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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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An neuer Äommentar zu Goethes Gedichten.

erschienenen Goethischen Werke. Jene erste Ausgabe hatte, so dankbar auch jeder
Goethefreund für sie sein mußte, doch die schwache Seite aller wissenschaftlichen
Arbeiten, deren Ausführung verschiednen Händen anvertraut ist und eine längere
Reihe von Jahren in Anspruch nimmt: die Ungleichmäßigkeit. Nicht nur daß die
Mitarbeiter über das Maß und die Beschaffenheit der beizufügenden Einleitungen
und Erläuterungen verschiedner Ansicht waren, es änderten sich auch die Ansichten
des einzelnen während der Arbeit selbst. So kam es, daß, als die Ausgabe
1879 endlich abgeschlossen vorlag, die einzelnen Bände ein sehr verschiednes Ge¬
sicht zeigten. Während die einen, z. B. die vier, welche "Dichtung und Wahrheit"
enthalten (20 -- 23), mit einem sehr reichhaltigen und ausführlichen Kommentar
hinter dem Texte versehen sind, haben andre, wie die ersten drei Bände der
Gedichte (1--3), alle Dramenbände (6 -- 12), sich mit gelegentlichen Anmerkungen
unter dem Texte begnügen müssen. Der Wunsch lag nahe, daß bei einer
etwa nötig werdenden neuen Ausgabe in dieser Beziehung Gleichmäßigkeit her¬
gestellt und dabei natürlich nicht die dürftiger, sondern die reichlicher bedachten
Bände zum Muster genommen werden möchten. Der vorliegende Band zeigt,
wie die neue Ausgabe eingerichtet werden soll: beinahe die Hälfte des Bandes,
S. 266 -- 484, wird durch die Anmerkungen des Herausgebers ausgefüllt.

Über die Zwecke, die der neue Herausgeber -- G. v. Loeper, der hier auch
bei den Gedichten an die Stelle Strehlkes getreten ist und diesmal eine größere
Anzahl von Bänden besorgen zu wollen scheint, als bei der ersten Ausgabe --
bei seinem Kommentar verfolgt hat, spricht er sich in der Einleitung aus. Er giebt
dort zunächst Rechenschaft über die Anordnung der Gedichte, die er eingehalten
habe -- eine Frage, der nach unsrer Meinung gewöhnlich zu viel Wichtigkeit
beigelegt wird. Solange es nicht möglich ist, das, was Hirzel in seinem "Jungen
Goethe" für die Jahre bis 1776 versucht hat, auf das ganze Leben Goethes
auszudehnen, d. h. seine sämtlichen Dichtungen chronologisch zu ordnen -- eine
Aufgabe, die nie ohne Rest zu lösen sein wird --, so lange ist es ziemlich gleich-
giltig, unter welcher Rubrik dieses oder jenes Gedicht schließlich untergebracht ist.
Die Hauptsache ist, daß immer für ein vollständiges, nach den Gedichtanfüngen
alphabetisch geordnetes Verzeichnis gesorgt wird, wie es ja die drei erste"
Bände der Strehlkeschen Ausgabe und die Viehvffschen Erläuterungen that¬
sächlich bereits haben. Wer ein einzelnes Gedicht sucht, wird sicher in zehn
Fällen neunmal die Anfangsworte im Gedächtnis haben. Daher sind wir jenen
alphabetischen Verzeichnissen im stillen immer ganz besonders dankbar gewesen;
könnten wir die Zeit zusammenrechnen, die sie uns schon erspart haben, es kämen
gewiß ganze Tage heraus.

