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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Aus Rubens' Lehrjahren.

tua den Maler einmal überrascht haben soll, als er mit lauter Stimme latei¬
nische Verse aus der Aeneide zitirte.

Wir wissen aus jener Biographie des Philipp Rubens, daß Maria
Pypelinckx, die Mutter unsers Petrus Paulus, nach dem Tode ihres Mannes
im Jahre 1587 von Köln nach Antwerpen zurückkehrte. Wir wissen ferner aus
dem Testamente der braven Frau, daß ihr Sohn 1590 in den Dienst der Frau
von Ligne, der Witwe des Grafen Philipp von Lalaing. trat und daselbst "ein
Weilchen (s-lMMtuIuin tgmxus) unter den Pagen diente____ Aber bald des
höfischen Lebens überdrüssig geworden und von seinem Genius zum Studium
der Malerei getrieben, setzte er es bei seiner Mutter durch, zumal die Mittel
seiner Eltern durch die Kriege schon zusammengeschmolzen waren, daß er dem
Antwerpener Maler Adam van Noort in die Lehre gegeben wurde. Unter diesem
Meister legte er neun Jahre lang die ersten Gründe zu seiner Kunst,
und zwar mit solchem Erfolg, daß er von der Natur selbst dazu geschaffen zu
sein schien. Darauf brachte er fast vier weitere Jahre in der Lehre des
Otto Vaenius, zu jener Zeit dem ersten unter den belgischen Malern, zu." Nimmt
man an, daß Rubens sich Ende 1590 oder Anfangs 1591 für die Kunst erklärte,
so kommen wir zu dem Schluß, daß er im Jahre 1593 seine Lehrzeit beendet
haben muß, und damit stimmt vollkommen die urkundlich bezeugte Thatsache,
daß Rubens im Jahre 1598 unter dem Dekanate des Adam van Noort in die
Antwerpener Lukasgilde aufgenommen wurde, ksstsr Ruvvöns, viiMööstsr
soilÄsr lautet der betreffende Vermerk in den Liggeren.

, Bei einem so harmonischen Zusammenschluß der Thatsachen mit der Über¬
lieferung der Biographie ist ein Versuch, an der alten Legende festzuhalten,
nach welcher Rubens drei Lehrer gehabt hätte, schwer mehr zu begründen.
Als der erste derselben wird nämlich der Landschaftsmaler Tobias Verhaecht
oder, wie der Name in den Urkunden lautet, Van Haecht genannt. Diese An¬
nahme stützt sich nur auf eine nicht ganz einwurfsfreie Unterschrift unter Ver-
haechts Porträt. Unter dem von Otto van Veer gezeichneten Bildnisse Ver-
haechts steht als dessen Geburtsjahr 1566, während aus seinen eignen urkundlich
niedergelegten Angaben hervorgeht, daß er 1561 geboren ist. Warum sollte
auch jene Unterschrift nicht irrig sein? 1590 erst wurde er Meister, wodurch
er das Recht erhielt, Lehrlinge aufzunehmen, und wie die Liggeren beweisen,
ließ er auch viele Lehrlinge einschreiben, und unter diesen befindet sich der Name
des Rubens nicht. Eben erst Meister geworden, wird er schwerlich schon ein
solches Renommee besessen haben, daß Rubens zu ihm in die Lehre trat. Van
den Brander, der gelehrte Verfasser der Sösoliikäöiiis ^.nwörpsokk Zouiläsr-
sodool (Antwerpen, I. E. Buschmann, 1878 ff.), der glückliche Quellenforscher
und Quclleufinder, hat den Versuch gemacht, die schwache Überlieferung durch
neue Gründe zu stützen. Er hat die Thatsache ausfindig gemacht, daß Ver¬
haecht mit einer Enkeltochter von Rubens' Stiefgroßvater vermählt war, und


Aus Rubens' Lehrjahren.

tua den Maler einmal überrascht haben soll, als er mit lauter Stimme latei¬
nische Verse aus der Aeneide zitirte.

Wir wissen aus jener Biographie des Philipp Rubens, daß Maria
Pypelinckx, die Mutter unsers Petrus Paulus, nach dem Tode ihres Mannes
im Jahre 1587 von Köln nach Antwerpen zurückkehrte. Wir wissen ferner aus
dem Testamente der braven Frau, daß ihr Sohn 1590 in den Dienst der Frau
von Ligne, der Witwe des Grafen Philipp von Lalaing. trat und daselbst „ein
Weilchen (s-lMMtuIuin tgmxus) unter den Pagen diente____ Aber bald des
höfischen Lebens überdrüssig geworden und von seinem Genius zum Studium
der Malerei getrieben, setzte er es bei seiner Mutter durch, zumal die Mittel
seiner Eltern durch die Kriege schon zusammengeschmolzen waren, daß er dem
Antwerpener Maler Adam van Noort in die Lehre gegeben wurde. Unter diesem
Meister legte er neun Jahre lang die ersten Gründe zu seiner Kunst,
und zwar mit solchem Erfolg, daß er von der Natur selbst dazu geschaffen zu
sein schien. Darauf brachte er fast vier weitere Jahre in der Lehre des
Otto Vaenius, zu jener Zeit dem ersten unter den belgischen Malern, zu." Nimmt
man an, daß Rubens sich Ende 1590 oder Anfangs 1591 für die Kunst erklärte,
so kommen wir zu dem Schluß, daß er im Jahre 1593 seine Lehrzeit beendet
haben muß, und damit stimmt vollkommen die urkundlich bezeugte Thatsache,
daß Rubens im Jahre 1598 unter dem Dekanate des Adam van Noort in die
Antwerpener Lukasgilde aufgenommen wurde, ksstsr Ruvvöns, viiMööstsr
soilÄsr lautet der betreffende Vermerk in den Liggeren.

