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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Die Franzosen am Kongo und in Madagaskar.

der großen schiffbaren Flußstrecke im Innern, endigte. Die Schwierigkeiten, mit
denen er dabei zu kämpfen hatte, waren außerordentlich groß. Das Terrain
hemmte den Fortschritt der Arbeiten durch dichten Urwald und Felsschluchten;
Proviant und Futter für die Lasttiere waren an Ort und Stelle nicht zu haben
und mußten deshalb nachgeschafft werden, infolge des Klimas erkrankten und
starben viele von den Arbeitern. Die Eingebornen weigerten sich anfangs,
Dienste zu leisten, und später zeigten sie sich nur gegen hohen Lohn dazu be¬
reit, sodaß sich Stanley genötigt sah, von Zanzibar Leute kommen zu lassen.
Aber der energische Mann verzagte nicht, und seine Beharrlichkeit wurde mit
Erfolg belohnt. Bald standen ihm vier Dampfer zur Verfügung, zwei für die
Strecke von der Mündung bis zur Station Vivi, und zwei für den mittlern
und obern Lauf des Kongo. Nachdem er das Dampfboot avM glücklich
bis zum Stanley-Pook gebracht hatte, gründete er achtzehn Meilen davon ent¬
fernt, an der Mündung des Jbari Nkutu, eine dritte Station. Dann kehrte
er für einige Monate nach Europa zurück, um dem Könige der Belgier über
seine Thätigkeit Bericht zu erstatten, und während seiner Abwesenheit übernahm
der deutsche Reisende Peschuel-Lösche den Befehl über die in Afrika zurückge¬
bliebenen Beamten und Arbeiter der Expedition.

Nachdem also Stanley der Welt die große Wasserstraße nach dem Herzen
Afrikas gezeigt, errichtete die Internationale Gesellschaft, deren energischster Agent
er war, unter seiner Leitung am Kongo verschiedne Posten zu dem Zwecke, von da
aus Handel zu treiben und dem Einflüsse von Religion und Gesittung Bahn
zu brechen. Es schien eine Zeit lang nichts weniger als unmöglich, daß der
Kaufmann und der Missionär der Zivilisation und dem Verkehr das weite
Land noch einmal auf friedlichem Wege eroberten. Keine Macht dachte an
Annexion desselben, jede, die in der Gesellschaft vertreten war, begnügte sich mit
der Absicht, es durch Anlegung von Straßen und Aufstellung von Dampfbooten
zugänglich zu machen, die Bevölkerung von Kriegszügen, Raub und Sklaven¬
jagden abzulenken und sie allmählich an die oder jene Industrie zu gewöhnen,
welche einen vorteilhaften Austausch von Landeserzeugnissen gegen europäische
Fabrikwaaren zu sichern geeignet war. Es war die beste Aussicht, daß dieses
Verfahren der Internationalen Gesellschaft das Kongothal oder wenigstens einen
großen Teil desselben ohne irgendwelche Gewaltmaßregeln für den Handelsver¬
kehr gewann und humanen Einflüssen öffnete. Bis in weite Entfernung von
der Küste waren bereits Brücken und Wege angelegt, gingen Lasttiere, Wagen
und Dampfer, und die Bevölkerung, die anfangs mißtrauisch gewesen war und
bisweilen das Treiben der weißen Männer zu hindern gesucht hatte, begann sich
zu fügen und den Fremden sogar Beistand bei ihrer Arbeit zu leisten. Es war
vorauszusagen, daß bei Fortdauer dieser Verhältnisse im Laufe von zehn bis
zwanzig Jahren eine Kette kommerzieller Ansiedlungen, Depots, Faktoreien und
Märkte sich von dem Ausflusse des Kongo bis nach Nordosten hinauf und


Die Franzosen am Kongo und in Madagaskar.

der großen schiffbaren Flußstrecke im Innern, endigte. Die Schwierigkeiten, mit
denen er dabei zu kämpfen hatte, waren außerordentlich groß. Das Terrain
hemmte den Fortschritt der Arbeiten durch dichten Urwald und Felsschluchten;
Proviant und Futter für die Lasttiere waren an Ort und Stelle nicht zu haben
und mußten deshalb nachgeschafft werden, infolge des Klimas erkrankten und
starben viele von den Arbeitern. Die Eingebornen weigerten sich anfangs,
Dienste zu leisten, und später zeigten sie sich nur gegen hohen Lohn dazu be¬
reit, sodaß sich Stanley genötigt sah, von Zanzibar Leute kommen zu lassen.
Aber der energische Mann verzagte nicht, und seine Beharrlichkeit wurde mit
Erfolg belohnt. Bald standen ihm vier Dampfer zur Verfügung, zwei für die
Strecke von der Mündung bis zur Station Vivi, und zwei für den mittlern
und obern Lauf des Kongo. Nachdem er das Dampfboot avM glücklich
bis zum Stanley-Pook gebracht hatte, gründete er achtzehn Meilen davon ent¬
fernt, an der Mündung des Jbari Nkutu, eine dritte Station. Dann kehrte
er für einige Monate nach Europa zurück, um dem Könige der Belgier über
seine Thätigkeit Bericht zu erstatten, und während seiner Abwesenheit übernahm
der deutsche Reisende Peschuel-Lösche den Befehl über die in Afrika zurückge¬
bliebenen Beamten und Arbeiter der Expedition.