Viel wichtiger als die Bemerkungen Loepers über die von ihm befolgte
Ordnung der Gedichte sind die wenigen Zeilen seiner Einleitung, in denen er
sich über die Absichten seines Kommentars ausspricht. "Die Anmerkungen -- sagt
er -- wollen ihrer Natur nach nur Notizen über Zeit der Entstehung und


An neuer Äommentar zu Goethes Gedichten.

erschienenen Goethischen Werke. Jene erste Ausgabe hatte, so dankbar auch jeder
Goethefreund für sie sein mußte, doch die schwache Seite aller wissenschaftlichen
Arbeiten, deren Ausführung verschiednen Händen anvertraut ist und eine längere
Reihe von Jahren in Anspruch nimmt: die Ungleichmäßigkeit. Nicht nur daß die
Mitarbeiter über das Maß und die Beschaffenheit der beizufügenden Einleitungen
und Erläuterungen verschiedner Ansicht waren, es änderten sich auch die Ansichten
des einzelnen während der Arbeit selbst. So kam es, daß, als die Ausgabe
1879 endlich abgeschlossen vorlag, die einzelnen Bände ein sehr verschiednes Ge¬
sicht zeigten. Während die einen, z. B. die vier, welche „Dichtung und Wahrheit"
enthalten (20 — 23), mit einem sehr reichhaltigen und ausführlichen Kommentar
hinter dem Texte versehen sind, haben andre, wie die ersten drei Bände der
Gedichte (1—3), alle Dramenbände (6 — 12), sich mit gelegentlichen Anmerkungen
unter dem Texte begnügen müssen. Der Wunsch lag nahe, daß bei einer
etwa nötig werdenden neuen Ausgabe in dieser Beziehung Gleichmäßigkeit her¬
gestellt und dabei natürlich nicht die dürftiger, sondern die reichlicher bedachten
Bände zum Muster genommen werden möchten. Der vorliegende Band zeigt,
wie die neue Ausgabe eingerichtet werden soll: beinahe die Hälfte des Bandes,
S. 266 — 484, wird durch die Anmerkungen des Herausgebers ausgefüllt.

Über die Zwecke, die der neue Herausgeber — G. v. Loeper, der hier auch
bei den Gedichten an die Stelle Strehlkes getreten ist und diesmal eine größere
Anzahl von Bänden besorgen zu wollen scheint, als bei der ersten Ausgabe —
bei seinem Kommentar verfolgt hat, spricht er sich in der Einleitung aus. Er giebt
dort zunächst Rechenschaft über die Anordnung der Gedichte, die er eingehalten
habe — eine Frage, der nach unsrer Meinung gewöhnlich zu viel Wichtigkeit
beigelegt wird. Solange es nicht möglich ist, das, was Hirzel in seinem „Jungen
Goethe" für die Jahre bis 1776 versucht hat, auf das ganze Leben Goethes
auszudehnen, d. h. seine sämtlichen Dichtungen chronologisch zu ordnen — eine
Aufgabe, die nie ohne Rest zu lösen sein wird —, so lange ist es ziemlich gleich-
giltig, unter welcher Rubrik dieses oder jenes Gedicht schließlich untergebracht ist.
Die Hauptsache ist, daß immer für ein vollständiges, nach den Gedichtanfüngen
alphabetisch geordnetes Verzeichnis gesorgt wird, wie es ja die drei erste»
Bände der Strehlkeschen Ausgabe und die Viehvffschen Erläuterungen that¬
sächlich bereits haben. Wer ein einzelnes Gedicht sucht, wird sicher in zehn
Fällen neunmal die Anfangsworte im Gedächtnis haben. Daher sind wir jenen
alphabetischen Verzeichnissen im stillen immer ganz besonders dankbar gewesen;
könnten wir die Zeit zusammenrechnen, die sie uns schon erspart haben, es kämen
gewiß ganze Tage heraus.

Viel wichtiger als die Bemerkungen Loepers über die von ihm befolgte
Ordnung der Gedichte sind die wenigen Zeilen seiner Einleitung, in denen er
sich über die Absichten seines Kommentars ausspricht. „Die Anmerkungen — sagt
er — wollen ihrer Natur nach nur Notizen über Zeit der Entstehung und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/514>, abgerufen am 23.07.2024.