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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Das kleine Lues des Herrn von Lismarck.

kommen, und da Preußen dabei das Haupthindernis war, so ginge" alle An¬
strengungen der Wiener Staatsmänner in Deutschland dahin, Preußen in das
Kielwasser ihrer Politik hineinzunötigen und darin festzuhalten. Das wirksamste
Rüstzeug dazu war der deutsche Bund. Bis 1848 wurde derselbe seiner ur¬
sprünglichen Bestimmung gemäß als ein Schutzverein gegen Kriege und Revo¬
lutionen angesehen und behandelt. Die Rolle eines obersten Gesetzgebers für
Deutschland übertrug man ihm nur mit Vorsicht und nur in solchen Füllen,
wo alle Mitglieder oder doch Preußen und Österreich einverstanden waren. Seit
seiner Wiederherstellung im Jahre 1851 aber war Österreich eifrigst bemüht,
den Wirkungskreis der Bnndesbeschlüsse zu erweitern und den der einzelnen Re¬
gierungen zu beschränke!?. Dem Fürsten Schwarzenberg war es nicht entgangen,
welche Vorteile der Vorsitz im Bunde und die Leichtigkeit, bei demselben Preußen
gegenüber Mehrheiten zustande zu bringen, Österreich gewährten, falls es gelang,
die änßere und innere Politik der einzelnen Bundesstaaten mehr als bisher von
den Bundesbeschlüsseu abhängig zu machen. Die Umwälzung der innern Ein¬
richtung Österreichs, vermöge deren das deutsche Element des Kaiserstaates der
alleinige politische Träger der Negierung zu werden bestimmt war, gebot einen
engern Anschluß um Deutschland. Der überwiegende Einfluß Österreichs auf die
Beschlüsse der meisten Bundesregierungen war gesichert. Der Diplomat, der
Minister, der sich nicht fügte, der es wagte, die Interessen seines Landes gegen
die Forderungen des Wiener Kabinets zu vertreten, wurde mit allen mögliche"?
Ränken solange verfolgt, bis er nachgab. Man verbündete sich mit jeder Oppo¬
sition gegen ihn, besonders mit der ultramontanen, knüpfte Verbindungen mit
seinen Gegnern bei Hofe an und verschmähte es nicht, ihn auf dem Wege der
fürstlichen Familicnkorrespondenz zu verdächtigen. Außerordentlich wurde dieses
Spiel durch außeramtliche Agenten aller Art erleichtert. Der Wiener Politik
stand die ganze Miliz der Jesuiten zu Gebote, desgleichen die ultramontane
Geistlichkeit, und in Süddeutschland gab es im Staats- und Hofdienste kaum
einen Mann von Bedeutung, der nicht Angehörige im österreichischen Heere oder
Beamtentume gehabt hätte und auf diesem Wege zu gewinnen und zu beein¬
flussen gewesen wäre. Dazu kamen die Furcht vor preußischen Eroberungen,
die durch die geographische Lage Preußens genährt wurde, und die Erinnerung
an die Uuionspvlitik von 1849 den Bemühungen Österreichs auf halbem Wege
entgegen und machten ihm jeden Erfolg leicht. Die Bundesregierungen wußten
endlich aus Erfahrung, daß Wien seine Forderungen niemals fallen ließ, seine
hervorragendste Eigenschaft war Zähigkeit, und so betrachteten sie es als ganz
natürlich, daß Preußen, wenn zwischen ihm und Österreich Meinungsverschieden¬
heiten entständen, durch buudesfreundliche Nachgiebigkeit die Eintracht her¬
stellen müsse.

Indem so der überwiegende Einfluß Österreichs auf die Haltung der meisten
deutschen Regierungen bei Bundesbeschlüssen gesichert war, kam es nur noch


Das kleine Lues des Herrn von Lismarck.

kommen, und da Preußen dabei das Haupthindernis war, so ginge» alle An¬
strengungen der Wiener Staatsmänner in Deutschland dahin, Preußen in das
Kielwasser ihrer Politik hineinzunötigen und darin festzuhalten. Das wirksamste
Rüstzeug dazu war der deutsche Bund. Bis 1848 wurde derselbe seiner ur¬
sprünglichen Bestimmung gemäß als ein Schutzverein gegen Kriege und Revo¬
lutionen angesehen und behandelt. Die Rolle eines obersten Gesetzgebers für
Deutschland übertrug man ihm nur mit Vorsicht und nur in solchen Füllen,
wo alle Mitglieder oder doch Preußen und Österreich einverstanden waren. Seit
seiner Wiederherstellung im Jahre 1851 aber war Österreich eifrigst bemüht,
den Wirkungskreis der Bnndesbeschlüsse zu erweitern und den der einzelnen Re¬
gierungen zu beschränke!?. Dem Fürsten Schwarzenberg war es nicht entgangen,
welche Vorteile der Vorsitz im Bunde und die Leichtigkeit, bei demselben Preußen
gegenüber Mehrheiten zustande zu bringen, Österreich gewährten, falls es gelang,
die änßere und innere Politik der einzelnen Bundesstaaten mehr als bisher von
den Bundesbeschlüsseu abhängig zu machen. Die Umwälzung der innern Ein¬
richtung Österreichs, vermöge deren das deutsche Element des Kaiserstaates der
alleinige politische Träger der Negierung zu werden bestimmt war, gebot einen
engern Anschluß um Deutschland. Der überwiegende Einfluß Österreichs auf die
Beschlüsse der meisten Bundesregierungen war gesichert. Der Diplomat, der
Minister, der sich nicht fügte, der es wagte, die Interessen seines Landes gegen
die Forderungen des Wiener Kabinets zu vertreten, wurde mit allen mögliche«?
Ränken solange verfolgt, bis er nachgab. Man verbündete sich mit jeder Oppo¬
sition gegen ihn, besonders mit der ultramontanen, knüpfte Verbindungen mit
seinen Gegnern bei Hofe an und verschmähte es nicht, ihn auf dem Wege der
fürstlichen Familicnkorrespondenz zu verdächtigen. Außerordentlich wurde dieses
Spiel durch außeramtliche Agenten aller Art erleichtert. Der Wiener Politik
stand die ganze Miliz der Jesuiten zu Gebote, desgleichen die ultramontane
Geistlichkeit, und in Süddeutschland gab es im Staats- und Hofdienste kaum
einen Mann von Bedeutung, der nicht Angehörige im österreichischen Heere oder
Beamtentume gehabt hätte und auf diesem Wege zu gewinnen und zu beein¬
flussen gewesen wäre. Dazu kamen die Furcht vor preußischen Eroberungen,
die durch die geographische Lage Preußens genährt wurde, und die Erinnerung
an die Uuionspvlitik von 1849 den Bemühungen Österreichs auf halbem Wege
entgegen und machten ihm jeden Erfolg leicht. Die Bundesregierungen wußten
endlich aus Erfahrung, daß Wien seine Forderungen niemals fallen ließ, seine
hervorragendste Eigenschaft war Zähigkeit, und so betrachteten sie es als ganz
natürlich, daß Preußen, wenn zwischen ihm und Österreich Meinungsverschieden¬
heiten entständen, durch buudesfreundliche Nachgiebigkeit die Eintracht her¬
stellen müsse.

