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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Aolsiensteuer.

Hieraus ergiebt sich, daß eine nach rationellen Grundsätzen angelegte und
bewirtschaftete Dampfkraft von 2S Pferden nicht mehr als 10: 7.S 1^ Kilo¬
gramm Kohle pro Stunde und Pferdekraft braucht, daß daher der oben zu
6^/" Kilogramm ermittelte thatsächliche Verbrauch um das fünffache zu groß
ist, mithin ein Kohlenquantum von 25 760 Millionen Kilogramm im Wert¬
betrage von 231840 000 Mark im Jahre 1879 nutzlos verfeuert worden ist.

Welch großartige Perspektive eröffnet sich dem vorschauenden Auge bei
der Vorstellung des unabsehbaren Vorteils für die Volkswirtschaft im all¬
gemeine" wie für unsre mit Dampf arbeitende Industrie im besondern, der da¬
durch zu erreichen wäre, daß letztere genötigt würde, von der bisherigen
Schlenderwirtschaft abzugehen und sich auf das Notwendige und Nützliche zu
beschränken! Schonung des in den unterirdischen Kohlenschätzcn beruhenden
Nationalvermögens, Herabgehen der Kohlenpreise und infolge dessen Ausschluß
aller Kohleneinfuhr und Ermäßigung aller Hanshaltskosten, schwungvolle Ent¬
wicklung des Dampfmaschinenbaues, gewinnrcichere Produktion der gesamten
Dampfindustric infolge der um 80 Prozent ermäßigten Ausgabe, und -- Is-se
not löÄst, -- die gesteigerte Gesundheit unsrer Straßen und Wohnungen infolge
des beseitigten Rauches und Rußes -- alles das kann erreicht werden!
Freilich nicht, indem man die Verbesserung ihrer Einrichtungen der Einsicht und
Initiative der Gewerbtreibenden überläßt, sondern nur dadurch, daß sie dazu
gezwungen werden. Obgleich der vervollkommnete Effekt der Compouud-Dampf-
maschine und der neueren Kesselfeuerungen schon seit mindestens einem Jahr¬
zehnt bekannt, in den Fachschriften besprochen und von den Maschinenfabrikante"
vielfach empfohlen worden ist, hat doch das bessere bisher nur spärlichen Ein¬
gang gefunden. Das rühmliche Beispiel und die ausgezeichneten ökonomischen
Erfolge der Industriellen Gesellschaft in Mülhausen -- welche ihren französischen
Name" zu verdeutschen leider noch immer nicht gewillt scheint -- haben zwar
die Anleitung gegeben, daß fast alle größern Werke der Textilindustrie gegen¬
wärtig mit Compoundmotoren arbeiten oder dieselben einzuführen im Begriff
stehen, die meisten übrigen Fabriken aber können von der alte" Raubwirtschaft
nicht lassen und unter der Welt zu, das Qualmen ihrer Schornsteine als eine
berechtigte Eigentümlichkeit derselben anzuerkennen.

Hier kann nur auf den: Wege des staatlichen Zwanges geholfen werden.
Hat der Staat in früherer Zeit sich veranlaßt und berufen gesehen, durch die
Anlage und den Betrieb von Musterfabriken, die Einführung neuer Maschinen?c.
der zögernden Gewerbthätigkeit Anregung und Beispiel zu gebe", hat er als
Gesetzgeber den Grundsatz aufgestellt, daß der Verschwender den Zwang der
Bevormundung sich gefallen lassen muß, so wird niemand die Berechtigung be-
streiten, wenn er auch der greulichen Kohlenverwirtschaftnng durch zwingende
Maßregeln ein Ende zu mache" sucht. Da aber bekanntlich durch kein Mittel ein
Unwesen wirksamer bekämpft werden kann als dnrch eine Steuer, namentlich wenn sie


Aolsiensteuer.

Hieraus ergiebt sich, daß eine nach rationellen Grundsätzen angelegte und
bewirtschaftete Dampfkraft von 2S Pferden nicht mehr als 10: 7.S 1^ Kilo¬
gramm Kohle pro Stunde und Pferdekraft braucht, daß daher der oben zu
6^/» Kilogramm ermittelte thatsächliche Verbrauch um das fünffache zu groß
ist, mithin ein Kohlenquantum von 25 760 Millionen Kilogramm im Wert¬
betrage von 231840 000 Mark im Jahre 1879 nutzlos verfeuert worden ist.

Welch großartige Perspektive eröffnet sich dem vorschauenden Auge bei
der Vorstellung des unabsehbaren Vorteils für die Volkswirtschaft im all¬
gemeine» wie für unsre mit Dampf arbeitende Industrie im besondern, der da¬
durch zu erreichen wäre, daß letztere genötigt würde, von der bisherigen
Schlenderwirtschaft abzugehen und sich auf das Notwendige und Nützliche zu
beschränken! Schonung des in den unterirdischen Kohlenschätzcn beruhenden
Nationalvermögens, Herabgehen der Kohlenpreise und infolge dessen Ausschluß
aller Kohleneinfuhr und Ermäßigung aller Hanshaltskosten, schwungvolle Ent¬
wicklung des Dampfmaschinenbaues, gewinnrcichere Produktion der gesamten
Dampfindustric infolge der um 80 Prozent ermäßigten Ausgabe, und — Is-se
not löÄst, — die gesteigerte Gesundheit unsrer Straßen und Wohnungen infolge
des beseitigten Rauches und Rußes — alles das kann erreicht werden!
Freilich nicht, indem man die Verbesserung ihrer Einrichtungen der Einsicht und
Initiative der Gewerbtreibenden überläßt, sondern nur dadurch, daß sie dazu
gezwungen werden. Obgleich der vervollkommnete Effekt der Compouud-Dampf-
maschine und der neueren Kesselfeuerungen schon seit mindestens einem Jahr¬
zehnt bekannt, in den Fachschriften besprochen und von den Maschinenfabrikante»
vielfach empfohlen worden ist, hat doch das bessere bisher nur spärlichen Ein¬
gang gefunden. Das rühmliche Beispiel und die ausgezeichneten ökonomischen
Erfolge der Industriellen Gesellschaft in Mülhausen — welche ihren französischen
Name» zu verdeutschen leider noch immer nicht gewillt scheint — haben zwar
die Anleitung gegeben, daß fast alle größern Werke der Textilindustrie gegen¬
wärtig mit Compoundmotoren arbeiten oder dieselben einzuführen im Begriff
stehen, die meisten übrigen Fabriken aber können von der alte» Raubwirtschaft
nicht lassen und unter der Welt zu, das Qualmen ihrer Schornsteine als eine
berechtigte Eigentümlichkeit derselben anzuerkennen.

Hier kann nur auf den: Wege des staatlichen Zwanges geholfen werden.
Hat der Staat in früherer Zeit sich veranlaßt und berufen gesehen, durch die
Anlage und den Betrieb von Musterfabriken, die Einführung neuer Maschinen?c.
der zögernden Gewerbthätigkeit Anregung und Beispiel zu gebe», hat er als
Gesetzgeber den Grundsatz aufgestellt, daß der Verschwender den Zwang der
Bevormundung sich gefallen lassen muß, so wird niemand die Berechtigung be-
streiten, wenn er auch der greulichen Kohlenverwirtschaftnng durch zwingende
Maßregeln ein Ende zu mache» sucht. Da aber bekanntlich durch kein Mittel ein
Unwesen wirksamer bekämpft werden kann als dnrch eine Steuer, namentlich wenn sie


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/80>, abgerufen am 23.07.2024.