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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

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Jur Beleuchtung der Gefängnisfrage.

und eiserne Thore von den weitläufigen Gärten und Hofräumen der Ring¬
mauer getrennt ist. Von hier führt eine Freitreppe in den Verwaltuugsbau
und ein den Bureaus der Beamten vorüber in die Zentralhalle. Diese hat ein
Kuppeldach von Eisen mit einem runden Oberlicht und drei großen Bogenfenstern,
die den vollständig leeren Raum mit einer Fülle von Luft und Licht ausstatten.
An die Zentralhalle schließen sich in der vollen Gangbreite von 4,4 Metern die
vier gewölbten Zelleuflügcl, die durch sechs Oberlichter und ein in der Giebel¬
mauer befindliches Bogenfenster beleuchtet werde". Die Zeutralhalle steht mit
dem Erdgeschoß und den obern Stockwerken der Flügel durch zwei eiserne, in
Mauernischen laufende Wendeltreppen und durch eiserne Galerien in Verbindung.
Die eisernen Galerien im zweiten Stock der Flügel laufen in der Zentralhalle
zu einem auf drei eisernen Säulen ruhenden Podium zusammen, auf dem für
gewöhnlich der Oberaufseher der Hauspolizci seinen Platz hat. Von diesem
Podium hat man den vollen, ungehinderten Einblick in die vier Flügel, in welchen
sich keine Thür öffnen kann, ohne von hier aus bemerkt zu werden.

Die weiten, hohen Räume, die Fülle von Licht, das durch die großen
Fenster und Oberlichter fällt, die leichten Treppen und Galerien, welche die
verschiednen Stockwerke verbinden, geben dem Innern des Gefängnisses ein ge¬
fälliges Aussehen, verhindern, da sie stets von der Luft durchzogen sind,
in Verbindung mit der freien Lage die Ansammlung schlechter Dünste
auch in den Zellen und machen besondre Ventilationsvorrichtungen überflüssig.
Von der Zentralhalle aus führen vom zweiten und dritten Stockwerke aus je
zwei Thüre" in die durch zwei Stockwerke des Verwaltungsbaues sich hinziehende
Kirche. Die beiden Schulzimmer befinden sich im zweiten Stock, der den öst¬
lichen und westlichen Flügel mit dem Verwaltuugsba" verbindenden Zwischeu-
bauteu. Die Kirche enthält 248, jedes Schulzimmer 32 Stühle, welche, von
einem aufsteigenden Gerüste getragen, jedem Insassen gestatten, den Geistlichen
oder Lehrer zu sehen, aber als hölzerne, auch oben gedeckte Einzelzellen jeden
Sträfling von dem andern vollkommen isolire".

Die Anlage und Einrichtung der Zellen ersetzt den Schlaf-, Speise- und
Arbeitssaal der' Strafanstalt mit Gemeinschaftshaft. Der Sträfling verweilt
darin 22--24 Stunden täglich und muß dort alles thun, was zum Leben ge¬
hört. Die Zelle" unsers Gefängnisses sind 4,03 Meter lang, 2,34 Meter breit
und 3,06 Meter hoch. Unter Berücksichtigung der schwach gewölbten Decke und
Abtrittsnischc kann der räumliche Inhalt rund auf 28 Kubikmeter berechnet
werden, ein Raum, der den bescheidnen Ansprüchen eines deutschen Universitäts-
profcssors an eine Studirstube genügt und in dem nur zu oft eine ganze Ar¬
beiterfamilie notgedrungen Platz finden muß. Die Zellen sind mit einem elek¬
trischen Läutewerk versehen, das, mittelst Taster i" Bewegung gesetzt, einen
blechernen Nummerzeiger aus der äußern Wand gegen den Korridor zu heraus¬
fallen läßt. Diese Anlage kostete allein 3652 Mark. Gleich einem Gaste in


Jur Beleuchtung der Gefängnisfrage.

und eiserne Thore von den weitläufigen Gärten und Hofräumen der Ring¬
mauer getrennt ist. Von hier führt eine Freitreppe in den Verwaltuugsbau
und ein den Bureaus der Beamten vorüber in die Zentralhalle. Diese hat ein
Kuppeldach von Eisen mit einem runden Oberlicht und drei großen Bogenfenstern,
die den vollständig leeren Raum mit einer Fülle von Luft und Licht ausstatten.
An die Zentralhalle schließen sich in der vollen Gangbreite von 4,4 Metern die
vier gewölbten Zelleuflügcl, die durch sechs Oberlichter und ein in der Giebel¬
mauer befindliches Bogenfenster beleuchtet werde». Die Zeutralhalle steht mit
dem Erdgeschoß und den obern Stockwerken der Flügel durch zwei eiserne, in
Mauernischen laufende Wendeltreppen und durch eiserne Galerien in Verbindung.
Die eisernen Galerien im zweiten Stock der Flügel laufen in der Zentralhalle
zu einem auf drei eisernen Säulen ruhenden Podium zusammen, auf dem für
gewöhnlich der Oberaufseher der Hauspolizci seinen Platz hat. Von diesem
Podium hat man den vollen, ungehinderten Einblick in die vier Flügel, in welchen
sich keine Thür öffnen kann, ohne von hier aus bemerkt zu werden.

