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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Die Grafen von Altenschwerdt.

er nicht allein mit seiner heitern Stimmung im Walde sei. Er blickte über die
Schulter zurück und schritt rüstig weiter.

Ich müßte mich sehr irren, wenn das nicht Degenhard wäre, der schon
in der Frühe ein wichtiges Geschäft im Schlosse zu bestellen gehabt haben wird,
sagte Dorothea lächelnd.

Eberhard blickte sie fragend an.

In Eichhausen giebt es einen starken Magnet für diesen jungen Mann,
sagte sie, nämlich die hellen Augen meiner lieben Millicent.

Es flog eine leichte Röte bei diesen Worten über Dorotheens Züge, welche
Eberhardt nicht entging, obwohl er sie sich nicht erklären konnte. Dorothea
dachte an einige Worte ihrer muntern Freundin zurück, die diese am ver¬
gangenen Abend gesprochen hatte und die immer wieder in ihr emportauchten,
obwohl sie sich Mühe gab sie zu vergessen, vielleicht auch gerade weil sie sie
vergessen wollte. Als Millicent ihr behilflich gewesen war, Nachttoilette zu
machen, hatte sie geseufzt und dabei ein Gesicht gemacht, als wollte sie nach
dem Grunde ihres Kummers gefragt sein. Dorothea hatte ihr den Gefallen gethan.

Ach, du verstehst mich doch nicht, hatte sie dann gesagt. Ich sehne mich
nach einer so recht romantischen Liebe, wie Romeo sie für Julia empfand.
Das müßte himmlisch sein. Dorothea hatte ihr erwiedert, sie sei ein ganz
abscheuliches Mädchen, da sie ja den guten Degenhard habe, der gerade so
gut sei wie ein Romeo. Aber Millicent hatte mit dem Kopfe geschüttelt und
gesagt: Es ist nicht genug Poesie dabei. Ich wäre gern eine große Dame, die
von einem armen edelsinnigen Manne angebetet würde. Wenn ich das so zu¬
weilen mit ansehen muß, wie ein gewisser Herr seine wunderschönen Augen sich
fast aus dem Kopfe herausschmachtet und welche tiefglühende Seele ans seinem
edeln Antlitz spricht, wie er gleich einem Fürsten einherschreitet und wie er so
gern sein Fürstentum einer gewissen Dame zu Füßen legen würde, wenn er
nur ein andres als ein gemaltes sein nennen könnte, da geht es mir durch
und durch, und ich stelle es mir entzückend vor, der Gegenstand solcher hohen
Verehrung zu sein. Das bleibt doch für immer eine himmlische Erinnerung im
spätern Leben, wenn man ehrbar mit einem standesgemäßen und langweiligen
Eheherrn zusammenhockt.

Dorothea hatte eine kurze tadelnde Bemerkung über so leichtsinnige Redereien
geäußert, aber Millicents Worte waren ihr beim Erwachen heute Morgen sogleich
wieder eingefallen und standen lebhaft vor ihr, als sie jetzt mit Eberhardt dahinritt.

Als sie den Fußgänger eingeholt hatten, zog dieser mit freundlichem Gruß
seinen Hut, und ein verschmitztes Lächeln erschien auf seinem Gesicht.

Schon so früh zurück, Herr Degenhard? fragte Dorothea.

Der junge Mann gab eine Erklärung über die Ursache ab, die ihn dieses
Weges geführt habe, und Eberhardt vernahm, daß es sich um ein Wild handle,
das im Schlosse notwendig sei. Es war ein hochgewachsener Mann mit offenen


Grenzboten I. 1883. g?
Die Grafen von Altenschwerdt.

er nicht allein mit seiner heitern Stimmung im Walde sei. Er blickte über die
Schulter zurück und schritt rüstig weiter.

Ich müßte mich sehr irren, wenn das nicht Degenhard wäre, der schon
in der Frühe ein wichtiges Geschäft im Schlosse zu bestellen gehabt haben wird,
sagte Dorothea lächelnd.

Eberhard blickte sie fragend an.

In Eichhausen giebt es einen starken Magnet für diesen jungen Mann,
sagte sie, nämlich die hellen Augen meiner lieben Millicent.

Es flog eine leichte Röte bei diesen Worten über Dorotheens Züge, welche
Eberhardt nicht entging, obwohl er sie sich nicht erklären konnte. Dorothea
dachte an einige Worte ihrer muntern Freundin zurück, die diese am ver¬
gangenen Abend gesprochen hatte und die immer wieder in ihr emportauchten,
obwohl sie sich Mühe gab sie zu vergessen, vielleicht auch gerade weil sie sie
vergessen wollte. Als Millicent ihr behilflich gewesen war, Nachttoilette zu
machen, hatte sie geseufzt und dabei ein Gesicht gemacht, als wollte sie nach
dem Grunde ihres Kummers gefragt sein. Dorothea hatte ihr den Gefallen gethan.

