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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Henri Regnault.

letzter" hielt, gelang es ihm nicht, den römischen Preis zu erringen. Erst nach¬
dem er zu Cabanel gegangen war, welcher den Individualitäten seiner Schüler
freien Spielraum ließ, drang er durch und erhielt den Preis für eine Kom-
position "Thetis bringt die Waffen des Achilles/' Im Frühjahr 1867 begab
er sich nach Rom; aber die ewige Stadt entsprach seinen Erwartungen bei
weitem nicht. Hätte sein erster Besuch Venedig gegolten, so wäre sein uner¬
sättlicher Durst nach Farbe und Licht vorübergehend gestillt worden. Aber Rom
mit seiner ernsten Schönheit, deren architektonisch-plastischer Charakter auch in der
Landschaft und in den Menschen wiederklingt, vermochte ihn nicht lange zu fesseln,
obwohl er sich alle Mühe gab, wenigstens dem römischen Volksleben einige
malerische oder doch für sein Bestreben nach Charakteristik dankbare Seiten ab¬
zugewinnen. Immerhin ließ er sich von dem klassischen Hauche der Villa Medici,
welche damals unter Hcberts Leitung stand, eine Zeit lang tragen. Ein Besuch,
welchen er in Gemeinschaft mit Kollegen im Januar 1868 Neapel abstattete,
um daselbst Zeuge eines Vesuvausbruches zu sein, scheint einen nachhaltigen
Eindruck auf ihn geübt zu haben. Wie Fromentin verstand er es, ebenso
glühend und leidenschaftlich wie mit dem Pinsel auch mit der Feder zu malen
und seine Vesuvbesteigung mit brennenden Farben zu schildern. "Zum Lohn
für unsre Anstrengungen befanden wir uns vor einem wahrhaft höllischen Schau¬
spiel. Die Lava stieg kochend aus einer Art von Tunnel empor und floß wie
ein Strom geschmolzenen Metalls dahin, welches nur weißliche Glut ausstrahlte.
Auf Augenblicke hemmte sie ihren Lauf, hob sich dann zu wiederholten malen
empor wie die Brust eines schwer atmenden Riesen, und jedesmal ließ sie wie
tiefe Seufzer Schwefeldämpfe emporsteigen, welche der Wind weit von uns fort¬
trieb. Über unsern Köpfen dehnte sich, einem großen Federbusche vergleichbar,
die von dem roten Wiederschein der Lava beleuchtete Dampfwolke aus. Alle
zehn oder fünfzehn Sekunden spie der Krater eine pechschwarze Wolke aus,
welche wie ein kolossaler Baum emporstieg und als Aschenregen wieder herab¬
fiel. Mitten aus dieser schwarzen Fontaine sprangen glühende Steine bis zu
einer ziemlich beträchtlichen Höhe heraus, fielen wieder herab und rollten von
den Abhängen des kleinen Kegels herunter. Es war ein Feuerwerksbomuiet
in großem Stil, welches mit einem seinem Umfange entsprechenden Geprassel
abgebrannt wurde."

Seine Sehnsucht ging nun über das Meer hinaus, nach Spanien, nach
Afrika, nach Marokko. In Briefen gab er seinen Wünschen und Träume" Ge¬
stalt. "Ich will die ersten Mauren wieder erstehen lasse", reich und groß,
schrecklich und wollüstig zugleich, wie man sie nur noch in der Vergangenheit
sieht. Dann Tunis, dann Ägypten, dann Indien. Ich werde von Begeisterung
zu Begeisterung steigen, ich werde mich mit Wunder" berauschen, bis ich, voll¬
komne" trunken und mit Visionen erfüllt, i" ""sie düstere und alltägliche Welt
zurückfallen kann, ohne zu befürchte", daß meine Augen das glänzende Licht


Henri Regnault.

letzter» hielt, gelang es ihm nicht, den römischen Preis zu erringen. Erst nach¬
dem er zu Cabanel gegangen war, welcher den Individualitäten seiner Schüler
freien Spielraum ließ, drang er durch und erhielt den Preis für eine Kom-
position „Thetis bringt die Waffen des Achilles/' Im Frühjahr 1867 begab
er sich nach Rom; aber die ewige Stadt entsprach seinen Erwartungen bei
weitem nicht. Hätte sein erster Besuch Venedig gegolten, so wäre sein uner¬
sättlicher Durst nach Farbe und Licht vorübergehend gestillt worden. Aber Rom
mit seiner ernsten Schönheit, deren architektonisch-plastischer Charakter auch in der
Landschaft und in den Menschen wiederklingt, vermochte ihn nicht lange zu fesseln,
obwohl er sich alle Mühe gab, wenigstens dem römischen Volksleben einige
malerische oder doch für sein Bestreben nach Charakteristik dankbare Seiten ab¬
zugewinnen. Immerhin ließ er sich von dem klassischen Hauche der Villa Medici,
welche damals unter Hcberts Leitung stand, eine Zeit lang tragen. Ein Besuch,
welchen er in Gemeinschaft mit Kollegen im Januar 1868 Neapel abstattete,
um daselbst Zeuge eines Vesuvausbruches zu sein, scheint einen nachhaltigen
Eindruck auf ihn geübt zu haben. Wie Fromentin verstand er es, ebenso
glühend und leidenschaftlich wie mit dem Pinsel auch mit der Feder zu malen
und seine Vesuvbesteigung mit brennenden Farben zu schildern. „Zum Lohn
für unsre Anstrengungen befanden wir uns vor einem wahrhaft höllischen Schau¬
spiel. Die Lava stieg kochend aus einer Art von Tunnel empor und floß wie
ein Strom geschmolzenen Metalls dahin, welches nur weißliche Glut ausstrahlte.
Auf Augenblicke hemmte sie ihren Lauf, hob sich dann zu wiederholten malen
empor wie die Brust eines schwer atmenden Riesen, und jedesmal ließ sie wie
tiefe Seufzer Schwefeldämpfe emporsteigen, welche der Wind weit von uns fort¬
trieb. Über unsern Köpfen dehnte sich, einem großen Federbusche vergleichbar,
die von dem roten Wiederschein der Lava beleuchtete Dampfwolke aus. Alle
zehn oder fünfzehn Sekunden spie der Krater eine pechschwarze Wolke aus,
welche wie ein kolossaler Baum emporstieg und als Aschenregen wieder herab¬
fiel. Mitten aus dieser schwarzen Fontaine sprangen glühende Steine bis zu
einer ziemlich beträchtlichen Höhe heraus, fielen wieder herab und rollten von
den Abhängen des kleinen Kegels herunter. Es war ein Feuerwerksbomuiet
in großem Stil, welches mit einem seinem Umfange entsprechenden Geprassel
abgebrannt wurde."

