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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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nannte ihn immer nur Herr Guido, Der stellte zwölf Stück Leinwand auf,
dort drüben im Saal, wo Sonnabends die Herren vom Kegelklub ihr Abend¬
essen halten, jedes Stück vier Fuß lang und drei Fuß hoch. Und dann malte
er auf jede Leinwand dasselbe Bild, allemal das Meer in der Mitte, links
schwarze Wolken und rechts den Mond, vorne aber ein Schiff, das auf der
Seite lag und wo die Wellen drüber wegschlugen. Ich sehe sie noch deutlich
vor meinen Augen stehen, alle die schönen Bilder, Er malte sie ganz egal,
erst alle zwölf Himmel mit dem gelbweißen Mond, dann alle zwölf Schiffe auf
dem Wasser, alles mit derselben Farbe, Und er sagte mir, daß er für jedes
Bild zehn Thaler bekäme. Da waren hundertundzwanzig Thaler schnell verdient,
denn er war in vierzehn Tagen mit all den Bildern fertig. Freilich hatte er
eine alte geübte Hand, und ehe man laufen kann, muß man gehen lernen. Er
hat auch unser neues Schild gemalt; es wird Ihnen wohl schon aufgefallen
sein. Aber nehmen Sie es mir nur nicht übel, daß ich mir die Freiheit nahm,
Sie werden es auch schon loskriegen, und ich weiß, daß früher mehrere Herren
bei mir gewesen sind, die auch nur mit schwarzen Strichen zeichneten, mir aber
sagten, sie malten zu Hause dann bunte Bilder nach den Zeichnungen, Und
hier -- sehen Sie einmal --, das ist ja das Schloß Eichhausen, und das kann
man deutlich erkennen.

Die gesprächige Frau hatte an einem Zucken im Gesicht des Fremden wahr¬
genommen, daß wohl nicht alles, was sie geredet, ihm so ganz zu Danke ge¬
wesen sein müsse, und sie beeilte sich, das Ding wieder gut zu machen, indem
sie eine der Skizzen lobte, einem dunkeln Instinkt folgend, der ihr sagte, daß
der sicherste Weg zum Herzen eines Künstlers das Lob seines Kunstwerkes sei.

Wahrhaftig, fuhr sie fort, das ist Schloß Eichhausen, und Herr Guido
selbst hätte es nicht besser gemacht. Hier ist der viereckige Thurm, und hier
der breite Graben und die Zugbrücke und das Boot, mit dem das gnädige Fräulein
Dorothea als Kind umgekippt waren. Man kann alles deutlich sehen. Wenn
nicht der Neufundländer das Kind herausgezogen Hütte, so konnte es ertrinken,
und es kostete der Mamsell Dupin doch ihre Stelle, weil sie das Mädchen hatte
allein in das Boot steigen lassen. Der Herr Baron waren sehr böse, und wenn
der böse ist, so ist es als wenn ein Gewitter am Himmel steht. Freilich, es
war sein einziges Kind, wenn es auch kein Knabe war. Wäre es ein Knabe
gewesen, na dann! Ich kenne das alles so genau, müssen Sie wissen, Herr
Eschenburg, weil ich Köchin dort im Schlosse gewesen bin, ehe ich meinen
Jürgen heiratete. Dort habe ich die feine Küche gelernt, wie Sie wohl gemerkt
haben werden, Herr Eschenburg, und ich kann unbeschadet des Rufes des Herrn
onst as euismo im Hotel Felix zu Fifchbeck behaupten, daß ich es verstehe,
einen Fisch zu kochen und auch eine Sauce dazu zu machen. Ja, das war der
ganze Kummer, daß es kein Sohn war, und deshalb sind der Herr Baron auch
so viel auf Reisen, bald in Italien, bald in der Schweiz. Es leidet ihn nicht


nannte ihn immer nur Herr Guido, Der stellte zwölf Stück Leinwand auf,
dort drüben im Saal, wo Sonnabends die Herren vom Kegelklub ihr Abend¬
essen halten, jedes Stück vier Fuß lang und drei Fuß hoch. Und dann malte
er auf jede Leinwand dasselbe Bild, allemal das Meer in der Mitte, links
schwarze Wolken und rechts den Mond, vorne aber ein Schiff, das auf der
Seite lag und wo die Wellen drüber wegschlugen. Ich sehe sie noch deutlich
vor meinen Augen stehen, alle die schönen Bilder, Er malte sie ganz egal,
erst alle zwölf Himmel mit dem gelbweißen Mond, dann alle zwölf Schiffe auf
dem Wasser, alles mit derselben Farbe, Und er sagte mir, daß er für jedes
Bild zehn Thaler bekäme. Da waren hundertundzwanzig Thaler schnell verdient,
denn er war in vierzehn Tagen mit all den Bildern fertig. Freilich hatte er
eine alte geübte Hand, und ehe man laufen kann, muß man gehen lernen. Er
hat auch unser neues Schild gemalt; es wird Ihnen wohl schon aufgefallen
sein. Aber nehmen Sie es mir nur nicht übel, daß ich mir die Freiheit nahm,
Sie werden es auch schon loskriegen, und ich weiß, daß früher mehrere Herren
bei mir gewesen sind, die auch nur mit schwarzen Strichen zeichneten, mir aber
sagten, sie malten zu Hause dann bunte Bilder nach den Zeichnungen, Und
hier — sehen Sie einmal —, das ist ja das Schloß Eichhausen, und das kann
man deutlich erkennen.

