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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

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Die Pflichten des Reiches gegen die deutsche Auswanderung.

Die beiden in Deutschland bestehenden größeren Vereine für ähnliche Zwecke
sind der Berliner "Zentmlverein für Handelsgeographie und Förderung deutscher
Interessen im Auslande" und der jüngst in Frankfurt a. M. gegründete "Deutsche
Kolonialverein/' Ersterer hat seine ganze, bis jetzt übrigens lediglich das Handels-
interesse vertretende Thätigkeit fast ausschließlich auf Südbrasilien konzentrirt,
und der letztere hat bei seiner Gründung in höchst bezeichnender Weise prinzipiell
von der Hilfe des Staates absehen zu wollen erklärt! wie er sich freilich die
Gründung und Aufrechterhaltung der zunächst projektirten Handelsfaktoreien
ohne politischen Schutz des Reiches denkt, das bleibt er zu sagen schuldig. Beide
Vereine, welche wahrscheinlich demnächst nach echt deutscher Weise sich gegen¬
seitig bekämpfen werden, sind also einstweilen als Basis größerer Unternehmungen
ungeeignet und vermögen das Vorgehen des Reiches nicht zu ersetzen.

In der großen Aufgabe der Förderung der Auswandrung liegt aber auch
eine tiefe soziale Verpflichtung des Staates und nur ein weiterer, mehr äußerer
Zweig jener großen Sozialpolitik, welche seit Jahren im Innern, allerdings
mit schweren Kämpfen gegen das kleinliche, selbstsüchtige und mißtrauische fortschritt¬
liche Philistertum, ins Werk gesetzt wird. Die Durchführung dieser äußern Sozial¬
politik in dem vorgeschlagenen Umfange würde jedenfalls weit leichter und ein¬
facher sein und dabei auch für das innere Leben des Vaterlandes von der segens¬
reichsten Wirkung. Es bedarf nur relativ geringer Geldmittel. Einige hundert¬
tausend Mark würden zunächst völlig genügen, um einige tüchtige und geeignete
Persönlichkeiten für die betreffende Mission zu gewinnen. Wenn man erwägt,
wie von seiten des Generalstabes und der Militärverwaltung zahlreiche jüngere
Offiziere alljährlich in die verschiedensten Länder zu kriegswissenschaftlichen
Studien geschickt werden, so dürfte am Ende ein ähnlicher oder doch nicht er¬
heblich höherer Aufwand für die geschilderten sozialen und handelspolitischen
Zwecke sich gewiß auch rechtfertigen lassen.

Wenn übrigens ängstliche Gemüter auf mögliche politische Verwicklungen
mit dieser oder jener Kolonialmacht hinweisen, nun, wozu haben wir denn unsre
tüchtige Flotte, die sich sehnt, einmal Zeugnis von dem abzulegen, was sie für
das Vaterland leisten kann? Und er, der an der Spitze der Regierung des
Reiches steht, hat in denkwürdiger Stunde vor allem jenen furchtsamen Vertretern
des kleinen Philistertums das stolze Wort zugerufen, daß "der Appell an die
Furcht in deutschen Herzen keinen Wiederhall findet."

Wie schön und trostreich sind die Bilder, welche uns der hoffnungsvolle
Blick in eine -- Gott gebe es -- nicht allzu ferne Zukunft zeigt! Da fahren
auf allen Weltmeere" reichbeladene Schiffe unter der stolzen schwarzweißroten
Flagge, die überall bekannt und geachtet ist; da feiern in den verschiedensten
Ländern deutscher Fleiß und deutsche Intelligenz, unverkümmert durch den Neid
andrer Nationen, ihre Triumphe; da wachsen in den fruchtbaren Landstrichen
Zentral- und Südamerikas deutsche Kolonien empor als ein verjüngtes Bild


Grenzboten II. 1833. 16
Die Pflichten des Reiches gegen die deutsche Auswanderung.

Die beiden in Deutschland bestehenden größeren Vereine für ähnliche Zwecke
sind der Berliner „Zentmlverein für Handelsgeographie und Förderung deutscher
Interessen im Auslande" und der jüngst in Frankfurt a. M. gegründete „Deutsche
Kolonialverein/' Ersterer hat seine ganze, bis jetzt übrigens lediglich das Handels-
interesse vertretende Thätigkeit fast ausschließlich auf Südbrasilien konzentrirt,
und der letztere hat bei seiner Gründung in höchst bezeichnender Weise prinzipiell
von der Hilfe des Staates absehen zu wollen erklärt! wie er sich freilich die
Gründung und Aufrechterhaltung der zunächst projektirten Handelsfaktoreien
ohne politischen Schutz des Reiches denkt, das bleibt er zu sagen schuldig. Beide
Vereine, welche wahrscheinlich demnächst nach echt deutscher Weise sich gegen¬
seitig bekämpfen werden, sind also einstweilen als Basis größerer Unternehmungen
ungeeignet und vermögen das Vorgehen des Reiches nicht zu ersetzen.

In der großen Aufgabe der Förderung der Auswandrung liegt aber auch
eine tiefe soziale Verpflichtung des Staates und nur ein weiterer, mehr äußerer
Zweig jener großen Sozialpolitik, welche seit Jahren im Innern, allerdings
mit schweren Kämpfen gegen das kleinliche, selbstsüchtige und mißtrauische fortschritt¬
liche Philistertum, ins Werk gesetzt wird. Die Durchführung dieser äußern Sozial¬
politik in dem vorgeschlagenen Umfange würde jedenfalls weit leichter und ein¬
facher sein und dabei auch für das innere Leben des Vaterlandes von der segens¬
reichsten Wirkung. Es bedarf nur relativ geringer Geldmittel. Einige hundert¬
tausend Mark würden zunächst völlig genügen, um einige tüchtige und geeignete
Persönlichkeiten für die betreffende Mission zu gewinnen. Wenn man erwägt,
wie von seiten des Generalstabes und der Militärverwaltung zahlreiche jüngere
Offiziere alljährlich in die verschiedensten Länder zu kriegswissenschaftlichen
Studien geschickt werden, so dürfte am Ende ein ähnlicher oder doch nicht er¬
heblich höherer Aufwand für die geschilderten sozialen und handelspolitischen
Zwecke sich gewiß auch rechtfertigen lassen.

