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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Die Pflege der Monumentalmalerei in Preußen.

bricht. Heydeck und Neide sind Historienmaler, Max Schmidt ein Landschafter.
Naturgemäß hat der letztere auf den vier Gemälden seines Anteils den Schwer¬
punkt ans die Landschaft gelegt und die Figuren als Staffage behandelt. Daraus
ergiebt sich zunächst ein Mißverhältnis, welches die jugendlichen Geister nicht
zu fassen und sich auch nicht zu erklären vermögen. Auf dem einen Bilde er¬
scheinen Odysseus und Eumaios als winzige Figuren wie verloren in der großen
Landschaft, auf dem andern Bilde sieht man den Helden von Ithaka in riesen¬
großer Gestalt seine immer treffenden Pfeile auf die Freier abschnellen. Aber
damit noch nicht genug. Der eine Maler hat die Kalypso blondhaarig, der
andre sie mit schwarzen Haaren dargestellt. Wenn die Jnsterburger Jungen
ebenso "helle" sind wie die Berliner, und wir zweifeln nicht daran, und wenn
sie dann hinter diesen Zwiespalt der Meinungen kommen, dann haben die Maler
ihre Partie trotz aller ihrer Kunst verloren. Die Bilder wurden in Berlin auf¬
gestellt, ehe sie nach ihrem Bestimmungsorte übergeführt wurden. Vielleicht ist
noch zur rechten Zeit zwischen den beiden Lesarten eine Übereinstimmung her¬
gestellt worden. Sie wird sich aber nicht mehr herstellen lassen zwischen der
verschiedenartigen Malweise. Während Heydeck und Neide stark in die Farbe
gegangen sind und glänzende koloristische Effekte erzielt haben, sind die Land¬
schaften Schmidts in einem erheblich matteren Tone gehalten worden. Der
letztere hat wohl Recht gehabt. Denn er hat nicht vergessen, daß seine Land¬
schaften bloße Dekorationen sind, welche sich in den architektonischen Rahmen,
in die Wand, einfügen sollen. Im übrigen hatte gerade er einen schweren
Stand, da er mit der Reminiscenz an Preller zu kämpfen hatte. Des letztern
Odysseclaudschaften sind, namentlich was ihren heroischen Charakter anlangt,
kaum noch zu übertreffen, und deshalb hat der Königsberger Maler seinen Land¬
schaften mehr den Charakter der heitern Idylle aufgeprägt. Einmal führt er
uns auf die Insel der Phciaken, dann auf die der Kalypso, dann auf das
Cyklopeneiland, hier in den schroffen, zackigen Felsen des Gestades mehr das
heroische Element der Landschaft betonend, und endlich noch Ithaka, wo Odysseus
dem Sauhirteu Eumaios begegnet. Die figürliche Staffage ist durchweg nicht
gelungen. Die Figuren sind alle zu zierlich und zimperlich, zu modern und
sentimental, zu sehr Theaterhelden und erste Liebhaberinnen. Sie sehen so aus
wie die Gestalten aus den antiken und Renaissanceromanen von Ebers, deren
Modelle sich der Leipziger Professor aus ästhetischen Theezirkeln geholt hat.
Solche mit Marzipan und Cakes gefütterte Menschen nehmen sich in den gro߬
gedachten Landschaften, welche den Charakter der griechischen und italischen
Meeresküsten widerspiegeln, recht unglücklich aus.

Heydeck hat auf zwei großen Kompositionen die Tötung der Freier durch
Odysseus und Telemach und die Wiedererkennung des Odysseus durch Penelope
und auf einer dritten kleinern, deren geringerer Umfang dadurch motivirt ist, daß
sie den Platz über einer Thür einzunehmen hat, Athene dargestellt, welche die


Die Pflege der Monumentalmalerei in Preußen.

bricht. Heydeck und Neide sind Historienmaler, Max Schmidt ein Landschafter.
Naturgemäß hat der letztere auf den vier Gemälden seines Anteils den Schwer¬
punkt ans die Landschaft gelegt und die Figuren als Staffage behandelt. Daraus
ergiebt sich zunächst ein Mißverhältnis, welches die jugendlichen Geister nicht
zu fassen und sich auch nicht zu erklären vermögen. Auf dem einen Bilde er¬
scheinen Odysseus und Eumaios als winzige Figuren wie verloren in der großen
Landschaft, auf dem andern Bilde sieht man den Helden von Ithaka in riesen¬
großer Gestalt seine immer treffenden Pfeile auf die Freier abschnellen. Aber
damit noch nicht genug. Der eine Maler hat die Kalypso blondhaarig, der
andre sie mit schwarzen Haaren dargestellt. Wenn die Jnsterburger Jungen
ebenso „helle" sind wie die Berliner, und wir zweifeln nicht daran, und wenn
sie dann hinter diesen Zwiespalt der Meinungen kommen, dann haben die Maler
ihre Partie trotz aller ihrer Kunst verloren. Die Bilder wurden in Berlin auf¬
gestellt, ehe sie nach ihrem Bestimmungsorte übergeführt wurden. Vielleicht ist
noch zur rechten Zeit zwischen den beiden Lesarten eine Übereinstimmung her¬
gestellt worden. Sie wird sich aber nicht mehr herstellen lassen zwischen der
verschiedenartigen Malweise. Während Heydeck und Neide stark in die Farbe
gegangen sind und glänzende koloristische Effekte erzielt haben, sind die Land¬
schaften Schmidts in einem erheblich matteren Tone gehalten worden. Der
letztere hat wohl Recht gehabt. Denn er hat nicht vergessen, daß seine Land¬
schaften bloße Dekorationen sind, welche sich in den architektonischen Rahmen,
in die Wand, einfügen sollen. Im übrigen hatte gerade er einen schweren
Stand, da er mit der Reminiscenz an Preller zu kämpfen hatte. Des letztern
Odysseclaudschaften sind, namentlich was ihren heroischen Charakter anlangt,
kaum noch zu übertreffen, und deshalb hat der Königsberger Maler seinen Land¬
schaften mehr den Charakter der heitern Idylle aufgeprägt. Einmal führt er
uns auf die Insel der Phciaken, dann auf die der Kalypso, dann auf das
Cyklopeneiland, hier in den schroffen, zackigen Felsen des Gestades mehr das
heroische Element der Landschaft betonend, und endlich noch Ithaka, wo Odysseus
dem Sauhirteu Eumaios begegnet. Die figürliche Staffage ist durchweg nicht
gelungen. Die Figuren sind alle zu zierlich und zimperlich, zu modern und
sentimental, zu sehr Theaterhelden und erste Liebhaberinnen. Sie sehen so aus
wie die Gestalten aus den antiken und Renaissanceromanen von Ebers, deren
Modelle sich der Leipziger Professor aus ästhetischen Theezirkeln geholt hat.
Solche mit Marzipan und Cakes gefütterte Menschen nehmen sich in den gro߬
gedachten Landschaften, welche den Charakter der griechischen und italischen
Meeresküsten widerspiegeln, recht unglücklich aus.

