verkaufssumme vorweg abzog, um sich für seine Mühe bezahlt zu machen,
und dann an den Zinsen, die er für das Darlehen vom Käufer forderte. Unsre
Täfelchen sind, abgesehen von ein paar unbedeutenden Abweichungen, sämtlich
gleichlautend abgefaßt und enthalten die Quittung des Verkäufers für den Ban¬
kier, der das baare Kaufgeld liefert und den wirklichen Käufer als dessen Ver¬
mittler vertritt. Diese Stücke sind besonders für Juristen interessant; andre,
leider nur gar zu wenige, höchstens zehn, geben uns über die Finanzen der
römischen Municipien und über die Art, wie dieselben ihre Besitzungen verwalteten,
merkwürdige Aufschlüsse. Sie sind vom Schatzmeister der Stadt unterzeichnet
und lassen erkennen, daß sich Caecilius Jucundus mit seinem Gewinn aus den
Versteigerungen nicht begnügte, sondern sich auch noch mit der Verwaltung des
Gemeindebesitzes befaßte. So hatte er Weideland, ein Feld und eine Walker¬
werkstatt, die dem Municipium gehörten, in Pacht genommen; vielleicht verpach¬
tete er sie weiter oder bewirtschaftete sie auch selbst. Dies sind also die Ope¬
rationen, durch welche sich damals der Bankier einer kleinen Stadt bereicherte.
Die Quittungen des Junius stellen uns eine Profession, die wir bisher kaum
kannten, lebendig vor Augen. Sie sind folglich nicht ohne Bedeutung; vor
allem aber haben sie die fast schon aufgegebene Hoffnung der gelehrten Welt, in
den Ruinen von Pompeji doch noch eines Tages eine Bibliothek oder wenig¬
stens ein Archiv zu entdecken, das ein wenig reicher und literarisch wertvoller
ist als das des Bankiers Jucundus, neu belebt.

Dem Hause des Bankiers gegenüber hat man eine tullolÜLii. ,das heißt
die Werkstatt eines Tuchwalkers, freigelegt. Man kannte bereits mehrere der¬
artige Etablissements, besonders eines, welches deshalb berühmt ist, weil es


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/196>, abgerufen am 01.10.2024.