Nachdem also Stanley der Welt die große Wasserstraße nach dem Herzen
Afrikas gezeigt, errichtete die Internationale Gesellschaft, deren energischster Agent
er war, unter seiner Leitung am Kongo verschiedne Posten zu dem Zwecke, von da
aus Handel zu treiben und dem Einflüsse von Religion und Gesittung Bahn
zu brechen. Es schien eine Zeit lang nichts weniger als unmöglich, daß der
Kaufmann und der Missionär der Zivilisation und dem Verkehr das weite
Land noch einmal auf friedlichem Wege eroberten. Keine Macht dachte an
Annexion desselben, jede, die in der Gesellschaft vertreten war, begnügte sich mit
der Absicht, es durch Anlegung von Straßen und Aufstellung von Dampfbooten
zugänglich zu machen, die Bevölkerung von Kriegszügen, Raub und Sklaven¬
jagden abzulenken und sie allmählich an die oder jene Industrie zu gewöhnen,
welche einen vorteilhaften Austausch von Landeserzeugnissen gegen europäische
Fabrikwaaren zu sichern geeignet war. Es war die beste Aussicht, daß dieses
Verfahren der Internationalen Gesellschaft das Kongothal oder wenigstens einen
großen Teil desselben ohne irgendwelche Gewaltmaßregeln für den Handelsver¬
kehr gewann und humanen Einflüssen öffnete. Bis in weite Entfernung von
der Küste waren bereits Brücken und Wege angelegt, gingen Lasttiere, Wagen
und Dampfer, und die Bevölkerung, die anfangs mißtrauisch gewesen war und
bisweilen das Treiben der weißen Männer zu hindern gesucht hatte, begann sich
zu fügen und den Fremden sogar Beistand bei ihrer Arbeit zu leisten. Es war
vorauszusagen, daß bei Fortdauer dieser Verhältnisse im Laufe von zehn bis
zwanzig Jahren eine Kette kommerzieller Ansiedlungen, Depots, Faktoreien und
Märkte sich von dem Ausflusse des Kongo bis nach Nordosten hinauf und


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[0667] Die Franzosen am Kongo und in Madagaskar. der großen schiffbaren Flußstrecke im Innern, endigte. Die Schwierigkeiten, mit denen er dabei zu kämpfen hatte, waren außerordentlich groß. Das Terrain hemmte den Fortschritt der Arbeiten durch dichten Urwald und Felsschluchten; Proviant und Futter für die Lasttiere waren an Ort und Stelle nicht zu haben und mußten deshalb nachgeschafft werden, infolge des Klimas erkrankten und starben viele von den Arbeitern. Die Eingebornen weigerten sich anfangs, Dienste zu leisten, und später zeigten sie sich nur gegen hohen Lohn dazu be¬ reit, sodaß sich Stanley genötigt sah, von Zanzibar Leute kommen zu lassen. Aber der energische Mann verzagte nicht, und seine Beharrlichkeit wurde mit Erfolg belohnt. Bald standen ihm vier Dampfer zur Verfügung, zwei für die Strecke von der Mündung bis zur Station Vivi, und zwei für den mittlern und obern Lauf des Kongo. Nachdem er das Dampfboot avM glücklich bis zum Stanley-Pook gebracht hatte, gründete er achtzehn Meilen davon ent¬ fernt, an der Mündung des Jbari Nkutu, eine dritte Station. Dann kehrte er für einige Monate nach Europa zurück, um dem Könige der Belgier über seine Thätigkeit Bericht zu erstatten, und während seiner Abwesenheit übernahm der deutsche Reisende Peschuel-Lösche den Befehl über die in Afrika zurückge¬ bliebenen Beamten und Arbeiter der Expedition. Nachdem also Stanley der Welt die große Wasserstraße nach dem Herzen Afrikas gezeigt, errichtete die Internationale Gesellschaft, deren energischster Agent er war, unter seiner Leitung am Kongo verschiedne Posten zu dem Zwecke, von da aus Handel zu treiben und dem Einflüsse von Religion und Gesittung Bahn zu brechen. Es schien eine Zeit lang nichts weniger als unmöglich, daß der Kaufmann und der Missionär der Zivilisation und dem Verkehr das weite Land noch einmal auf friedlichem Wege eroberten. Keine Macht dachte an Annexion desselben, jede, die in der Gesellschaft vertreten war, begnügte sich mit der Absicht, es durch Anlegung von Straßen und Aufstellung von Dampfbooten zugänglich zu machen, die Bevölkerung von Kriegszügen, Raub und Sklaven¬ jagden abzulenken und sie allmählich an die oder jene Industrie zu gewöhnen, welche einen vorteilhaften Austausch von Landeserzeugnissen gegen europäische Fabrikwaaren zu sichern geeignet war. Es war die beste Aussicht, daß dieses Verfahren der Internationalen Gesellschaft das Kongothal oder wenigstens einen großen Teil desselben ohne irgendwelche Gewaltmaßregeln für den Handelsver¬ kehr gewann und humanen Einflüssen öffnete. Bis in weite Entfernung von der Küste waren bereits Brücken und Wege angelegt, gingen Lasttiere, Wagen und Dampfer, und die Bevölkerung, die anfangs mißtrauisch gewesen war und bisweilen das Treiben der weißen Männer zu hindern gesucht hatte, begann sich zu fügen und den Fremden sogar Beistand bei ihrer Arbeit zu leisten. Es war vorauszusagen, daß bei Fortdauer dieser Verhältnisse im Laufe von zehn bis zwanzig Jahren eine Kette kommerzieller Ansiedlungen, Depots, Faktoreien und Märkte sich von dem Ausflusse des Kongo bis nach Nordosten hinauf und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/667>, abgerufen am 23.07.2024.