Seine Sehnsucht ging nun über das Meer hinaus, nach Spanien, nach
Afrika, nach Marokko. In Briefen gab er seinen Wünschen und Träume» Ge¬
stalt. „Ich will die ersten Mauren wieder erstehen lasse», reich und groß,
schrecklich und wollüstig zugleich, wie man sie nur noch in der Vergangenheit
sieht. Dann Tunis, dann Ägypten, dann Indien. Ich werde von Begeisterung
zu Begeisterung steigen, ich werde mich mit Wunder» berauschen, bis ich, voll¬
komne» trunken und mit Visionen erfüllt, i» »»sie düstere und alltägliche Welt
zurückfallen kann, ohne zu befürchte», daß meine Augen das glänzende Licht


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[0528] Henri Regnault. letzter» hielt, gelang es ihm nicht, den römischen Preis zu erringen. Erst nach¬ dem er zu Cabanel gegangen war, welcher den Individualitäten seiner Schüler freien Spielraum ließ, drang er durch und erhielt den Preis für eine Kom- position „Thetis bringt die Waffen des Achilles/' Im Frühjahr 1867 begab er sich nach Rom; aber die ewige Stadt entsprach seinen Erwartungen bei weitem nicht. Hätte sein erster Besuch Venedig gegolten, so wäre sein uner¬ sättlicher Durst nach Farbe und Licht vorübergehend gestillt worden. Aber Rom mit seiner ernsten Schönheit, deren architektonisch-plastischer Charakter auch in der Landschaft und in den Menschen wiederklingt, vermochte ihn nicht lange zu fesseln, obwohl er sich alle Mühe gab, wenigstens dem römischen Volksleben einige malerische oder doch für sein Bestreben nach Charakteristik dankbare Seiten ab¬ zugewinnen. Immerhin ließ er sich von dem klassischen Hauche der Villa Medici, welche damals unter Hcberts Leitung stand, eine Zeit lang tragen. Ein Besuch, welchen er in Gemeinschaft mit Kollegen im Januar 1868 Neapel abstattete, um daselbst Zeuge eines Vesuvausbruches zu sein, scheint einen nachhaltigen Eindruck auf ihn geübt zu haben. Wie Fromentin verstand er es, ebenso glühend und leidenschaftlich wie mit dem Pinsel auch mit der Feder zu malen und seine Vesuvbesteigung mit brennenden Farben zu schildern. „Zum Lohn für unsre Anstrengungen befanden wir uns vor einem wahrhaft höllischen Schau¬ spiel. Die Lava stieg kochend aus einer Art von Tunnel empor und floß wie ein Strom geschmolzenen Metalls dahin, welches nur weißliche Glut ausstrahlte. Auf Augenblicke hemmte sie ihren Lauf, hob sich dann zu wiederholten malen empor wie die Brust eines schwer atmenden Riesen, und jedesmal ließ sie wie tiefe Seufzer Schwefeldämpfe emporsteigen, welche der Wind weit von uns fort¬ trieb. Über unsern Köpfen dehnte sich, einem großen Federbusche vergleichbar, die von dem roten Wiederschein der Lava beleuchtete Dampfwolke aus. Alle zehn oder fünfzehn Sekunden spie der Krater eine pechschwarze Wolke aus, welche wie ein kolossaler Baum emporstieg und als Aschenregen wieder herab¬ fiel. Mitten aus dieser schwarzen Fontaine sprangen glühende Steine bis zu einer ziemlich beträchtlichen Höhe heraus, fielen wieder herab und rollten von den Abhängen des kleinen Kegels herunter. Es war ein Feuerwerksbomuiet in großem Stil, welches mit einem seinem Umfange entsprechenden Geprassel abgebrannt wurde." Seine Sehnsucht ging nun über das Meer hinaus, nach Spanien, nach Afrika, nach Marokko. In Briefen gab er seinen Wünschen und Träume» Ge¬ stalt. „Ich will die ersten Mauren wieder erstehen lasse», reich und groß, schrecklich und wollüstig zugleich, wie man sie nur noch in der Vergangenheit sieht. Dann Tunis, dann Ägypten, dann Indien. Ich werde von Begeisterung zu Begeisterung steigen, ich werde mich mit Wunder» berauschen, bis ich, voll¬ komne» trunken und mit Visionen erfüllt, i» »»sie düstere und alltägliche Welt zurückfallen kann, ohne zu befürchte», daß meine Augen das glänzende Licht

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/528>, abgerufen am 23.07.2024.