Ach, du verstehst mich doch nicht, hatte sie dann gesagt. Ich sehne mich
nach einer so recht romantischen Liebe, wie Romeo sie für Julia empfand.
Das müßte himmlisch sein. Dorothea hatte ihr erwiedert, sie sei ein ganz
abscheuliches Mädchen, da sie ja den guten Degenhard habe, der gerade so
gut sei wie ein Romeo. Aber Millicent hatte mit dem Kopfe geschüttelt und
gesagt: Es ist nicht genug Poesie dabei. Ich wäre gern eine große Dame, die
von einem armen edelsinnigen Manne angebetet würde. Wenn ich das so zu¬
weilen mit ansehen muß, wie ein gewisser Herr seine wunderschönen Augen sich
fast aus dem Kopfe herausschmachtet und welche tiefglühende Seele ans seinem
edeln Antlitz spricht, wie er gleich einem Fürsten einherschreitet und wie er so
gern sein Fürstentum einer gewissen Dame zu Füßen legen würde, wenn er
nur ein andres als ein gemaltes sein nennen könnte, da geht es mir durch
und durch, und ich stelle es mir entzückend vor, der Gegenstand solcher hohen
Verehrung zu sein. Das bleibt doch für immer eine himmlische Erinnerung im
spätern Leben, wenn man ehrbar mit einem standesgemäßen und langweiligen
Eheherrn zusammenhockt.

Dorothea hatte eine kurze tadelnde Bemerkung über so leichtsinnige Redereien
geäußert, aber Millicents Worte waren ihr beim Erwachen heute Morgen sogleich
wieder eingefallen und standen lebhaft vor ihr, als sie jetzt mit Eberhardt dahinritt.

Als sie den Fußgänger eingeholt hatten, zog dieser mit freundlichem Gruß
seinen Hut, und ein verschmitztes Lächeln erschien auf seinem Gesicht.

Schon so früh zurück, Herr Degenhard? fragte Dorothea.

Der junge Mann gab eine Erklärung über die Ursache ab, die ihn dieses
Weges geführt habe, und Eberhardt vernahm, daß es sich um ein Wild handle,
das im Schlosse notwendig sei. Es war ein hochgewachsener Mann mit offenen


Grenzboten I. 1883. g?
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[0537] Die Grafen von Altenschwerdt. er nicht allein mit seiner heitern Stimmung im Walde sei. Er blickte über die Schulter zurück und schritt rüstig weiter. Ich müßte mich sehr irren, wenn das nicht Degenhard wäre, der schon in der Frühe ein wichtiges Geschäft im Schlosse zu bestellen gehabt haben wird, sagte Dorothea lächelnd. Eberhard blickte sie fragend an. In Eichhausen giebt es einen starken Magnet für diesen jungen Mann, sagte sie, nämlich die hellen Augen meiner lieben Millicent. Es flog eine leichte Röte bei diesen Worten über Dorotheens Züge, welche Eberhardt nicht entging, obwohl er sie sich nicht erklären konnte. Dorothea dachte an einige Worte ihrer muntern Freundin zurück, die diese am ver¬ gangenen Abend gesprochen hatte und die immer wieder in ihr emportauchten, obwohl sie sich Mühe gab sie zu vergessen, vielleicht auch gerade weil sie sie vergessen wollte. Als Millicent ihr behilflich gewesen war, Nachttoilette zu machen, hatte sie geseufzt und dabei ein Gesicht gemacht, als wollte sie nach dem Grunde ihres Kummers gefragt sein. Dorothea hatte ihr den Gefallen gethan. Ach, du verstehst mich doch nicht, hatte sie dann gesagt. Ich sehne mich nach einer so recht romantischen Liebe, wie Romeo sie für Julia empfand. Das müßte himmlisch sein. Dorothea hatte ihr erwiedert, sie sei ein ganz abscheuliches Mädchen, da sie ja den guten Degenhard habe, der gerade so gut sei wie ein Romeo. Aber Millicent hatte mit dem Kopfe geschüttelt und gesagt: Es ist nicht genug Poesie dabei. Ich wäre gern eine große Dame, die von einem armen edelsinnigen Manne angebetet würde. Wenn ich das so zu¬ weilen mit ansehen muß, wie ein gewisser Herr seine wunderschönen Augen sich fast aus dem Kopfe herausschmachtet und welche tiefglühende Seele ans seinem edeln Antlitz spricht, wie er gleich einem Fürsten einherschreitet und wie er so gern sein Fürstentum einer gewissen Dame zu Füßen legen würde, wenn er nur ein andres als ein gemaltes sein nennen könnte, da geht es mir durch und durch, und ich stelle es mir entzückend vor, der Gegenstand solcher hohen Verehrung zu sein. Das bleibt doch für immer eine himmlische Erinnerung im spätern Leben, wenn man ehrbar mit einem standesgemäßen und langweiligen Eheherrn zusammenhockt. Dorothea hatte eine kurze tadelnde Bemerkung über so leichtsinnige Redereien geäußert, aber Millicents Worte waren ihr beim Erwachen heute Morgen sogleich wieder eingefallen und standen lebhaft vor ihr, als sie jetzt mit Eberhardt dahinritt. Als sie den Fußgänger eingeholt hatten, zog dieser mit freundlichem Gruß seinen Hut, und ein verschmitztes Lächeln erschien auf seinem Gesicht. Schon so früh zurück, Herr Degenhard? fragte Dorothea. Der junge Mann gab eine Erklärung über die Ursache ab, die ihn dieses Weges geführt habe, und Eberhardt vernahm, daß es sich um ein Wild handle, das im Schlosse notwendig sei. Es war ein hochgewachsener Mann mit offenen Grenzboten I. 1883. g?

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/537>, abgerufen am 23.07.2024.