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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Die Franzosen am Kongo und in Madagaskar.

er habe für die Franzosen gewisse Rechte erworben, welche, wenn man ihnen
nicht entgegentritt, wahrscheinlich Verwirrung und Zusammenstöße zur Folge
haben werden, wo das NichtVorhandensein eines um sich greifenden Wesens
sicher wohlthätige Ruhe und dauernden Frieden geschaffen hätte." An einer
andern Stelle sagt das Blatt: "Nicht alle Folgen dieses gewagten Schrittes
lassen sich voraussehen. Aber es liegt auf der Hand, daß der französische Ehr¬
geiz die besten Aussichten ans eine friedliche Entwicklung des Kongothales be¬
droht. Die bloße Thatsache, daß eine Regierung in aller Form auf die Bühne
getreten ist, deutet auf Konflikte hin, die vielleicht nicht immer diplomatischer
Natur sein werden. Die britische Regierung unterhandelt bereits mit Portugal
auf der Grundlage seiner alten Ansprüche auf Gebiet zu beiden Seiten des
Flusses. Noch ist keine Entscheidung erreicht, aber es ist im Unterhause erklärt
worden, es werde dafür gesorgt werden, daß die Portugiesen, falls ihr Anspruch
zugestanden werden sollte, unsern Handel nicht stören dürften.*) Jetzt erscheint
eine andre Regierung am Kongo, setzt sich über beide Ufer seines Laufes und
vernichtet mir nichts dir nichts die Unabhängigkeit der Bevölkerung an der
Küste. In unsern Fabrikdistrikten giebt sich beträchtliche Eifersucht bezüglich
des portugiesischen Verlangens kund, und wenn Brights Motion durchginge,
würde das Kabinet sich gehindert sehen, irgend einem Vertrage zuzustimmen,
welcher die Einverleibung von Gebiet durch eine europäische Macht scmktionirte...
Was die Internationale Gesellschaft betrifft, so ist zu bemerken, daß Stanley,
dem französischen Agenten zuvorkommend, an den Kongo zurückgekehrt ist, und
daß er nicht zu den Leuten gehört, die sich schüchtern und demütig An¬
maßungen, welche unter der Decke spielen, unterwerfen." Die Handelskammer
von Manchester hat darauf hingewiesen, daß ein bedeutender Kapitalbetrag jetzt in
dem Handel auf den verschiedenen Flüssen der afrikanischen Westküste angelegt sei,
und daß die Industrie ihres Bezirks ein erhebliches Interesse an seinem Gedeihen
habe. Sie hat darauf aufmerksam gemacht, wie die Franzosen den Niger von
seiner Mündung bis nach Timbuktu hinauf monopolisirt haben, und bezieht sich
schließlich auf den Brazzascheu Vertrag, der Frankreichs Kolonien zu vermehren
bestimmt ist. "Alle diese Dinge, meint der lölöZraxli, beschränken einen Handel,
der bisher frei war, und halten die vielversprechende Entwicklung dieses Teiles
der Welt zur Gesittung auf. Was den großen Kongo betrifft, so gab ihn
Stanley der ganzen Menschheit, und die Zivilisation swirklich nur die?^ verlangt,
daß er nicht der Habgier und Streitsucht als Beute überantwortet werde."

Ähnlich wie zu der Kongvfrage verhält sich begreiflicherweise die öffentliche
Meinung in England zu dem Vorgehen der Franzosen gegen Madagaskar. Der
Angriff aus die Insel hat begonnen. Die Stadt Tamatave, ein Hafenplatz der



*) Nach den neuesten Nachrichten wird Portugal eine Flottille nach dem Kongo abgehen
lassen, und England soll dies begünstigen wollen.
Die Franzosen am Kongo und in Madagaskar.

er habe für die Franzosen gewisse Rechte erworben, welche, wenn man ihnen
nicht entgegentritt, wahrscheinlich Verwirrung und Zusammenstöße zur Folge
haben werden, wo das NichtVorhandensein eines um sich greifenden Wesens
sicher wohlthätige Ruhe und dauernden Frieden geschaffen hätte." An einer
andern Stelle sagt das Blatt: „Nicht alle Folgen dieses gewagten Schrittes
lassen sich voraussehen. Aber es liegt auf der Hand, daß der französische Ehr¬
geiz die besten Aussichten ans eine friedliche Entwicklung des Kongothales be¬
droht. Die bloße Thatsache, daß eine Regierung in aller Form auf die Bühne
getreten ist, deutet auf Konflikte hin, die vielleicht nicht immer diplomatischer
Natur sein werden. Die britische Regierung unterhandelt bereits mit Portugal
auf der Grundlage seiner alten Ansprüche auf Gebiet zu beiden Seiten des
Flusses. Noch ist keine Entscheidung erreicht, aber es ist im Unterhause erklärt
worden, es werde dafür gesorgt werden, daß die Portugiesen, falls ihr Anspruch
zugestanden werden sollte, unsern Handel nicht stören dürften.*) Jetzt erscheint
eine andre Regierung am Kongo, setzt sich über beide Ufer seines Laufes und
vernichtet mir nichts dir nichts die Unabhängigkeit der Bevölkerung an der
Küste. In unsern Fabrikdistrikten giebt sich beträchtliche Eifersucht bezüglich
des portugiesischen Verlangens kund, und wenn Brights Motion durchginge,
würde das Kabinet sich gehindert sehen, irgend einem Vertrage zuzustimmen,
welcher die Einverleibung von Gebiet durch eine europäische Macht scmktionirte...
Was die Internationale Gesellschaft betrifft, so ist zu bemerken, daß Stanley,
dem französischen Agenten zuvorkommend, an den Kongo zurückgekehrt ist, und
daß er nicht zu den Leuten gehört, die sich schüchtern und demütig An¬
maßungen, welche unter der Decke spielen, unterwerfen." Die Handelskammer
von Manchester hat darauf hingewiesen, daß ein bedeutender Kapitalbetrag jetzt in
dem Handel auf den verschiedenen Flüssen der afrikanischen Westküste angelegt sei,
und daß die Industrie ihres Bezirks ein erhebliches Interesse an seinem Gedeihen
habe. Sie hat darauf aufmerksam gemacht, wie die Franzosen den Niger von
seiner Mündung bis nach Timbuktu hinauf monopolisirt haben, und bezieht sich
schließlich auf den Brazzascheu Vertrag, der Frankreichs Kolonien zu vermehren
bestimmt ist. „Alle diese Dinge, meint der lölöZraxli, beschränken einen Handel,
der bisher frei war, und halten die vielversprechende Entwicklung dieses Teiles
der Welt zur Gesittung auf. Was den großen Kongo betrifft, so gab ihn
Stanley der ganzen Menschheit, und die Zivilisation swirklich nur die?^ verlangt,
daß er nicht der Habgier und Streitsucht als Beute überantwortet werde."

