Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.welche der Natur der Dinge entgegenlaufen. Auf die Vorwürfe des Papstes Otto, dem seine kaiserliche Würde seine Handlungsweise vorschrieb und der Der neue König versprach, wen" er die Kaiserkrone erhielte, seine Erd¬ welche der Natur der Dinge entgegenlaufen. Auf die Vorwürfe des Papstes Otto, dem seine kaiserliche Würde seine Handlungsweise vorschrieb und der Der neue König versprach, wen» er die Kaiserkrone erhielte, seine Erd¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0507" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/152324"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_1917" prev="#ID_1916"> welche der Natur der Dinge entgegenlaufen. Auf die Vorwürfe des Papstes<lb/> erklärte der Kaiser, er habe auch geschworen, die Würde des Reiches zu wahren,<lb/> worauf ihm der Papst, seinen Grundsätzen getreu, schrieb: „Die Kirche hat dich<lb/> erhaben! Vergiß, der geistlichen Macht widerstrebend, des Dankes, vergiß aber<lb/> Nebnkadnezars nicht, der seiner weltlichen Macht übermütig vertraute, dafür<lb/> aber ans einem Menschen in einen Ochsen verwandelt ward und Hen fraß wie<lb/> ein Tier,"</p><lb/> <p xml:id="ID_1918"> Otto, dem seine kaiserliche Würde seine Handlungsweise vorschrieb und der<lb/> von deu Erfolge» seiner Politik in Italien gehoben wurde, konnte nicht wieder<lb/> in die Unterwürfigkeit des Papstes zurückgeschoben werden. Der Papst mußte<lb/> den schweren Schritt, vielleicht den schwersten seines Lebens thun, das ungefügige<lb/> Werkzeug, das er sich mit vieler Mühe bereitet hatte, zu verwerfen und zu ver¬<lb/> nichten. Er bannte den Kaiser und entband seine Unterthanen von dem Eide<lb/> der Treue, Noch mehr, er, der an Gottes Stelle die Welt zu beherrschen<lb/> meinte, mußte sich in seiner Not — Ironie des Schicksals! — an das Ge¬<lb/> schlecht der Hohenstaufen anklammern, dessen Übermacht und dessen der Kirche<lb/> so feindselige Grundsätze er bis dahin bekämpfen zu müssen geglaubt hatte.<lb/> Als sich infolge des Bannes die Widersacher in Deutschland regten, ging der<lb/> junge Friedrich, von dem Papste überredet und unterstützt, aus seinen Erb¬<lb/> länder Neapel und Sizilien nach Deutschland, wo er nur mit wenigen Be¬<lb/> gleitern ankam — sechzig sollen es gewesen sein, mit denen er von der Höhe<lb/> der Alpen nach Deutschland hinunterzog —, aber ihre Zahl wuchs lawinenartig,<lb/> sodaß ihm im Dezember 1212 in Mainz und im Januar 1213 in Frankfurt<lb/> von aller Welt gehuldigt wurde. Otto mußte erfahren, daß einer nicht un¬<lb/> gestraft die Leiter zurückstößt, an welcher er die Höhe erklommen hat. Er<lb/> mußte sich in seine Erdtaube zurückziehe». Hier hätte er noch lange seinem<lb/> Gegner, den Ottos Anhänger „Pfaffenkönig" schalten, furchtbar bleiben können,<lb/> Wenn er nicht in einen Krieg mit Frankreich verwickelt worden wäre. Bei<lb/> Vvvincs besiegt, brachte er seine kaiserliche Majestät gänzlich in Mißkredit. Er<lb/> war politisch tot, als Friedrich am 25. Juli 1215 in Aachen feierlich ge¬<lb/> krönt wurde.</p><lb/> <p xml:id="ID_1919"> Der neue König versprach, wen» er die Kaiserkrone erhielte, seine Erd¬<lb/> taube Neapel »»d Sizilie» an seinen ältesten Sohn abzutreten und im übrigen<lb/> dem päpstliche» Stuhle, der ihn erhoben, gefällig und gehorsam zu sein, anch<lb/> Innocenz' Lieblingswunsch auszuführen und einen Kreuzzug zu unternehmen.<lb/> Innocenz aber vermochte es nicht mehr, seinem Schützling die Kaiserkrone auf<lb/> das jugendliche Haupt zu setzen. Es blieb ihm erspart, auch an diesem Schütz¬<lb/> ling die Erfahrung zu machen, daß es einem Kaiser unmöglich war, die Wege<lb/> des Papstes zu wandeln. Ein plötzlicher Tod ereilte ihn und riß ihn hinweg<lb/> von dem Höhepunkte seiner Macht, milde» aus seinen Entwürfen. Er starb im<lb/> Jahre 1216 im 55. Jahre seines thatenreichen Lebens.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0507]
