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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Wesentliche und Notwendige noch nicht zu entscheiden vermag. Wollte man das
Spezialistentum ganz aus dem Gymnasium verbannen, dann wäre es ja am
besten, mau griffe auf die alten Zustände zurück und ließe den Unterricht in
den klassischen Sprachen wieder von Theologen geben. Das Resultat würde
freilich wenig Freude macheu, denn die Theologen von hente sind mit den alten,
was allgemeine Bildung betrifft, kaum noch zu vergleiche!?.

Doch wozu das Kind mit dem Bade ausschütten? Nicht sowohl an dem
Spezialistentum liegeu die im heutigen Gymnasium offen zu Tage tretenden
Übelstände, sondern daran, daß bisher von den Regierungen nicht genng für
die Vorbildung der auf der Universität herangebildeten Gelehrte" zu Lehrern
gethan worden ist. Ein praktisches und theoretisches Examen wurde allerdings
von dem Schulamtskandidaten verlangt. Mit wenigen, gut vorbereitete" Schüler"
wurde eine halbstündige Probelektion gehalten, "ut dann gab es noch ein kurzes
Examen ans der Geschichte der Pädagogik, zu dessen Erledigung die einmalige
Lektüre von Raumers "Geschichte der Pädagogik" genügte. Das war alles.
So ausgerüstet kam der Kandidat an das Gymnasium, wo er bei dem herr¬
schenden Mangel an Lehrern oft gleich das vor allen: pädagogische Erfahrungen
erheischende Ordinariat der Sexta übernahm und um nach bestem Wissen oder
Nichtwissen mit dem Schulmeistern begann. Gelegenheit zur Ausbildung in der
Pädagogik war wohl an der Leipziger Universität im Seminar des jüngst ver¬
storbenen Professor Ziller gegeben. Aber diese Gelegenheit wurde vou Philo¬
loge" nur wenig benutzt; auch wollte das Seminar wegen ungenügender Unter¬
stützung sich nicht recht entwickeln. Dnsselbe war der Fall mit dem pädagogischen
Seminar Professor Ecksteins. In dem Mangel an einer tüchtigen pädagogische"
Schulung der Philologen, nicht in dem Spezialistentum müssen wir die Ur¬
sachen erkennen, daß der Unterricht in den klassischen Sprachen für "nsrc Jngend
so wenig unheilbringend geworden ist.

Auch hierin scheint endlich ein Wandel eintreten zu solle". Wie wir vor
kurzem gelesen haben, hat das sächsische Unterrichtsministerium, dem Vorgänge
des preußische" folgend, durch ein Rundschreiben an die Direktoren seinen Willen
zu erkennen gegeben, für eine bessere pädagogische Vorbildung der zukünftigen
Lehrer zu sorgen, und hat von den Direktoren der höhern Lehranstalten Gut-
achten eingefordert. Man tragt sich, wie auch in Preußen, mit dein Gedanke",
die Probezeit der Lehramtskandidaten von einem auf zwei Jahre zu verlängern
und el" von der Universität getrenntes pädagogisches Seminar einzurichten.
Man will dann "ach der zweijährigen Probezeit ein neues Examen verlangen,
das in erster Linie von der praktische" Fähigkeit des Kandidaten Zeugnis ab¬
legen soll.

Wir begrüßen diesen Schritt des Ministers mit Freuden und erwarten von
der geplanten Neuerung reichen Segen für unsre Gymnasien. Die Kosten,
welche ein solches Seminar oder eine Übuugsschnle erfordern wird, fallen dem


?lo neue sächsisä^e Gyinucisial-veiordninig mit die M'erbin'dniigsfilM'.

Wesentliche und Notwendige noch nicht zu entscheiden vermag. Wollte man das
Spezialistentum ganz aus dem Gymnasium verbannen, dann wäre es ja am
besten, mau griffe auf die alten Zustände zurück und ließe den Unterricht in
den klassischen Sprachen wieder von Theologen geben. Das Resultat würde
freilich wenig Freude macheu, denn die Theologen von hente sind mit den alten,
was allgemeine Bildung betrifft, kaum noch zu vergleiche!?.

Doch wozu das Kind mit dem Bade ausschütten? Nicht sowohl an dem
Spezialistentum liegeu die im heutigen Gymnasium offen zu Tage tretenden
Übelstände, sondern daran, daß bisher von den Regierungen nicht genng für
die Vorbildung der auf der Universität herangebildeten Gelehrte» zu Lehrern
gethan worden ist. Ein praktisches und theoretisches Examen wurde allerdings
von dem Schulamtskandidaten verlangt. Mit wenigen, gut vorbereitete» Schüler»
wurde eine halbstündige Probelektion gehalten, »ut dann gab es noch ein kurzes
Examen ans der Geschichte der Pädagogik, zu dessen Erledigung die einmalige
Lektüre von Raumers „Geschichte der Pädagogik" genügte. Das war alles.
So ausgerüstet kam der Kandidat an das Gymnasium, wo er bei dem herr¬
schenden Mangel an Lehrern oft gleich das vor allen: pädagogische Erfahrungen
erheischende Ordinariat der Sexta übernahm und um nach bestem Wissen oder
Nichtwissen mit dem Schulmeistern begann. Gelegenheit zur Ausbildung in der
Pädagogik war wohl an der Leipziger Universität im Seminar des jüngst ver¬
storbenen Professor Ziller gegeben. Aber diese Gelegenheit wurde vou Philo¬
loge» nur wenig benutzt; auch wollte das Seminar wegen ungenügender Unter¬
stützung sich nicht recht entwickeln. Dnsselbe war der Fall mit dem pädagogischen
Seminar Professor Ecksteins. In dem Mangel an einer tüchtigen pädagogische»
Schulung der Philologen, nicht in dem Spezialistentum müssen wir die Ur¬
sachen erkennen, daß der Unterricht in den klassischen Sprachen für »nsrc Jngend
so wenig unheilbringend geworden ist.

Auch hierin scheint endlich ein Wandel eintreten zu solle». Wie wir vor
kurzem gelesen haben, hat das sächsische Unterrichtsministerium, dem Vorgänge
des preußische» folgend, durch ein Rundschreiben an die Direktoren seinen Willen
zu erkennen gegeben, für eine bessere pädagogische Vorbildung der zukünftigen
Lehrer zu sorgen, und hat von den Direktoren der höhern Lehranstalten Gut-
achten eingefordert. Man tragt sich, wie auch in Preußen, mit dein Gedanke»,
die Probezeit der Lehramtskandidaten von einem auf zwei Jahre zu verlängern
und el» von der Universität getrenntes pädagogisches Seminar einzurichten.
Man will dann »ach der zweijährigen Probezeit ein neues Examen verlangen,
das in erster Linie von der praktische» Fähigkeit des Kandidaten Zeugnis ab¬
legen soll.

Wir begrüßen diesen Schritt des Ministers mit Freuden und erwarten von
der geplanten Neuerung reichen Segen für unsre Gymnasien. Die Kosten,
welche ein solches Seminar oder eine Übuugsschnle erfordern wird, fallen dem


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/87>, abgerufen am 25.08.2024.