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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Rohlensteuer.

Weisheit den richtigen Moment ermessen, wo die Sorge für das Wohl ihrer Unter¬
thanen ihnen den Übergang zum Feinde zu einer schmerzlichen, aber unabweislichen
Pflicht macht. Diese eventuelle Aussicht hält sie aber nicht ab, für die Dauer der Zeit,
wo sie dem Bunde angehören, in demselben alle ihre Rechte eifrig auszuüben und
durch ihn einen möglichst hohen Grad von Einfluß und Wichtigkeit zu erstreben.
Wenn für die Thatkraft eines süd- oder mitteldeutschen Staatsmannes das Gebiet
des eignen Landesherrn einen ausreichenden Spielraum uicht gewährt, so wird
derselbe gern eine Befriedigung seines Ehrgeizes in der Bestrebung suchen, durch
die Organe des Bundes auch auf die siebzehn Millionen Preußen, auf die vierzig
des Bundes oder die siebzig des mitteleuropäischen Reiches einen vermöge der
eignen überlegnen Befähigung jedenfalls hervorragenden Einfluß zu gewinnen,
Geister höherer Ordnung vermögen in den engen Verhältnissen kleiner Staaten
keine Befriedigung zu finden, und wenn Herr von Beust auf den Dresdener
Konferenzen den Grafen Buol geleitet hat, so traut er sich wohl auch zu, in
Gemeinschaft mit dem kaiserlichen Minister Deutschland zu leiten, wenn nur der
Bund, das Werkzeug ihrer Aktion, mehr über die einzelnen Regierungen zu
sagen hätte.




Kohlensteuer.

as deutsche Reich muß mehr als bisher auf sich selbst gestellt
werden. Es bedarf, wenn es zu haltbaren Zuständen gedeihen
soll, einer organischen Gestaltung, wie sie im Pflanzenleben wahr¬
zunehmen ist. Gleich dem Baume, dessen Stamm auf starken
Wurzeln ruht und aus diesen die für die Entwicklung seiner
Zweige notwendigen süste zieht, muß auch das Reich so organisirt werden,
daß es zum Sammeln und Verteile" der gemeinsamen Kraft befähigt ist. Dieser
Gedanke lag dem beabsichtigten Tabaksmonopol zu Grunde. Wer nicht gerade
vom Tabak lebt oder im Konstitutionalismus die vornehmste Bedingung der
allgemeinen Wohlfahrt erblickt, kann die Ablehnung dieses Projekts mir bedauern.
Nur wenige Verbrauchssteuern sind so gerechtfertigt und auch so erträglich wie
die mit dem Tubaksmonopol verknüpfte; sie betrifft ein dem Lebensunterhalt
entbehrliches Genußmittel, welches zwar auch von dem armen Manne geliebt
wird, durch das Monopol jedoch schwerlich verkümmert werden würde, denn
schlechteres Kreml, als ihm gegenwärtig für sein gutes Geld geboten wird, kann
und wird ihm auch das Reich nicht zumuten. Und zieht man in Betracht, daß
das Reich mit dem Monopol zugleich die zur Verbesserung der sozialen Lage
der Handarbeiter erforderlichen Mittel zu gewinnen gedachte, so sollte man
meinen, daß diesen menschenfreundlichen Rücksichten alle konstitutionellen Bedenken
hätten weichen müssen. Sicher ist, daß das politische wie soziale Gleichgewicht


Rohlensteuer.

Weisheit den richtigen Moment ermessen, wo die Sorge für das Wohl ihrer Unter¬
thanen ihnen den Übergang zum Feinde zu einer schmerzlichen, aber unabweislichen
Pflicht macht. Diese eventuelle Aussicht hält sie aber nicht ab, für die Dauer der Zeit,
wo sie dem Bunde angehören, in demselben alle ihre Rechte eifrig auszuüben und
durch ihn einen möglichst hohen Grad von Einfluß und Wichtigkeit zu erstreben.
Wenn für die Thatkraft eines süd- oder mitteldeutschen Staatsmannes das Gebiet
des eignen Landesherrn einen ausreichenden Spielraum uicht gewährt, so wird
derselbe gern eine Befriedigung seines Ehrgeizes in der Bestrebung suchen, durch
die Organe des Bundes auch auf die siebzehn Millionen Preußen, auf die vierzig
des Bundes oder die siebzig des mitteleuropäischen Reiches einen vermöge der
eignen überlegnen Befähigung jedenfalls hervorragenden Einfluß zu gewinnen,
Geister höherer Ordnung vermögen in den engen Verhältnissen kleiner Staaten
keine Befriedigung zu finden, und wenn Herr von Beust auf den Dresdener
Konferenzen den Grafen Buol geleitet hat, so traut er sich wohl auch zu, in
Gemeinschaft mit dem kaiserlichen Minister Deutschland zu leiten, wenn nur der
Bund, das Werkzeug ihrer Aktion, mehr über die einzelnen Regierungen zu
sagen hätte.