, Bei einem so harmonischen Zusammenschluß der Thatsachen mit der Über¬
lieferung der Biographie ist ein Versuch, an der alten Legende festzuhalten,
nach welcher Rubens drei Lehrer gehabt hätte, schwer mehr zu begründen.
Als der erste derselben wird nämlich der Landschaftsmaler Tobias Verhaecht
oder, wie der Name in den Urkunden lautet, Van Haecht genannt. Diese An¬
nahme stützt sich nur auf eine nicht ganz einwurfsfreie Unterschrift unter Ver-
haechts Porträt. Unter dem von Otto van Veer gezeichneten Bildnisse Ver-
haechts steht als dessen Geburtsjahr 1566, während aus seinen eignen urkundlich
niedergelegten Angaben hervorgeht, daß er 1561 geboren ist. Warum sollte
auch jene Unterschrift nicht irrig sein? 1590 erst wurde er Meister, wodurch
er das Recht erhielt, Lehrlinge aufzunehmen, und wie die Liggeren beweisen,
ließ er auch viele Lehrlinge einschreiben, und unter diesen befindet sich der Name
des Rubens nicht. Eben erst Meister geworden, wird er schwerlich schon ein
solches Renommee besessen haben, daß Rubens zu ihm in die Lehre trat. Van
den Brander, der gelehrte Verfasser der Sösoliikäöiiis ^.nwörpsokk Zouiläsr-
sodool (Antwerpen, I. E. Buschmann, 1878 ff.), der glückliche Quellenforscher
und Quclleufinder, hat den Versuch gemacht, die schwache Überlieferung durch
neue Gründe zu stützen. Er hat die Thatsache ausfindig gemacht, daß Ver¬
haecht mit einer Enkeltochter von Rubens' Stiefgroßvater vermählt war, und


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[0645] Aus Rubens' Lehrjahren. tua den Maler einmal überrascht haben soll, als er mit lauter Stimme latei¬ nische Verse aus der Aeneide zitirte. Wir wissen aus jener Biographie des Philipp Rubens, daß Maria Pypelinckx, die Mutter unsers Petrus Paulus, nach dem Tode ihres Mannes im Jahre 1587 von Köln nach Antwerpen zurückkehrte. Wir wissen ferner aus dem Testamente der braven Frau, daß ihr Sohn 1590 in den Dienst der Frau von Ligne, der Witwe des Grafen Philipp von Lalaing. trat und daselbst „ein Weilchen (s-lMMtuIuin tgmxus) unter den Pagen diente____ Aber bald des höfischen Lebens überdrüssig geworden und von seinem Genius zum Studium der Malerei getrieben, setzte er es bei seiner Mutter durch, zumal die Mittel seiner Eltern durch die Kriege schon zusammengeschmolzen waren, daß er dem Antwerpener Maler Adam van Noort in die Lehre gegeben wurde. Unter diesem Meister legte er neun Jahre lang die ersten Gründe zu seiner Kunst, und zwar mit solchem Erfolg, daß er von der Natur selbst dazu geschaffen zu sein schien. Darauf brachte er fast vier weitere Jahre in der Lehre des Otto Vaenius, zu jener Zeit dem ersten unter den belgischen Malern, zu." Nimmt man an, daß Rubens sich Ende 1590 oder Anfangs 1591 für die Kunst erklärte, so kommen wir zu dem Schluß, daß er im Jahre 1593 seine Lehrzeit beendet haben muß, und damit stimmt vollkommen die urkundlich bezeugte Thatsache, daß Rubens im Jahre 1598 unter dem Dekanate des Adam van Noort in die Antwerpener Lukasgilde aufgenommen wurde, ksstsr Ruvvöns, viiMööstsr soilÄsr lautet der betreffende Vermerk in den Liggeren. , Bei einem so harmonischen Zusammenschluß der Thatsachen mit der Über¬ lieferung der Biographie ist ein Versuch, an der alten Legende festzuhalten, nach welcher Rubens drei Lehrer gehabt hätte, schwer mehr zu begründen. Als der erste derselben wird nämlich der Landschaftsmaler Tobias Verhaecht oder, wie der Name in den Urkunden lautet, Van Haecht genannt. Diese An¬ nahme stützt sich nur auf eine nicht ganz einwurfsfreie Unterschrift unter Ver- haechts Porträt. Unter dem von Otto van Veer gezeichneten Bildnisse Ver- haechts steht als dessen Geburtsjahr 1566, während aus seinen eignen urkundlich niedergelegten Angaben hervorgeht, daß er 1561 geboren ist. Warum sollte auch jene Unterschrift nicht irrig sein? 1590 erst wurde er Meister, wodurch er das Recht erhielt, Lehrlinge aufzunehmen, und wie die Liggeren beweisen, ließ er auch viele Lehrlinge einschreiben, und unter diesen befindet sich der Name des Rubens nicht. Eben erst Meister geworden, wird er schwerlich schon ein solches Renommee besessen haben, daß Rubens zu ihm in die Lehre trat. Van den Brander, der gelehrte Verfasser der Sösoliikäöiiis ^.nwörpsokk Zouiläsr- sodool (Antwerpen, I. E. Buschmann, 1878 ff.), der glückliche Quellenforscher und Quclleufinder, hat den Versuch gemacht, die schwache Überlieferung durch neue Gründe zu stützen. Er hat die Thatsache ausfindig gemacht, daß Ver¬ haecht mit einer Enkeltochter von Rubens' Stiefgroßvater vermählt war, und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/645>, abgerufen am 23.07.2024.