Die weiten, hohen Räume, die Fülle von Licht, das durch die großen
Fenster und Oberlichter fällt, die leichten Treppen und Galerien, welche die
verschiednen Stockwerke verbinden, geben dem Innern des Gefängnisses ein ge¬
fälliges Aussehen, verhindern, da sie stets von der Luft durchzogen sind,
in Verbindung mit der freien Lage die Ansammlung schlechter Dünste
auch in den Zellen und machen besondre Ventilationsvorrichtungen überflüssig.
Von der Zentralhalle aus führen vom zweiten und dritten Stockwerke aus je
zwei Thüre» in die durch zwei Stockwerke des Verwaltungsbaues sich hinziehende
Kirche. Die beiden Schulzimmer befinden sich im zweiten Stock, der den öst¬
lichen und westlichen Flügel mit dem Verwaltuugsba» verbindenden Zwischeu-
bauteu. Die Kirche enthält 248, jedes Schulzimmer 32 Stühle, welche, von
einem aufsteigenden Gerüste getragen, jedem Insassen gestatten, den Geistlichen
oder Lehrer zu sehen, aber als hölzerne, auch oben gedeckte Einzelzellen jeden
Sträfling von dem andern vollkommen isolire».

Die Anlage und Einrichtung der Zellen ersetzt den Schlaf-, Speise- und
Arbeitssaal der' Strafanstalt mit Gemeinschaftshaft. Der Sträfling verweilt
darin 22—24 Stunden täglich und muß dort alles thun, was zum Leben ge¬
hört. Die Zelle» unsers Gefängnisses sind 4,03 Meter lang, 2,34 Meter breit
und 3,06 Meter hoch. Unter Berücksichtigung der schwach gewölbten Decke und
Abtrittsnischc kann der räumliche Inhalt rund auf 28 Kubikmeter berechnet
werden, ein Raum, der den bescheidnen Ansprüchen eines deutschen Universitäts-
profcssors an eine Studirstube genügt und in dem nur zu oft eine ganze Ar¬
beiterfamilie notgedrungen Platz finden muß. Die Zellen sind mit einem elek¬
trischen Läutewerk versehen, das, mittelst Taster i» Bewegung gesetzt, einen
blechernen Nummerzeiger aus der äußern Wand gegen den Korridor zu heraus¬
fallen läßt. Diese Anlage kostete allein 3652 Mark. Gleich einem Gaste in


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[0182] Jur Beleuchtung der Gefängnisfrage. und eiserne Thore von den weitläufigen Gärten und Hofräumen der Ring¬ mauer getrennt ist. Von hier führt eine Freitreppe in den Verwaltuugsbau und ein den Bureaus der Beamten vorüber in die Zentralhalle. Diese hat ein Kuppeldach von Eisen mit einem runden Oberlicht und drei großen Bogenfenstern, die den vollständig leeren Raum mit einer Fülle von Luft und Licht ausstatten. An die Zentralhalle schließen sich in der vollen Gangbreite von 4,4 Metern die vier gewölbten Zelleuflügcl, die durch sechs Oberlichter und ein in der Giebel¬ mauer befindliches Bogenfenster beleuchtet werde». Die Zeutralhalle steht mit dem Erdgeschoß und den obern Stockwerken der Flügel durch zwei eiserne, in Mauernischen laufende Wendeltreppen und durch eiserne Galerien in Verbindung. Die eisernen Galerien im zweiten Stock der Flügel laufen in der Zentralhalle zu einem auf drei eisernen Säulen ruhenden Podium zusammen, auf dem für gewöhnlich der Oberaufseher der Hauspolizci seinen Platz hat. Von diesem Podium hat man den vollen, ungehinderten Einblick in die vier Flügel, in welchen sich keine Thür öffnen kann, ohne von hier aus bemerkt zu werden. Die weiten, hohen Räume, die Fülle von Licht, das durch die großen Fenster und Oberlichter fällt, die leichten Treppen und Galerien, welche die verschiednen Stockwerke verbinden, geben dem Innern des Gefängnisses ein ge¬ fälliges Aussehen, verhindern, da sie stets von der Luft durchzogen sind, in Verbindung mit der freien Lage die Ansammlung schlechter Dünste auch in den Zellen und machen besondre Ventilationsvorrichtungen überflüssig. Von der Zentralhalle aus führen vom zweiten und dritten Stockwerke aus je zwei Thüre» in die durch zwei Stockwerke des Verwaltungsbaues sich hinziehende Kirche. Die beiden Schulzimmer befinden sich im zweiten Stock, der den öst¬ lichen und westlichen Flügel mit dem Verwaltuugsba» verbindenden Zwischeu- bauteu. Die Kirche enthält 248, jedes Schulzimmer 32 Stühle, welche, von einem aufsteigenden Gerüste getragen, jedem Insassen gestatten, den Geistlichen oder Lehrer zu sehen, aber als hölzerne, auch oben gedeckte Einzelzellen jeden Sträfling von dem andern vollkommen isolire». Die Anlage und Einrichtung der Zellen ersetzt den Schlaf-, Speise- und Arbeitssaal der' Strafanstalt mit Gemeinschaftshaft. Der Sträfling verweilt darin 22—24 Stunden täglich und muß dort alles thun, was zum Leben ge¬ hört. Die Zelle» unsers Gefängnisses sind 4,03 Meter lang, 2,34 Meter breit und 3,06 Meter hoch. Unter Berücksichtigung der schwach gewölbten Decke und Abtrittsnischc kann der räumliche Inhalt rund auf 28 Kubikmeter berechnet werden, ein Raum, der den bescheidnen Ansprüchen eines deutschen Universitäts- profcssors an eine Studirstube genügt und in dem nur zu oft eine ganze Ar¬ beiterfamilie notgedrungen Platz finden muß. Die Zellen sind mit einem elek¬ trischen Läutewerk versehen, das, mittelst Taster i» Bewegung gesetzt, einen blechernen Nummerzeiger aus der äußern Wand gegen den Korridor zu heraus¬ fallen läßt. Diese Anlage kostete allein 3652 Mark. Gleich einem Gaste in

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/182>, abgerufen am 01.10.2024.