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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Die Grafen von Altenschwerdt.

behielten, obwohl die Haut im übrigen eine graue Färbung angenommen hatte,
aber es überwog seine Besorgnis, und er unterstützte Fräulein Glocks Be¬
mühungen, indem er sein Taschentuch mit dem Inhalt des Flüschchens benetzte
und der Gräfin die Schläfen rieb. Sie erholte sich rasch wieder und drü ngte
die dienstbeflissenen Hände zurück, doch hatte ihr Blick etwas verstörtes.

Es ist zu heiß, liebe Mama, sagte Dietrich. Wollen wir nicht einen
schattigen Garten suchen und die Rückfahrt verschieben?

Warum? fragte die Gräfin in scharfem Tone.

Es schien mir so, als ob dir die Hitze zu viel würde, erwiederte ihr Sohn
betroffen.

Unsinn, entgegnete sie. Die Wärme thut mir immer wohl. Bin ich ein
Kind, daß Ihr mir ungebeten das Gesicht abreibt?

Nun, man weiß wirklich oft nicht, womit man es recht oder unrecht trifft,
sagte Dietrich pikirt.

Die Fahrt ward schweigend bis an den Ausgang des Dorfes fortgesetzt,
und dann ließ die Gräfin plötzlich halten.

Ich habe vergessen, daß ich mit dem Pfarrer etwas besprechen wollte, sagte
sie, indem sie aufstand. Setze den Weg ohne mich fort, Dietrich, kehre dann
nach einer Viertelstunde um und erwarte mich hier außerhalb des Ortes auf
der Straße.

Du willst zu Fuß umkehren? fragte er erstaunt.

Ja, sagte sie.

Sie drückte sich mit solcher Entschiedenheit aus, daß Dietrich keine Entgeg¬
nung wagte, obwohl er sich den Kopf zerbrach, was seiner Mutter eingefallen
sein möchte. Fräulein Glock aber erhob sich ebenfalls von ihrem Sitz, öffnete
die Wagenthür, sprang hinab, half der Gräfin aussteigen und schickte sich an,
sie zu begleiten.

Steigen Sie wieder ein, sagte die Gräfin ungeduldig.

Die Umgebung der Gräfin war an Gehorsam gewöhnt. Fräulein Glock
stieg wieder ein. Dietrichs Verwunderung ward durch eine angenehme Em¬
pfindung bei der Aussicht auf eine ungestörte halbe Stunde mit dem jungen
Mädchen beeinträchtigt, er warf einen verstohlenen Blick voll Glut zu ihr hinüber,
und dann fuhr der Wagen weiter, während Gräfin Sibylle zurück in das
Dorf schritt.

(Fortschuna folgt.)




Die Grafen von Altenschwerdt.

behielten, obwohl die Haut im übrigen eine graue Färbung angenommen hatte,
aber es überwog seine Besorgnis, und er unterstützte Fräulein Glocks Be¬
mühungen, indem er sein Taschentuch mit dem Inhalt des Flüschchens benetzte
und der Gräfin die Schläfen rieb. Sie erholte sich rasch wieder und drü ngte
die dienstbeflissenen Hände zurück, doch hatte ihr Blick etwas verstörtes.

Es ist zu heiß, liebe Mama, sagte Dietrich. Wollen wir nicht einen
schattigen Garten suchen und die Rückfahrt verschieben?

Warum? fragte die Gräfin in scharfem Tone.

Es schien mir so, als ob dir die Hitze zu viel würde, erwiederte ihr Sohn
betroffen.

Unsinn, entgegnete sie. Die Wärme thut mir immer wohl. Bin ich ein
Kind, daß Ihr mir ungebeten das Gesicht abreibt?

Nun, man weiß wirklich oft nicht, womit man es recht oder unrecht trifft,
sagte Dietrich pikirt.

Die Fahrt ward schweigend bis an den Ausgang des Dorfes fortgesetzt,
und dann ließ die Gräfin plötzlich halten.

Ich habe vergessen, daß ich mit dem Pfarrer etwas besprechen wollte, sagte
sie, indem sie aufstand. Setze den Weg ohne mich fort, Dietrich, kehre dann
nach einer Viertelstunde um und erwarte mich hier außerhalb des Ortes auf
der Straße.

Du willst zu Fuß umkehren? fragte er erstaunt.

Ja, sagte sie.

Sie drückte sich mit solcher Entschiedenheit aus, daß Dietrich keine Entgeg¬
nung wagte, obwohl er sich den Kopf zerbrach, was seiner Mutter eingefallen
sein möchte. Fräulein Glock aber erhob sich ebenfalls von ihrem Sitz, öffnete
die Wagenthür, sprang hinab, half der Gräfin aussteigen und schickte sich an,
sie zu begleiten.

Steigen Sie wieder ein, sagte die Gräfin ungeduldig.

Die Umgebung der Gräfin war an Gehorsam gewöhnt. Fräulein Glock
stieg wieder ein. Dietrichs Verwunderung ward durch eine angenehme Em¬
pfindung bei der Aussicht auf eine ungestörte halbe Stunde mit dem jungen
Mädchen beeinträchtigt, er warf einen verstohlenen Blick voll Glut zu ihr hinüber,
und dann fuhr der Wagen weiter, während Gräfin Sibylle zurück in das
Dorf schritt.

(Fortschuna folgt.)




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/551>, abgerufen am 23.07.2024.