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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Lügen Richter und die Armee.

da er bedauerlicherweise neben der klaren Auseinandersetzung der bezüglichen
Vorschriften nicht die ebenso bündige Antwort erhält, daß ihn das nichts an¬
gehe, denn er ist ja ein Tribun, der alle Ausschreitungen und versteckten Bös¬
willigkeiten einer schlechten Verwaltung an das Tageslicht ziehen mich, so versteht
er mit dialektischer Gewandtheit, daraus ein sogenanntes Beweismittel -- andre
würden es eine bloße Behauptung nennen -- für die zweijährige Dienstzeit
abzuleiten.

Mit geschmackvollen Ausfällen gegen Garde und Garde du Corps ver¬
bindet Herr Richter dann Auseinandersetzungen über die Abschaffung der
Kürassiere, das Verhältnis der Kavallerie zu den andern Waffengattungen und
dergleichen und beruft sich dabei auf das Urteil eines Generals und eines
Obersten. Wahrscheinlich könnte er zwanzig und mehr höhere Offiziere finden,
die in diesem Punkte seiner Ansicht sind; alle diese Dinge sind eben offene
militärische Fragen, welche in den Kreisen der Armee erwogen werden. Dabei
sind wir im Gegensatze zu der im Parlamente wiederholt zu Tage getretenen
Anschauung nicht der Ansicht, daß man zur Teilnahme an der Diskussion über
militärische Fragen durchaus früher einmal des Königs Rock getragen haben
müsse. Jeder intelligente Mann ist imstande, sich sein Urteil zu bilden, wenn
er sich die Mühe nimmt, die grundlegenden Gedanken zu studiren. Hätte Herr
Richter das gethan, so würde er in seinem Freimute wahrscheinlich der
Preußischen Kriegsverwaltung ein hohes Lob dafür spenden, daß sie nach alter
Tradition nicht ohne weiteres die zahlreichen vorgeschlagenen Änderungen ein¬
führt, sondern neu auftauchende Fragen jahrelang besprechen und erproben läßt,
bis sich der brauchbare Niederschlag in einer Verbesserung der bestehenden Ein¬
richtungen krystallisirt. Denn man darf nicht vergessen, daß es sich bei
Neuerungen nicht immer, wie bei Aufhebung der Kürassier- oder von Kavallerie¬
regimenter überhaupt, um Abschaffungen und also um direkte Ersparnis handelt,
sondern ebenso häufig um großartige Anschaffungen, wie Repetirgewehre für
die Infanterie oder verbesserte Geschütze für die Artillerie. Als aber der Kriegs¬
minister erklärte, daß eine Vermehrung dieser letztern Waffe nicht beabsichtigt
würde, hat niemand Generale zitirt, die etwa andrer Ansicht sein könnten,
und doch wird es auch solche geben.

In dieses Kapitel gehören auch die kleinen Auszeichnungen und Farben¬
verschiedenheiten an der Uniform der einzelnen Regimenter und Waffengattungen.
Ohne auf die militärische Seite der Frage, auf den Korpsgeist, der zu der Uni¬
form so nahe Beziehungen hat, und die Thaten, zu denen er begeistert, ohne
auf diese und eine Menge andre Punkte einzugehen, wollen wir nur darauf
hinweisen, daß allerdings mit diesen Äußerlichkeiten ein geringer Mehraufwand
gegen eine ganz gleichmäßig einfache Uniformirung der Armee stattfindet, daß
aber der Übergang zu dieser letztern sehr erhebliche Kosten mit sich bringen
würde.


Grenzboten I. 1883. 60
Lügen Richter und die Armee.

da er bedauerlicherweise neben der klaren Auseinandersetzung der bezüglichen
Vorschriften nicht die ebenso bündige Antwort erhält, daß ihn das nichts an¬
gehe, denn er ist ja ein Tribun, der alle Ausschreitungen und versteckten Bös¬
willigkeiten einer schlechten Verwaltung an das Tageslicht ziehen mich, so versteht
er mit dialektischer Gewandtheit, daraus ein sogenanntes Beweismittel — andre
würden es eine bloße Behauptung nennen — für die zweijährige Dienstzeit
abzuleiten.

