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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

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Alexandras Kumunduros.

indem sie, im Kampfgetümmel nach den Waffen ihres fallenden Sohnes greifend,
sagte: "Schlafe, Kind, ich bin auf deinem Posten."

Unter solchem Volte wurde Alexandros Kumundurvs im Jahre 1814 ge¬
boren. Was wunder, das; der Sinn für Freiheit ihm tief eingepflanzt war,
und das; seine langjährige politische Laufbahn ein steter Kampf für die Er¬
haltung der errungenen Freiheit und für die Befreiung der noch unterdrückten
Brüder war?

Die Familie Knmundurvs war ein Zweig der Familie Trubcikides. Ihr
Name stammt von einem Schiffshcrrn (omlimkncl"t0rö). Zur Zeit, als Türken
und Venetianer um den Besitz der Peloponnes stritten, war einer der Ahnen
des Alexandros Häuptling von Mani, welches, vor dem Befreiungskampfe
Griechenlands in acht Bezirke geteilt, uuter acht erblichen Stammeshäuptlingen
oder Kapitani stand. Ein Blitz tötete jenen Häuptling aus der Familie Ku-
mundnros. Der Urgroßvater unsers Alexandros, Konstcmtinos, wurde zur Zeit
des griechischen Aufstandes in Konstantinopel von den Türken als Geisel ge¬
fangen genommen und erhenkt. Erst sein Vater Sphridou ließ sich, aus Main
kommend, in Messenien nieder. Im Jahre 1833 besuchte der junge Alexaudros
in Athen das Gymnasion und bewarb sich dort, um seinen Unterhalt zu ver¬
dienen, um kleinere Schreiberstellen. Seine Armut zwang ihn oftmals seine
Studien zu unterbreche" und verhinderte ihn sogar, seine Universitätsstudien zu
vollenden. Als im Jahre 1841 der kretische Aufstand ausbrach, war er einer
der ersten, der mit einer kleinen Schaar Manintcn nach Kreta eilte. Die Er¬
hebung wurde blutig niedergeschlagen, und es fehlte wenig, daß unser Held ge¬
fangen genommen worden wäre; als Holzhauer verkleidet, entkam er glücklich.
Während des Septemberaufstandcs im Jahre 1843, dem Griechenland seine
erste Verfassung verdankte, diente er als Privatsekretär des gefiirchteten Generals
Theodor Grivcis. Im Jahre 1844 sehen wir ihn wieder als Studenten der
Rechte ans der Universität, die er jedoch nach kurzer Zeit abermals verließ, um
zunächst als Advokat zu arbeiten. Obgleich er aber seine juristischen Studien
nicht vernachlässigte, wandte er sich doch zumeist encyklopädischen Studien und
der Lektüre der alten Redner und besonders des Domosthenes zu. Daraus er¬
klärt es sich, daß in seiner spätern Laufbahn sich seine Reden so durch Kraft und
Klarheit auszeichnete". Der Drang zur politischen Thätigkeit führte ihn 1845
nach Kalamas, der Hauptstadt Messeniens, wo er sich mit einer Tochter aus
dem Geschlechte der Manromichalis verheiratete. Aus dieser Ehe entsprossen
zwei Kinder, eine im Jahre 1863 verstorbene Tochter, Marie, und ein Sohn,
zur Zeit Offizier und Abgeordneter von Messenien.

In Messenien übte damals der im vorigen Jahre verstorbene Abgeordnete
Perrotis den bedeutendsten Einfluß auf den Gang der öffentlichen Angelegen¬
heiten ans. Als Anhänger des Maurokordatos, der nach der Septemberrevolution
den MinistcrpräsidcntenColettis bekämpfte und seine England freundliche Politik


Alexandras Kumunduros.

indem sie, im Kampfgetümmel nach den Waffen ihres fallenden Sohnes greifend,
sagte: „Schlafe, Kind, ich bin auf deinem Posten."

Unter solchem Volte wurde Alexandros Kumundurvs im Jahre 1814 ge¬
boren. Was wunder, das; der Sinn für Freiheit ihm tief eingepflanzt war,
und das; seine langjährige politische Laufbahn ein steter Kampf für die Er¬
haltung der errungenen Freiheit und für die Befreiung der noch unterdrückten
Brüder war?

Die Familie Knmundurvs war ein Zweig der Familie Trubcikides. Ihr
Name stammt von einem Schiffshcrrn (omlimkncl»t0rö). Zur Zeit, als Türken
und Venetianer um den Besitz der Peloponnes stritten, war einer der Ahnen
des Alexandros Häuptling von Mani, welches, vor dem Befreiungskampfe
Griechenlands in acht Bezirke geteilt, uuter acht erblichen Stammeshäuptlingen
oder Kapitani stand. Ein Blitz tötete jenen Häuptling aus der Familie Ku-
mundnros. Der Urgroßvater unsers Alexandros, Konstcmtinos, wurde zur Zeit
des griechischen Aufstandes in Konstantinopel von den Türken als Geisel ge¬
fangen genommen und erhenkt. Erst sein Vater Sphridou ließ sich, aus Main
kommend, in Messenien nieder. Im Jahre 1833 besuchte der junge Alexaudros
in Athen das Gymnasion und bewarb sich dort, um seinen Unterhalt zu ver¬
dienen, um kleinere Schreiberstellen. Seine Armut zwang ihn oftmals seine
Studien zu unterbreche» und verhinderte ihn sogar, seine Universitätsstudien zu
vollenden. Als im Jahre 1841 der kretische Aufstand ausbrach, war er einer
der ersten, der mit einer kleinen Schaar Manintcn nach Kreta eilte. Die Er¬
hebung wurde blutig niedergeschlagen, und es fehlte wenig, daß unser Held ge¬
fangen genommen worden wäre; als Holzhauer verkleidet, entkam er glücklich.
Während des Septemberaufstandcs im Jahre 1843, dem Griechenland seine
erste Verfassung verdankte, diente er als Privatsekretär des gefiirchteten Generals
Theodor Grivcis. Im Jahre 1844 sehen wir ihn wieder als Studenten der
Rechte ans der Universität, die er jedoch nach kurzer Zeit abermals verließ, um
zunächst als Advokat zu arbeiten. Obgleich er aber seine juristischen Studien
nicht vernachlässigte, wandte er sich doch zumeist encyklopädischen Studien und
der Lektüre der alten Redner und besonders des Domosthenes zu. Daraus er¬
klärt es sich, daß in seiner spätern Laufbahn sich seine Reden so durch Kraft und
Klarheit auszeichnete». Der Drang zur politischen Thätigkeit führte ihn 1845
nach Kalamas, der Hauptstadt Messeniens, wo er sich mit einer Tochter aus
dem Geschlechte der Manromichalis verheiratete. Aus dieser Ehe entsprossen
zwei Kinder, eine im Jahre 1863 verstorbene Tochter, Marie, und ein Sohn,
zur Zeit Offizier und Abgeordneter von Messenien.

In Messenien übte damals der im vorigen Jahre verstorbene Abgeordnete
Perrotis den bedeutendsten Einfluß auf den Gang der öffentlichen Angelegen¬
heiten ans. Als Anhänger des Maurokordatos, der nach der Septemberrevolution
den MinistcrpräsidcntenColettis bekämpfte und seine England freundliche Politik


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/115>, abgerufen am 01.10.2024.