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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Die Franzosen am Uongo und in Madagaskar.

stellt er der Schifffahrt auf eine Entfernung von anderthalb Meilen unüber¬
windliche Schwierigkeiten in Gestalt von Klippen und Strudeln entgegen, die
auch künftig nicht zu beseitigen sein werden. Weiter aufwärts ist er mit flach¬
gehenden Dampfern zu jeder Jahreszeit zu befahren, und das gleiche gilt von
dem Netze von Strömen und Flüssen, die das Land zu beiden Seiten des Kongo
bewässern.

Dieses Land, am untern Laufe des Stromes zwischen den portugiesischen
Besitzungen Loango und Angola gelegen, hat in der Ebene einen äußerst frucht¬
baren Boden und reiche Schätze an Kupfer- und Eisenerzen. Es ist an der
Mündung des Flusses ungesund, wie fast alle Küstenstriche Westafrikas, im
Innern dagegen, namentlich in dem Hochlande der Montes Quemados, dessen
Gipfel die Höhe von tausend Metern erreichen, auch für Europäer zur Nieder¬
lassung wvhlgeeignet. Die Eingebornen sind Neger, wenig begabt, aber gut¬
mütig, ehrlich und nicht kriegerisch. Als das Land 1484 von dem Portugiesen
Diego Cas entdeckt und, wie damals üblich, für die Krone Portugal in Besitz
genommen wurde, bildete es ein Reich mit den sechs Provinzen Sonho, Bamba,
Batta, Pango, Sundi und Pemba, in deren letzter auf einem Berge die Haupt¬
stadt Ambassi lag. Der König (Tschenu) zeigte sich entgegenkommend, rasch
breitete sich das Christentum aus, und bald war von den katholische" Missio¬
nären die ganze Bevölkerung zu ihm bekehrt, natürlich wie in allen diesen Ge¬
genden nur äußerlich. Als in der Mitte des sechzehnten Jahrhunderts die
kriegerischen Stämme der Giagi in das Reich eingedrungen waren, wurden sie
mit Hilfe der Portugiesen wieder verjagt, aber als die Provinz Sonho (an der
Mündung des Kongo) zum Entgelt für diesen Beistand an Portugal abgetreten
werden sollte, kam es zu einem Bürgerkriege, der damit endete, daß die Pro¬
vinz vom Reiche sich losriß, welchem Beispiele zu Ende des siebzehnten Jahr¬
hunderts auch Bamba folgte. Zuletzt zerfiel das ganze in Stücke, die fortan
nur von kleinen Häuptlingen beherrscht wurden; die in San Salvador umge¬
taufte Hauptstadt Ambassi wurde eine Wüstenei, das Christentum verschwand
beinahe ganz, und die Bevölkerung versank in die alte Armut und Unwissenheit.

Versuche, das Gebiet sür europäische Kultur wiederzugewinnen, mißlangen,
bis Stanley nach seiner großen Entdeckungsreise durch den dunkeln Erdteil die
Sache in die Hand nahm. Im Auftrage und mit Unterstützung der 1876 ge¬
gründeten, unter dem Vorsitz des Königs der Belgier arbeitenden "Internatio¬
nalen Afrikanischen Gesellschaft" kehrte er im Jahre 1879 nach dem Kongo
zurück, um sein Zivilisationswerk zu beginnen. Zuerst errichtete er zu Banana
am Ausflusse des Stromes in das Meer eine Station für Maschinen, Werk¬
zeuge und Vorräte aller Art. Dann stellte er eine Dampferverbiudung von
Jsangila nach Madschcmga her und legte bei Vivi eine zweite Station an, von
der aus er auf dem rechten Ufer eine vier Meter breite Fahrstraße erbaute,
welche die Stromschnellen umging und beim Stanley-Pook, dem Anfangspunkte


Die Franzosen am Uongo und in Madagaskar.

stellt er der Schifffahrt auf eine Entfernung von anderthalb Meilen unüber¬
windliche Schwierigkeiten in Gestalt von Klippen und Strudeln entgegen, die
auch künftig nicht zu beseitigen sein werden. Weiter aufwärts ist er mit flach¬
gehenden Dampfern zu jeder Jahreszeit zu befahren, und das gleiche gilt von
dem Netze von Strömen und Flüssen, die das Land zu beiden Seiten des Kongo
bewässern.

Dieses Land, am untern Laufe des Stromes zwischen den portugiesischen
Besitzungen Loango und Angola gelegen, hat in der Ebene einen äußerst frucht¬
baren Boden und reiche Schätze an Kupfer- und Eisenerzen. Es ist an der
Mündung des Flusses ungesund, wie fast alle Küstenstriche Westafrikas, im
Innern dagegen, namentlich in dem Hochlande der Montes Quemados, dessen
Gipfel die Höhe von tausend Metern erreichen, auch für Europäer zur Nieder¬
lassung wvhlgeeignet. Die Eingebornen sind Neger, wenig begabt, aber gut¬
mütig, ehrlich und nicht kriegerisch. Als das Land 1484 von dem Portugiesen
Diego Cas entdeckt und, wie damals üblich, für die Krone Portugal in Besitz
genommen wurde, bildete es ein Reich mit den sechs Provinzen Sonho, Bamba,
Batta, Pango, Sundi und Pemba, in deren letzter auf einem Berge die Haupt¬
stadt Ambassi lag. Der König (Tschenu) zeigte sich entgegenkommend, rasch
breitete sich das Christentum aus, und bald war von den katholische» Missio¬
nären die ganze Bevölkerung zu ihm bekehrt, natürlich wie in allen diesen Ge¬
genden nur äußerlich. Als in der Mitte des sechzehnten Jahrhunderts die
kriegerischen Stämme der Giagi in das Reich eingedrungen waren, wurden sie
mit Hilfe der Portugiesen wieder verjagt, aber als die Provinz Sonho (an der
Mündung des Kongo) zum Entgelt für diesen Beistand an Portugal abgetreten
werden sollte, kam es zu einem Bürgerkriege, der damit endete, daß die Pro¬
vinz vom Reiche sich losriß, welchem Beispiele zu Ende des siebzehnten Jahr¬
hunderts auch Bamba folgte. Zuletzt zerfiel das ganze in Stücke, die fortan
nur von kleinen Häuptlingen beherrscht wurden; die in San Salvador umge¬
taufte Hauptstadt Ambassi wurde eine Wüstenei, das Christentum verschwand
beinahe ganz, und die Bevölkerung versank in die alte Armut und Unwissenheit.