Wenn übrigens ängstliche Gemüter auf mögliche politische Verwicklungen
mit dieser oder jener Kolonialmacht hinweisen, nun, wozu haben wir denn unsre
tüchtige Flotte, die sich sehnt, einmal Zeugnis von dem abzulegen, was sie für
das Vaterland leisten kann? Und er, der an der Spitze der Regierung des
Reiches steht, hat in denkwürdiger Stunde vor allem jenen furchtsamen Vertretern
des kleinen Philistertums das stolze Wort zugerufen, daß „der Appell an die
Furcht in deutschen Herzen keinen Wiederhall findet."

Wie schön und trostreich sind die Bilder, welche uns der hoffnungsvolle
Blick in eine — Gott gebe es — nicht allzu ferne Zukunft zeigt! Da fahren
auf allen Weltmeere» reichbeladene Schiffe unter der stolzen schwarzweißroten
Flagge, die überall bekannt und geachtet ist; da feiern in den verschiedensten
Ländern deutscher Fleiß und deutsche Intelligenz, unverkümmert durch den Neid
andrer Nationen, ihre Triumphe; da wachsen in den fruchtbaren Landstrichen
Zentral- und Südamerikas deutsche Kolonien empor als ein verjüngtes Bild


Grenzboten II. 1833. 16
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[0129] Die Pflichten des Reiches gegen die deutsche Auswanderung. Die beiden in Deutschland bestehenden größeren Vereine für ähnliche Zwecke sind der Berliner „Zentmlverein für Handelsgeographie und Förderung deutscher Interessen im Auslande" und der jüngst in Frankfurt a. M. gegründete „Deutsche Kolonialverein/' Ersterer hat seine ganze, bis jetzt übrigens lediglich das Handels- interesse vertretende Thätigkeit fast ausschließlich auf Südbrasilien konzentrirt, und der letztere hat bei seiner Gründung in höchst bezeichnender Weise prinzipiell von der Hilfe des Staates absehen zu wollen erklärt! wie er sich freilich die Gründung und Aufrechterhaltung der zunächst projektirten Handelsfaktoreien ohne politischen Schutz des Reiches denkt, das bleibt er zu sagen schuldig. Beide Vereine, welche wahrscheinlich demnächst nach echt deutscher Weise sich gegen¬ seitig bekämpfen werden, sind also einstweilen als Basis größerer Unternehmungen ungeeignet und vermögen das Vorgehen des Reiches nicht zu ersetzen. In der großen Aufgabe der Förderung der Auswandrung liegt aber auch eine tiefe soziale Verpflichtung des Staates und nur ein weiterer, mehr äußerer Zweig jener großen Sozialpolitik, welche seit Jahren im Innern, allerdings mit schweren Kämpfen gegen das kleinliche, selbstsüchtige und mißtrauische fortschritt¬ liche Philistertum, ins Werk gesetzt wird. Die Durchführung dieser äußern Sozial¬ politik in dem vorgeschlagenen Umfange würde jedenfalls weit leichter und ein¬ facher sein und dabei auch für das innere Leben des Vaterlandes von der segens¬ reichsten Wirkung. Es bedarf nur relativ geringer Geldmittel. Einige hundert¬ tausend Mark würden zunächst völlig genügen, um einige tüchtige und geeignete Persönlichkeiten für die betreffende Mission zu gewinnen. Wenn man erwägt, wie von seiten des Generalstabes und der Militärverwaltung zahlreiche jüngere Offiziere alljährlich in die verschiedensten Länder zu kriegswissenschaftlichen Studien geschickt werden, so dürfte am Ende ein ähnlicher oder doch nicht er¬ heblich höherer Aufwand für die geschilderten sozialen und handelspolitischen Zwecke sich gewiß auch rechtfertigen lassen. Wenn übrigens ängstliche Gemüter auf mögliche politische Verwicklungen mit dieser oder jener Kolonialmacht hinweisen, nun, wozu haben wir denn unsre tüchtige Flotte, die sich sehnt, einmal Zeugnis von dem abzulegen, was sie für das Vaterland leisten kann? Und er, der an der Spitze der Regierung des Reiches steht, hat in denkwürdiger Stunde vor allem jenen furchtsamen Vertretern des kleinen Philistertums das stolze Wort zugerufen, daß „der Appell an die Furcht in deutschen Herzen keinen Wiederhall findet." Wie schön und trostreich sind die Bilder, welche uns der hoffnungsvolle Blick in eine — Gott gebe es — nicht allzu ferne Zukunft zeigt! Da fahren auf allen Weltmeere» reichbeladene Schiffe unter der stolzen schwarzweißroten Flagge, die überall bekannt und geachtet ist; da feiern in den verschiedensten Ländern deutscher Fleiß und deutsche Intelligenz, unverkümmert durch den Neid andrer Nationen, ihre Triumphe; da wachsen in den fruchtbaren Landstrichen Zentral- und Südamerikas deutsche Kolonien empor als ein verjüngtes Bild Grenzboten II. 1833. 16

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/129>, abgerufen am 01.10.2024.