Heydeck hat auf zwei großen Kompositionen die Tötung der Freier durch
Odysseus und Telemach und die Wiedererkennung des Odysseus durch Penelope
und auf einer dritten kleinern, deren geringerer Umfang dadurch motivirt ist, daß
sie den Platz über einer Thür einzunehmen hat, Athene dargestellt, welche die


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[0099] Die Pflege der Monumentalmalerei in Preußen. bricht. Heydeck und Neide sind Historienmaler, Max Schmidt ein Landschafter. Naturgemäß hat der letztere auf den vier Gemälden seines Anteils den Schwer¬ punkt ans die Landschaft gelegt und die Figuren als Staffage behandelt. Daraus ergiebt sich zunächst ein Mißverhältnis, welches die jugendlichen Geister nicht zu fassen und sich auch nicht zu erklären vermögen. Auf dem einen Bilde er¬ scheinen Odysseus und Eumaios als winzige Figuren wie verloren in der großen Landschaft, auf dem andern Bilde sieht man den Helden von Ithaka in riesen¬ großer Gestalt seine immer treffenden Pfeile auf die Freier abschnellen. Aber damit noch nicht genug. Der eine Maler hat die Kalypso blondhaarig, der andre sie mit schwarzen Haaren dargestellt. Wenn die Jnsterburger Jungen ebenso „helle" sind wie die Berliner, und wir zweifeln nicht daran, und wenn sie dann hinter diesen Zwiespalt der Meinungen kommen, dann haben die Maler ihre Partie trotz aller ihrer Kunst verloren. Die Bilder wurden in Berlin auf¬ gestellt, ehe sie nach ihrem Bestimmungsorte übergeführt wurden. Vielleicht ist noch zur rechten Zeit zwischen den beiden Lesarten eine Übereinstimmung her¬ gestellt worden. Sie wird sich aber nicht mehr herstellen lassen zwischen der verschiedenartigen Malweise. Während Heydeck und Neide stark in die Farbe gegangen sind und glänzende koloristische Effekte erzielt haben, sind die Land¬ schaften Schmidts in einem erheblich matteren Tone gehalten worden. Der letztere hat wohl Recht gehabt. Denn er hat nicht vergessen, daß seine Land¬ schaften bloße Dekorationen sind, welche sich in den architektonischen Rahmen, in die Wand, einfügen sollen. Im übrigen hatte gerade er einen schweren Stand, da er mit der Reminiscenz an Preller zu kämpfen hatte. Des letztern Odysseclaudschaften sind, namentlich was ihren heroischen Charakter anlangt, kaum noch zu übertreffen, und deshalb hat der Königsberger Maler seinen Land¬ schaften mehr den Charakter der heitern Idylle aufgeprägt. Einmal führt er uns auf die Insel der Phciaken, dann auf die der Kalypso, dann auf das Cyklopeneiland, hier in den schroffen, zackigen Felsen des Gestades mehr das heroische Element der Landschaft betonend, und endlich noch Ithaka, wo Odysseus dem Sauhirteu Eumaios begegnet. Die figürliche Staffage ist durchweg nicht gelungen. Die Figuren sind alle zu zierlich und zimperlich, zu modern und sentimental, zu sehr Theaterhelden und erste Liebhaberinnen. Sie sehen so aus wie die Gestalten aus den antiken und Renaissanceromanen von Ebers, deren Modelle sich der Leipziger Professor aus ästhetischen Theezirkeln geholt hat. Solche mit Marzipan und Cakes gefütterte Menschen nehmen sich in den gro߬ gedachten Landschaften, welche den Charakter der griechischen und italischen Meeresküsten widerspiegeln, recht unglücklich aus. Heydeck hat auf zwei großen Kompositionen die Tötung der Freier durch Odysseus und Telemach und die Wiedererkennung des Odysseus durch Penelope und auf einer dritten kleinern, deren geringerer Umfang dadurch motivirt ist, daß sie den Platz über einer Thür einzunehmen hat, Athene dargestellt, welche die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/99>, abgerufen am 25.08.2024.