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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Die neue sächsische Gymmch'al-Verordnung und die Merbürdnngsfrage.

lieben Stunde" ist gesunken in I von 40 auf 39--40, in 11^ von 40 c"if 39,
in IIL von 39 auf 36, in III von 38 auf 37; in IV und V ist sie dieselbe
geblieben, in VI von 33 herabgegangen auf 32, Dabei haben wir immer die
höchsten Ziffern angenommen und die fakultativen Fächer voll gerechnet, weil
die Erfahrung lehrt, daß, vom Zeichnen und Singen abgesehen, alle, selbst die
schwächsten Schüler sich nicht gern von den fakultativen Fächern abraten lassen.
Sehen wir jedoch ganz von jenen Fächern ab, so stellt sich die Verminderung fol¬
gendermaßen dar: In I von 34 ans 30--34, in II von 34 auf 33, in III von
35 ans 34, in IV von 35 auf 34; in V und VI ist die Zahl der wöchentlichen
Unterrichtsstunden dieselbe geblieben. Es wird mithin fortan die Stunden¬
zahl schwanken in I zwischen 39 und 33, in 11^. zwischen 39 und 33, in HL
zwischen 36 und 33, in III zwischen 37 und 34, in IV zwischen 37 und 34.
In V wird sie 34, in VI 32 Stunden betragen. Die höchste Ziffer täglich
stellt sich für Sexta anf 6, für Prima auf 8 Stunden, was bei einer ma߬
vollen Beschränkung in den Hausaufgaben nicht zu hoch gegriffen ist.

Neben der allzugrvszen Stundenzahl, welche, vereint mit der großen Menge
von häuslichen Arbeiten, nicht nur in die Rechte des Elternhauses störend ein-
griff, sondern auch bei körperlich Schwachen die notwendige Erholung un¬
möglich machte, wurde in den Erlassen des preußischen und des sächsischen
Kultusministeriums mit Recht das Hinübergreifen der Spezialfächcr von der
Universität nach den Gymnasien als ein Übelstand anerkannt und der Tadel
ausgesprochen, daß vorzugsweise die jünger" Gymnnsinlphilvlogen die Gesichts¬
punkte dieses auf der Universität gewonnenen spezialistischen Fachstudiums un¬
vermittelt auf die Gymnasien übertrugen und die Gymnasialbedeutuug des
Studiums der antiken Sprachen und Literaturen weniger in der Erzielung
einer allgemeinen geistigen Ausbildung als in der Erstrebung der Ausbildung
für die fachmännische Philologie suchten. Als eine Folge dieser Gewohnheit
wurde das Übermaß der dogmatischen Syntax bezeichnet, mit welcher schon die
mittleren Klassen beschwert werden, und die Beseitigung des Schülers mit
allerhand syntaktischen Subtilitäten, die oft von sehr zweifelhaftem Werte und
deren Erlernung in der Form abstrakter Dogmen für die Gymnasialzwecke
durchaus unfruchtbar ist.

Mit dem Hinweise auf diese Übelstände soll das Spczialisteutum gewiß nicht
ganz verurteilt werden. Wer sich vor allem mit Griechischem oder mit Latein oder
Geschichte auf der Hochschule beschäftigt hat, der mag, soweit es sich mit den
Einrichtungen des Gyiunasinms verträgt, an welchem er angestellt wird, in
diesen Fächern zuerst Beschäftigung finden. Denn das muß zugestanden werden,
daß doch nur der, welcher eine Disziplin vollständig beherrscht, darin den besten
Unterricht erteilen kann, und daß ein solcher bei genügender pädagogischer Er¬
fahrung leichter und schneller seine Schüler zum Ziele sührt als einer, der selbst
noch in dem Fache, welches er lehrt, zu arbeiten hat und über das Wichtige,


Die neue sächsische Gymmch'al-Verordnung und die Merbürdnngsfrage.

lieben Stunde» ist gesunken in I von 40 auf 39—40, in 11^ von 40 c»if 39,
in IIL von 39 auf 36, in III von 38 auf 37; in IV und V ist sie dieselbe
geblieben, in VI von 33 herabgegangen auf 32, Dabei haben wir immer die
höchsten Ziffern angenommen und die fakultativen Fächer voll gerechnet, weil
die Erfahrung lehrt, daß, vom Zeichnen und Singen abgesehen, alle, selbst die
schwächsten Schüler sich nicht gern von den fakultativen Fächern abraten lassen.
Sehen wir jedoch ganz von jenen Fächern ab, so stellt sich die Verminderung fol¬
gendermaßen dar: In I von 34 ans 30—34, in II von 34 auf 33, in III von
35 ans 34, in IV von 35 auf 34; in V und VI ist die Zahl der wöchentlichen
Unterrichtsstunden dieselbe geblieben. Es wird mithin fortan die Stunden¬
zahl schwanken in I zwischen 39 und 33, in 11^. zwischen 39 und 33, in HL
zwischen 36 und 33, in III zwischen 37 und 34, in IV zwischen 37 und 34.
In V wird sie 34, in VI 32 Stunden betragen. Die höchste Ziffer täglich
stellt sich für Sexta anf 6, für Prima auf 8 Stunden, was bei einer ma߬
vollen Beschränkung in den Hausaufgaben nicht zu hoch gegriffen ist.

Neben der allzugrvszen Stundenzahl, welche, vereint mit der großen Menge
von häuslichen Arbeiten, nicht nur in die Rechte des Elternhauses störend ein-
griff, sondern auch bei körperlich Schwachen die notwendige Erholung un¬
möglich machte, wurde in den Erlassen des preußischen und des sächsischen
Kultusministeriums mit Recht das Hinübergreifen der Spezialfächcr von der
Universität nach den Gymnasien als ein Übelstand anerkannt und der Tadel
ausgesprochen, daß vorzugsweise die jünger» Gymnnsinlphilvlogen die Gesichts¬
punkte dieses auf der Universität gewonnenen spezialistischen Fachstudiums un¬
vermittelt auf die Gymnasien übertrugen und die Gymnasialbedeutuug des
Studiums der antiken Sprachen und Literaturen weniger in der Erzielung
einer allgemeinen geistigen Ausbildung als in der Erstrebung der Ausbildung
für die fachmännische Philologie suchten. Als eine Folge dieser Gewohnheit
wurde das Übermaß der dogmatischen Syntax bezeichnet, mit welcher schon die
mittleren Klassen beschwert werden, und die Beseitigung des Schülers mit
allerhand syntaktischen Subtilitäten, die oft von sehr zweifelhaftem Werte und
deren Erlernung in der Form abstrakter Dogmen für die Gymnasialzwecke
durchaus unfruchtbar ist.

Mit dem Hinweise auf diese Übelstände soll das Spczialisteutum gewiß nicht
ganz verurteilt werden. Wer sich vor allem mit Griechischem oder mit Latein oder
Geschichte auf der Hochschule beschäftigt hat, der mag, soweit es sich mit den
Einrichtungen des Gyiunasinms verträgt, an welchem er angestellt wird, in
diesen Fächern zuerst Beschäftigung finden. Denn das muß zugestanden werden,
daß doch nur der, welcher eine Disziplin vollständig beherrscht, darin den besten
Unterricht erteilen kann, und daß ein solcher bei genügender pädagogischer Er¬
fahrung leichter und schneller seine Schüler zum Ziele sührt als einer, der selbst
noch in dem Fache, welches er lehrt, zu arbeiten hat und über das Wichtige,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/86>, abgerufen am 25.08.2024.