Die gesprächige Frau hatte an einem Zucken im Gesicht des Fremden wahr¬
genommen, daß wohl nicht alles, was sie geredet, ihm so ganz zu Danke ge¬
wesen sein müsse, und sie beeilte sich, das Ding wieder gut zu machen, indem
sie eine der Skizzen lobte, einem dunkeln Instinkt folgend, der ihr sagte, daß
der sicherste Weg zum Herzen eines Künstlers das Lob seines Kunstwerkes sei.

Wahrhaftig, fuhr sie fort, das ist Schloß Eichhausen, und Herr Guido
selbst hätte es nicht besser gemacht. Hier ist der viereckige Thurm, und hier
der breite Graben und die Zugbrücke und das Boot, mit dem das gnädige Fräulein
Dorothea als Kind umgekippt waren. Man kann alles deutlich sehen. Wenn
nicht der Neufundländer das Kind herausgezogen Hütte, so konnte es ertrinken,
und es kostete der Mamsell Dupin doch ihre Stelle, weil sie das Mädchen hatte
allein in das Boot steigen lassen. Der Herr Baron waren sehr böse, und wenn
der böse ist, so ist es als wenn ein Gewitter am Himmel steht. Freilich, es
war sein einziges Kind, wenn es auch kein Knabe war. Wäre es ein Knabe
gewesen, na dann! Ich kenne das alles so genau, müssen Sie wissen, Herr
Eschenburg, weil ich Köchin dort im Schlosse gewesen bin, ehe ich meinen
Jürgen heiratete. Dort habe ich die feine Küche gelernt, wie Sie wohl gemerkt
haben werden, Herr Eschenburg, und ich kann unbeschadet des Rufes des Herrn
onst as euismo im Hotel Felix zu Fifchbeck behaupten, daß ich es verstehe,
einen Fisch zu kochen und auch eine Sauce dazu zu machen. Ja, das war der
ganze Kummer, daß es kein Sohn war, und deshalb sind der Herr Baron auch
so viel auf Reisen, bald in Italien, bald in der Schweiz. Es leidet ihn nicht


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[0061] nannte ihn immer nur Herr Guido, Der stellte zwölf Stück Leinwand auf, dort drüben im Saal, wo Sonnabends die Herren vom Kegelklub ihr Abend¬ essen halten, jedes Stück vier Fuß lang und drei Fuß hoch. Und dann malte er auf jede Leinwand dasselbe Bild, allemal das Meer in der Mitte, links schwarze Wolken und rechts den Mond, vorne aber ein Schiff, das auf der Seite lag und wo die Wellen drüber wegschlugen. Ich sehe sie noch deutlich vor meinen Augen stehen, alle die schönen Bilder, Er malte sie ganz egal, erst alle zwölf Himmel mit dem gelbweißen Mond, dann alle zwölf Schiffe auf dem Wasser, alles mit derselben Farbe, Und er sagte mir, daß er für jedes Bild zehn Thaler bekäme. Da waren hundertundzwanzig Thaler schnell verdient, denn er war in vierzehn Tagen mit all den Bildern fertig. Freilich hatte er eine alte geübte Hand, und ehe man laufen kann, muß man gehen lernen. Er hat auch unser neues Schild gemalt; es wird Ihnen wohl schon aufgefallen sein. Aber nehmen Sie es mir nur nicht übel, daß ich mir die Freiheit nahm, Sie werden es auch schon loskriegen, und ich weiß, daß früher mehrere Herren bei mir gewesen sind, die auch nur mit schwarzen Strichen zeichneten, mir aber sagten, sie malten zu Hause dann bunte Bilder nach den Zeichnungen, Und hier — sehen Sie einmal —, das ist ja das Schloß Eichhausen, und das kann man deutlich erkennen. Die gesprächige Frau hatte an einem Zucken im Gesicht des Fremden wahr¬ genommen, daß wohl nicht alles, was sie geredet, ihm so ganz zu Danke ge¬ wesen sein müsse, und sie beeilte sich, das Ding wieder gut zu machen, indem sie eine der Skizzen lobte, einem dunkeln Instinkt folgend, der ihr sagte, daß der sicherste Weg zum Herzen eines Künstlers das Lob seines Kunstwerkes sei. Wahrhaftig, fuhr sie fort, das ist Schloß Eichhausen, und Herr Guido selbst hätte es nicht besser gemacht. Hier ist der viereckige Thurm, und hier der breite Graben und die Zugbrücke und das Boot, mit dem das gnädige Fräulein Dorothea als Kind umgekippt waren. Man kann alles deutlich sehen. Wenn nicht der Neufundländer das Kind herausgezogen Hütte, so konnte es ertrinken, und es kostete der Mamsell Dupin doch ihre Stelle, weil sie das Mädchen hatte allein in das Boot steigen lassen. Der Herr Baron waren sehr böse, und wenn der böse ist, so ist es als wenn ein Gewitter am Himmel steht. Freilich, es war sein einziges Kind, wenn es auch kein Knabe war. Wäre es ein Knabe gewesen, na dann! Ich kenne das alles so genau, müssen Sie wissen, Herr Eschenburg, weil ich Köchin dort im Schlosse gewesen bin, ehe ich meinen Jürgen heiratete. Dort habe ich die feine Küche gelernt, wie Sie wohl gemerkt haben werden, Herr Eschenburg, und ich kann unbeschadet des Rufes des Herrn onst as euismo im Hotel Felix zu Fifchbeck behaupten, daß ich es verstehe, einen Fisch zu kochen und auch eine Sauce dazu zu machen. Ja, das war der ganze Kummer, daß es kein Sohn war, und deshalb sind der Herr Baron auch so viel auf Reisen, bald in Italien, bald in der Schweiz. Es leidet ihn nicht

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/61>, abgerufen am 23.07.2024.