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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Lin französischer Kriegsminister.

niedrige auf den Wortbruch. Die überwiegende Mehrzahl der gefangenen Offi¬
ziere ist nun zwar ihrem Worte treu geblieben, ein nicht geringer Prozentsatz
aber hat sich dem korrumpirenden Versprechen zugänglich erwiesen, und nach Buschs
bekanntem Buche "Graf Bismarck und seine Leute" sind im Moniteur von
Versailles Anfang Februar 1871 außer den Namen der drei bekannten Generale
142 Namen von wortbrüchigen Offizieren veröffentlicht worden, unter denen sich
Oberst Thibaudin, zwei Oberstleutnants, drei Bataillonschefs und dreißig Ka¬
pitäne befanden.

Oberst Thibaudin fügte zur Verschleierung der Thatsache seinem Namen
denjenigen seiner Mutter, Comagny, hinzu, und wir begegnen ihm unter diesem
Doppelnamen als Führer einer Division und später als kommandirenden Offizier
des 24. Armeekorps, mit welchem er auch auf den Boden der Schweiz übertrat.
Die Untersuchungskommission über alle aus deutscher Gefangenschaft entwichenen
Offiziere, in deren Schoße manche Menschlichkeiten vorgekommen sein mögen,
soll dem (ZMlois zufolge die Frage: I^s volonel ?b.idMäin s'est, it Ms as.ii8 1s
<zg,s ä'ßtrs rötorwö xg,r taut" vordre, l'Koimsur? allerdings verneint haben, aber
nicht weil die Thatsache des Wortbruches bestritten werden konnte, sondern weil
man den thatkräftigen und befähigten Offizier trotz dieses schweren Vergehens
-och für würdig hielt, dem Vaterlande an hervorragender Stelle weiter zu dienen.
Diese Entscheidung scheint indeß in den Reihen der Armee Befremden und Ent¬
rüstung hervorgerufen zu haben, wenigstens hat nach den Notizen französischer
Blätter der neue Kommandeur des 32. Linienregiments nur unter großen Schwierig¬
keiten sich seine Stellung innerhalb des Offizierkorps erkämpfen können, und drei
Jahre lang ist er trotz hervorragender kriegerischer Befähigung von der Beförderung
zum General zurückgestellt worden, hat erst 1877 das Kommando einer Brigade
erhalten und ist 1882 zum Divisionsgeneral aufgerückt.

Die Regierung bedürfte neuerdings zur Durchführung ihrer Absichten einen
Mann mit eiserner Stirn, und General Thibaudin, welcher 1370 in dieser
schätzenswerten Eigenschaft einiges geleistet zu haben scheint, verfügte denn auch
sofort nach Übernahme des Ministerportefeuilles das, was andre Generale sich
geweigert hatten zu thun, die Entfernung der Prinzen von Orleans aus ihren
Dienstleistungen "zur Aufrechterhaltung der Disziplin."

Nie ist dieses Wort in gröberer Weise gemißbraucht worden als durch
den wortbrüchigen Offizier, da schon allein die Thatsache, daß er die höchste
Stellung in der französischen Armee einnimmt, die schwerste Schädigung von
Disziplin, Unterordnung und dem bisherigen Gefühl unantastbarer Ehre in sich
schließt. Zwar hat der Minister Thibaudin in gewundener Erklärung, deren
mangelhafte Beweisgründe durch die Übertragung in die deutsche Sprache noch
abgeschwächt und verflacht werden, den Bruch des Ehrenwortes zu bestreiten
versucht; doch wird er wohl dem unterschriebenen Revers gegenüber verstummen,
welcher im Original unzweifelhaft noch erhalten ist und der "Post" zufolge den


Lin französischer Kriegsminister.

niedrige auf den Wortbruch. Die überwiegende Mehrzahl der gefangenen Offi¬
ziere ist nun zwar ihrem Worte treu geblieben, ein nicht geringer Prozentsatz
aber hat sich dem korrumpirenden Versprechen zugänglich erwiesen, und nach Buschs
bekanntem Buche „Graf Bismarck und seine Leute" sind im Moniteur von
Versailles Anfang Februar 1871 außer den Namen der drei bekannten Generale
142 Namen von wortbrüchigen Offizieren veröffentlicht worden, unter denen sich
Oberst Thibaudin, zwei Oberstleutnants, drei Bataillonschefs und dreißig Ka¬
pitäne befanden.

Oberst Thibaudin fügte zur Verschleierung der Thatsache seinem Namen
denjenigen seiner Mutter, Comagny, hinzu, und wir begegnen ihm unter diesem
Doppelnamen als Führer einer Division und später als kommandirenden Offizier
des 24. Armeekorps, mit welchem er auch auf den Boden der Schweiz übertrat.
Die Untersuchungskommission über alle aus deutscher Gefangenschaft entwichenen
Offiziere, in deren Schoße manche Menschlichkeiten vorgekommen sein mögen,
soll dem (ZMlois zufolge die Frage: I^s volonel ?b.idMäin s'est, it Ms as.ii8 1s
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nicht weil die Thatsache des Wortbruches bestritten werden konnte, sondern weil
man den thatkräftigen und befähigten Offizier trotz dieses schweren Vergehens
-och für würdig hielt, dem Vaterlande an hervorragender Stelle weiter zu dienen.
Diese Entscheidung scheint indeß in den Reihen der Armee Befremden und Ent¬
rüstung hervorgerufen zu haben, wenigstens hat nach den Notizen französischer
Blätter der neue Kommandeur des 32. Linienregiments nur unter großen Schwierig¬
keiten sich seine Stellung innerhalb des Offizierkorps erkämpfen können, und drei
Jahre lang ist er trotz hervorragender kriegerischer Befähigung von der Beförderung
zum General zurückgestellt worden, hat erst 1877 das Kommando einer Brigade
erhalten und ist 1882 zum Divisionsgeneral aufgerückt.

Die Regierung bedürfte neuerdings zur Durchführung ihrer Absichten einen
Mann mit eiserner Stirn, und General Thibaudin, welcher 1370 in dieser
schätzenswerten Eigenschaft einiges geleistet zu haben scheint, verfügte denn auch
sofort nach Übernahme des Ministerportefeuilles das, was andre Generale sich
geweigert hatten zu thun, die Entfernung der Prinzen von Orleans aus ihren
Dienstleistungen „zur Aufrechterhaltung der Disziplin."

Nie ist dieses Wort in gröberer Weise gemißbraucht worden als durch
den wortbrüchigen Offizier, da schon allein die Thatsache, daß er die höchste
Stellung in der französischen Armee einnimmt, die schwerste Schädigung von
Disziplin, Unterordnung und dem bisherigen Gefühl unantastbarer Ehre in sich
schließt. Zwar hat der Minister Thibaudin in gewundener Erklärung, deren
mangelhafte Beweisgründe durch die Übertragung in die deutsche Sprache noch
abgeschwächt und verflacht werden, den Bruch des Ehrenwortes zu bestreiten
versucht; doch wird er wohl dem unterschriebenen Revers gegenüber verstummen,
welcher im Original unzweifelhaft noch erhalten ist und der „Post" zufolge den


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/611>, abgerufen am 23.07.2024.