Ähnlich wie zu der Kongvfrage verhält sich begreiflicherweise die öffentliche
Meinung in England zu dem Vorgehen der Franzosen gegen Madagaskar. Der
Angriff aus die Insel hat begonnen. Die Stadt Tamatave, ein Hafenplatz der



*) Nach den neuesten Nachrichten wird Portugal eine Flottille nach dem Kongo abgehen
lassen, und England soll dies begünstigen wollen.
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[0670] Die Franzosen am Kongo und in Madagaskar. er habe für die Franzosen gewisse Rechte erworben, welche, wenn man ihnen nicht entgegentritt, wahrscheinlich Verwirrung und Zusammenstöße zur Folge haben werden, wo das NichtVorhandensein eines um sich greifenden Wesens sicher wohlthätige Ruhe und dauernden Frieden geschaffen hätte." An einer andern Stelle sagt das Blatt: „Nicht alle Folgen dieses gewagten Schrittes lassen sich voraussehen. Aber es liegt auf der Hand, daß der französische Ehr¬ geiz die besten Aussichten ans eine friedliche Entwicklung des Kongothales be¬ droht. Die bloße Thatsache, daß eine Regierung in aller Form auf die Bühne getreten ist, deutet auf Konflikte hin, die vielleicht nicht immer diplomatischer Natur sein werden. Die britische Regierung unterhandelt bereits mit Portugal auf der Grundlage seiner alten Ansprüche auf Gebiet zu beiden Seiten des Flusses. Noch ist keine Entscheidung erreicht, aber es ist im Unterhause erklärt worden, es werde dafür gesorgt werden, daß die Portugiesen, falls ihr Anspruch zugestanden werden sollte, unsern Handel nicht stören dürften.*) Jetzt erscheint eine andre Regierung am Kongo, setzt sich über beide Ufer seines Laufes und vernichtet mir nichts dir nichts die Unabhängigkeit der Bevölkerung an der Küste. In unsern Fabrikdistrikten giebt sich beträchtliche Eifersucht bezüglich des portugiesischen Verlangens kund, und wenn Brights Motion durchginge, würde das Kabinet sich gehindert sehen, irgend einem Vertrage zuzustimmen, welcher die Einverleibung von Gebiet durch eine europäische Macht scmktionirte... Was die Internationale Gesellschaft betrifft, so ist zu bemerken, daß Stanley, dem französischen Agenten zuvorkommend, an den Kongo zurückgekehrt ist, und daß er nicht zu den Leuten gehört, die sich schüchtern und demütig An¬ maßungen, welche unter der Decke spielen, unterwerfen." Die Handelskammer von Manchester hat darauf hingewiesen, daß ein bedeutender Kapitalbetrag jetzt in dem Handel auf den verschiedenen Flüssen der afrikanischen Westküste angelegt sei, und daß die Industrie ihres Bezirks ein erhebliches Interesse an seinem Gedeihen habe. Sie hat darauf aufmerksam gemacht, wie die Franzosen den Niger von seiner Mündung bis nach Timbuktu hinauf monopolisirt haben, und bezieht sich schließlich auf den Brazzascheu Vertrag, der Frankreichs Kolonien zu vermehren bestimmt ist. „Alle diese Dinge, meint der lölöZraxli, beschränken einen Handel, der bisher frei war, und halten die vielversprechende Entwicklung dieses Teiles der Welt zur Gesittung auf. Was den großen Kongo betrifft, so gab ihn Stanley der ganzen Menschheit, und die Zivilisation swirklich nur die?^ verlangt, daß er nicht der Habgier und Streitsucht als Beute überantwortet werde." Ähnlich wie zu der Kongvfrage verhält sich begreiflicherweise die öffentliche Meinung in England zu dem Vorgehen der Franzosen gegen Madagaskar. Der Angriff aus die Insel hat begonnen. Die Stadt Tamatave, ein Hafenplatz der *) Nach den neuesten Nachrichten wird Portugal eine Flottille nach dem Kongo abgehen lassen, und England soll dies begünstigen wollen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/670>, abgerufen am 23.07.2024.