Indem so der überwiegende Einfluß Österreichs auf die Haltung der meisten
deutschen Regierungen bei Bundesbeschlüssen gesichert war, kam es nur noch


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[0068] Das kleine Lues des Herrn von Lismarck. kommen, und da Preußen dabei das Haupthindernis war, so ginge» alle An¬ strengungen der Wiener Staatsmänner in Deutschland dahin, Preußen in das Kielwasser ihrer Politik hineinzunötigen und darin festzuhalten. Das wirksamste Rüstzeug dazu war der deutsche Bund. Bis 1848 wurde derselbe seiner ur¬ sprünglichen Bestimmung gemäß als ein Schutzverein gegen Kriege und Revo¬ lutionen angesehen und behandelt. Die Rolle eines obersten Gesetzgebers für Deutschland übertrug man ihm nur mit Vorsicht und nur in solchen Füllen, wo alle Mitglieder oder doch Preußen und Österreich einverstanden waren. Seit seiner Wiederherstellung im Jahre 1851 aber war Österreich eifrigst bemüht, den Wirkungskreis der Bnndesbeschlüsse zu erweitern und den der einzelnen Re¬ gierungen zu beschränke!?. Dem Fürsten Schwarzenberg war es nicht entgangen, welche Vorteile der Vorsitz im Bunde und die Leichtigkeit, bei demselben Preußen gegenüber Mehrheiten zustande zu bringen, Österreich gewährten, falls es gelang, die änßere und innere Politik der einzelnen Bundesstaaten mehr als bisher von den Bundesbeschlüsseu abhängig zu machen. Die Umwälzung der innern Ein¬ richtung Österreichs, vermöge deren das deutsche Element des Kaiserstaates der alleinige politische Träger der Negierung zu werden bestimmt war, gebot einen engern Anschluß um Deutschland. Der überwiegende Einfluß Österreichs auf die Beschlüsse der meisten Bundesregierungen war gesichert. Der Diplomat, der Minister, der sich nicht fügte, der es wagte, die Interessen seines Landes gegen die Forderungen des Wiener Kabinets zu vertreten, wurde mit allen mögliche«? Ränken solange verfolgt, bis er nachgab. Man verbündete sich mit jeder Oppo¬ sition gegen ihn, besonders mit der ultramontanen, knüpfte Verbindungen mit seinen Gegnern bei Hofe an und verschmähte es nicht, ihn auf dem Wege der fürstlichen Familicnkorrespondenz zu verdächtigen. Außerordentlich wurde dieses Spiel durch außeramtliche Agenten aller Art erleichtert. Der Wiener Politik stand die ganze Miliz der Jesuiten zu Gebote, desgleichen die ultramontane Geistlichkeit, und in Süddeutschland gab es im Staats- und Hofdienste kaum einen Mann von Bedeutung, der nicht Angehörige im österreichischen Heere oder Beamtentume gehabt hätte und auf diesem Wege zu gewinnen und zu beein¬ flussen gewesen wäre. Dazu kamen die Furcht vor preußischen Eroberungen, die durch die geographische Lage Preußens genährt wurde, und die Erinnerung an die Uuionspvlitik von 1849 den Bemühungen Österreichs auf halbem Wege entgegen und machten ihm jeden Erfolg leicht. Die Bundesregierungen wußten endlich aus Erfahrung, daß Wien seine Forderungen niemals fallen ließ, seine hervorragendste Eigenschaft war Zähigkeit, und so betrachteten sie es als ganz natürlich, daß Preußen, wenn zwischen ihm und Österreich Meinungsverschieden¬ heiten entständen, durch buudesfreundliche Nachgiebigkeit die Eintracht her¬ stellen müsse. Indem so der überwiegende Einfluß Österreichs auf die Haltung der meisten deutschen Regierungen bei Bundesbeschlüssen gesichert war, kam es nur noch

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/68>, abgerufen am 23.07.2024.