Versuche, das Gebiet sür europäische Kultur wiederzugewinnen, mißlangen,
bis Stanley nach seiner großen Entdeckungsreise durch den dunkeln Erdteil die
Sache in die Hand nahm. Im Auftrage und mit Unterstützung der 1876 ge¬
gründeten, unter dem Vorsitz des Königs der Belgier arbeitenden „Internatio¬
nalen Afrikanischen Gesellschaft" kehrte er im Jahre 1879 nach dem Kongo
zurück, um sein Zivilisationswerk zu beginnen. Zuerst errichtete er zu Banana
am Ausflusse des Stromes in das Meer eine Station für Maschinen, Werk¬
zeuge und Vorräte aller Art. Dann stellte er eine Dampferverbiudung von
Jsangila nach Madschcmga her und legte bei Vivi eine zweite Station an, von
der aus er auf dem rechten Ufer eine vier Meter breite Fahrstraße erbaute,
welche die Stromschnellen umging und beim Stanley-Pook, dem Anfangspunkte


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[0666] Die Franzosen am Uongo und in Madagaskar. stellt er der Schifffahrt auf eine Entfernung von anderthalb Meilen unüber¬ windliche Schwierigkeiten in Gestalt von Klippen und Strudeln entgegen, die auch künftig nicht zu beseitigen sein werden. Weiter aufwärts ist er mit flach¬ gehenden Dampfern zu jeder Jahreszeit zu befahren, und das gleiche gilt von dem Netze von Strömen und Flüssen, die das Land zu beiden Seiten des Kongo bewässern. Dieses Land, am untern Laufe des Stromes zwischen den portugiesischen Besitzungen Loango und Angola gelegen, hat in der Ebene einen äußerst frucht¬ baren Boden und reiche Schätze an Kupfer- und Eisenerzen. Es ist an der Mündung des Flusses ungesund, wie fast alle Küstenstriche Westafrikas, im Innern dagegen, namentlich in dem Hochlande der Montes Quemados, dessen Gipfel die Höhe von tausend Metern erreichen, auch für Europäer zur Nieder¬ lassung wvhlgeeignet. Die Eingebornen sind Neger, wenig begabt, aber gut¬ mütig, ehrlich und nicht kriegerisch. Als das Land 1484 von dem Portugiesen Diego Cas entdeckt und, wie damals üblich, für die Krone Portugal in Besitz genommen wurde, bildete es ein Reich mit den sechs Provinzen Sonho, Bamba, Batta, Pango, Sundi und Pemba, in deren letzter auf einem Berge die Haupt¬ stadt Ambassi lag. Der König (Tschenu) zeigte sich entgegenkommend, rasch breitete sich das Christentum aus, und bald war von den katholische» Missio¬ nären die ganze Bevölkerung zu ihm bekehrt, natürlich wie in allen diesen Ge¬ genden nur äußerlich. Als in der Mitte des sechzehnten Jahrhunderts die kriegerischen Stämme der Giagi in das Reich eingedrungen waren, wurden sie mit Hilfe der Portugiesen wieder verjagt, aber als die Provinz Sonho (an der Mündung des Kongo) zum Entgelt für diesen Beistand an Portugal abgetreten werden sollte, kam es zu einem Bürgerkriege, der damit endete, daß die Pro¬ vinz vom Reiche sich losriß, welchem Beispiele zu Ende des siebzehnten Jahr¬ hunderts auch Bamba folgte. Zuletzt zerfiel das ganze in Stücke, die fortan nur von kleinen Häuptlingen beherrscht wurden; die in San Salvador umge¬ taufte Hauptstadt Ambassi wurde eine Wüstenei, das Christentum verschwand beinahe ganz, und die Bevölkerung versank in die alte Armut und Unwissenheit. Versuche, das Gebiet sür europäische Kultur wiederzugewinnen, mißlangen, bis Stanley nach seiner großen Entdeckungsreise durch den dunkeln Erdteil die Sache in die Hand nahm. Im Auftrage und mit Unterstützung der 1876 ge¬ gründeten, unter dem Vorsitz des Königs der Belgier arbeitenden „Internatio¬ nalen Afrikanischen Gesellschaft" kehrte er im Jahre 1879 nach dem Kongo zurück, um sein Zivilisationswerk zu beginnen. Zuerst errichtete er zu Banana am Ausflusse des Stromes in das Meer eine Station für Maschinen, Werk¬ zeuge und Vorräte aller Art. Dann stellte er eine Dampferverbiudung von Jsangila nach Madschcmga her und legte bei Vivi eine zweite Station an, von der aus er auf dem rechten Ufer eine vier Meter breite Fahrstraße erbaute, welche die Stromschnellen umging und beim Stanley-Pook, dem Anfangspunkte

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/666>, abgerufen am 23.07.2024.