Kohlensteuer.

as deutsche Reich muß mehr als bisher auf sich selbst gestellt
werden. Es bedarf, wenn es zu haltbaren Zuständen gedeihen
soll, einer organischen Gestaltung, wie sie im Pflanzenleben wahr¬
zunehmen ist. Gleich dem Baume, dessen Stamm auf starken
Wurzeln ruht und aus diesen die für die Entwicklung seiner
Zweige notwendigen süste zieht, muß auch das Reich so organisirt werden,
daß es zum Sammeln und Verteile» der gemeinsamen Kraft befähigt ist. Dieser
Gedanke lag dem beabsichtigten Tabaksmonopol zu Grunde. Wer nicht gerade
vom Tabak lebt oder im Konstitutionalismus die vornehmste Bedingung der
allgemeinen Wohlfahrt erblickt, kann die Ablehnung dieses Projekts mir bedauern.
Nur wenige Verbrauchssteuern sind so gerechtfertigt und auch so erträglich wie
die mit dem Tubaksmonopol verknüpfte; sie betrifft ein dem Lebensunterhalt
entbehrliches Genußmittel, welches zwar auch von dem armen Manne geliebt
wird, durch das Monopol jedoch schwerlich verkümmert werden würde, denn
schlechteres Kreml, als ihm gegenwärtig für sein gutes Geld geboten wird, kann
und wird ihm auch das Reich nicht zumuten. Und zieht man in Betracht, daß
das Reich mit dem Monopol zugleich die zur Verbesserung der sozialen Lage
der Handarbeiter erforderlichen Mittel zu gewinnen gedachte, so sollte man
meinen, daß diesen menschenfreundlichen Rücksichten alle konstitutionellen Bedenken
hätten weichen müssen. Sicher ist, daß das politische wie soziale Gleichgewicht


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[0076] Rohlensteuer. Weisheit den richtigen Moment ermessen, wo die Sorge für das Wohl ihrer Unter¬ thanen ihnen den Übergang zum Feinde zu einer schmerzlichen, aber unabweislichen Pflicht macht. Diese eventuelle Aussicht hält sie aber nicht ab, für die Dauer der Zeit, wo sie dem Bunde angehören, in demselben alle ihre Rechte eifrig auszuüben und durch ihn einen möglichst hohen Grad von Einfluß und Wichtigkeit zu erstreben. Wenn für die Thatkraft eines süd- oder mitteldeutschen Staatsmannes das Gebiet des eignen Landesherrn einen ausreichenden Spielraum uicht gewährt, so wird derselbe gern eine Befriedigung seines Ehrgeizes in der Bestrebung suchen, durch die Organe des Bundes auch auf die siebzehn Millionen Preußen, auf die vierzig des Bundes oder die siebzig des mitteleuropäischen Reiches einen vermöge der eignen überlegnen Befähigung jedenfalls hervorragenden Einfluß zu gewinnen, Geister höherer Ordnung vermögen in den engen Verhältnissen kleiner Staaten keine Befriedigung zu finden, und wenn Herr von Beust auf den Dresdener Konferenzen den Grafen Buol geleitet hat, so traut er sich wohl auch zu, in Gemeinschaft mit dem kaiserlichen Minister Deutschland zu leiten, wenn nur der Bund, das Werkzeug ihrer Aktion, mehr über die einzelnen Regierungen zu sagen hätte. Kohlensteuer. as deutsche Reich muß mehr als bisher auf sich selbst gestellt werden. Es bedarf, wenn es zu haltbaren Zuständen gedeihen soll, einer organischen Gestaltung, wie sie im Pflanzenleben wahr¬ zunehmen ist. Gleich dem Baume, dessen Stamm auf starken Wurzeln ruht und aus diesen die für die Entwicklung seiner Zweige notwendigen süste zieht, muß auch das Reich so organisirt werden, daß es zum Sammeln und Verteile» der gemeinsamen Kraft befähigt ist. Dieser Gedanke lag dem beabsichtigten Tabaksmonopol zu Grunde. Wer nicht gerade vom Tabak lebt oder im Konstitutionalismus die vornehmste Bedingung der allgemeinen Wohlfahrt erblickt, kann die Ablehnung dieses Projekts mir bedauern. Nur wenige Verbrauchssteuern sind so gerechtfertigt und auch so erträglich wie die mit dem Tubaksmonopol verknüpfte; sie betrifft ein dem Lebensunterhalt entbehrliches Genußmittel, welches zwar auch von dem armen Manne geliebt wird, durch das Monopol jedoch schwerlich verkümmert werden würde, denn schlechteres Kreml, als ihm gegenwärtig für sein gutes Geld geboten wird, kann und wird ihm auch das Reich nicht zumuten. Und zieht man in Betracht, daß das Reich mit dem Monopol zugleich die zur Verbesserung der sozialen Lage der Handarbeiter erforderlichen Mittel zu gewinnen gedachte, so sollte man meinen, daß diesen menschenfreundlichen Rücksichten alle konstitutionellen Bedenken hätten weichen müssen. Sicher ist, daß das politische wie soziale Gleichgewicht

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/76>, abgerufen am 25.08.2024.