welche der Natur der Dinge entgegenlaufen. Auf die Vorwürfe des Papstes
erklärte der Kaiser, er habe auch geschworen, die Würde des Reiches zu wahren,
worauf ihm der Papst, seinen Grundsätzen getreu, schrieb: „Die Kirche hat dich
erhaben! Vergiß, der geistlichen Macht widerstrebend, des Dankes, vergiß aber
Nebnkadnezars nicht, der seiner weltlichen Macht übermütig vertraute, dafür
aber ans einem Menschen in einen Ochsen verwandelt ward und Hen fraß wie
ein Tier,"
Otto, dem seine kaiserliche Würde seine Handlungsweise vorschrieb und der
von deu Erfolge» seiner Politik in Italien gehoben wurde, konnte nicht wieder
in die Unterwürfigkeit des Papstes zurückgeschoben werden. Der Papst mußte
den schweren Schritt, vielleicht den schwersten seines Lebens thun, das ungefügige
Werkzeug, das er sich mit vieler Mühe bereitet hatte, zu verwerfen und zu ver¬
nichten. Er bannte den Kaiser und entband seine Unterthanen von dem Eide
der Treue, Noch mehr, er, der an Gottes Stelle die Welt zu beherrschen
meinte, mußte sich in seiner Not — Ironie des Schicksals! — an das Ge¬
schlecht der Hohenstaufen anklammern, dessen Übermacht und dessen der Kirche
so feindselige Grundsätze er bis dahin bekämpfen zu müssen geglaubt hatte.
Als sich infolge des Bannes die Widersacher in Deutschland regten, ging der
junge Friedrich, von dem Papste überredet und unterstützt, aus seinen Erb¬
länder Neapel und Sizilien nach Deutschland, wo er nur mit wenigen Be¬
gleitern ankam — sechzig sollen es gewesen sein, mit denen er von der Höhe
der Alpen nach Deutschland hinunterzog —, aber ihre Zahl wuchs lawinenartig,
sodaß ihm im Dezember 1212 in Mainz und im Januar 1213 in Frankfurt
von aller Welt gehuldigt wurde. Otto mußte erfahren, daß einer nicht un¬
gestraft die Leiter zurückstößt, an welcher er die Höhe erklommen hat. Er
mußte sich in seine Erdtaube zurückziehe». Hier hätte er noch lange seinem
Gegner, den Ottos Anhänger „Pfaffenkönig" schalten, furchtbar bleiben können,
Wenn er nicht in einen Krieg mit Frankreich verwickelt worden wäre. Bei
Vvvincs besiegt, brachte er seine kaiserliche Majestät gänzlich in Mißkredit. Er
war politisch tot, als Friedrich am 25. Juli 1215 in Aachen feierlich ge¬
krönt wurde.
Der neue König versprach, wen» er die Kaiserkrone erhielte, seine Erd¬
taube Neapel »»d Sizilie» an seinen ältesten Sohn abzutreten und im übrigen
dem päpstliche» Stuhle, der ihn erhoben, gefällig und gehorsam zu sein, anch
Innocenz' Lieblingswunsch auszuführen und einen Kreuzzug zu unternehmen.
Innocenz aber vermochte es nicht mehr, seinem Schützling die Kaiserkrone auf
das jugendliche Haupt zu setzen. Es blieb ihm erspart, auch an diesem Schütz¬
ling die Erfahrung zu machen, daß es einem Kaiser unmöglich war, die Wege
des Papstes zu wandeln. Ein plötzlicher Tod ereilte ihn und riß ihn hinweg
von dem Höhepunkte seiner Macht, milde» aus seinen Entwürfen. Er starb im
Jahre 1216 im 55. Jahre seines thatenreichen Lebens.
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