Mit geschmackvollen Ausfällen gegen Garde und Garde du Corps ver¬
bindet Herr Richter dann Auseinandersetzungen über die Abschaffung der
Kürassiere, das Verhältnis der Kavallerie zu den andern Waffengattungen und
dergleichen und beruft sich dabei auf das Urteil eines Generals und eines
Obersten. Wahrscheinlich könnte er zwanzig und mehr höhere Offiziere finden,
die in diesem Punkte seiner Ansicht sind; alle diese Dinge sind eben offene
militärische Fragen, welche in den Kreisen der Armee erwogen werden. Dabei
sind wir im Gegensatze zu der im Parlamente wiederholt zu Tage getretenen
Anschauung nicht der Ansicht, daß man zur Teilnahme an der Diskussion über
militärische Fragen durchaus früher einmal des Königs Rock getragen haben
müsse. Jeder intelligente Mann ist imstande, sich sein Urteil zu bilden, wenn
er sich die Mühe nimmt, die grundlegenden Gedanken zu studiren. Hätte Herr
Richter das gethan, so würde er in seinem Freimute wahrscheinlich der
Preußischen Kriegsverwaltung ein hohes Lob dafür spenden, daß sie nach alter
Tradition nicht ohne weiteres die zahlreichen vorgeschlagenen Änderungen ein¬
führt, sondern neu auftauchende Fragen jahrelang besprechen und erproben läßt,
bis sich der brauchbare Niederschlag in einer Verbesserung der bestehenden Ein¬
richtungen krystallisirt. Denn man darf nicht vergessen, daß es sich bei
Neuerungen nicht immer, wie bei Aufhebung der Kürassier- oder von Kavallerie¬
regimenter überhaupt, um Abschaffungen und also um direkte Ersparnis handelt,
sondern ebenso häufig um großartige Anschaffungen, wie Repetirgewehre für
die Infanterie oder verbesserte Geschütze für die Artillerie. Als aber der Kriegs¬
minister erklärte, daß eine Vermehrung dieser letztern Waffe nicht beabsichtigt
würde, hat niemand Generale zitirt, die etwa andrer Ansicht sein könnten,
und doch wird es auch solche geben.

In dieses Kapitel gehören auch die kleinen Auszeichnungen und Farben¬
verschiedenheiten an der Uniform der einzelnen Regimenter und Waffengattungen.
Ohne auf die militärische Seite der Frage, auf den Korpsgeist, der zu der Uni¬
form so nahe Beziehungen hat, und die Thaten, zu denen er begeistert, ohne
auf diese und eine Menge andre Punkte einzugehen, wollen wir nur darauf
hinweisen, daß allerdings mit diesen Äußerlichkeiten ein geringer Mehraufwand
gegen eine ganz gleichmäßig einfache Uniformirung der Armee stattfindet, daß
aber der Übergang zu dieser letztern sehr erhebliche Kosten mit sich bringen
würde.


Grenzboten I. 1883. 60
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[0481] Lügen Richter und die Armee. da er bedauerlicherweise neben der klaren Auseinandersetzung der bezüglichen Vorschriften nicht die ebenso bündige Antwort erhält, daß ihn das nichts an¬ gehe, denn er ist ja ein Tribun, der alle Ausschreitungen und versteckten Bös¬ willigkeiten einer schlechten Verwaltung an das Tageslicht ziehen mich, so versteht er mit dialektischer Gewandtheit, daraus ein sogenanntes Beweismittel — andre würden es eine bloße Behauptung nennen — für die zweijährige Dienstzeit abzuleiten. Mit geschmackvollen Ausfällen gegen Garde und Garde du Corps ver¬ bindet Herr Richter dann Auseinandersetzungen über die Abschaffung der Kürassiere, das Verhältnis der Kavallerie zu den andern Waffengattungen und dergleichen und beruft sich dabei auf das Urteil eines Generals und eines Obersten. Wahrscheinlich könnte er zwanzig und mehr höhere Offiziere finden, die in diesem Punkte seiner Ansicht sind; alle diese Dinge sind eben offene militärische Fragen, welche in den Kreisen der Armee erwogen werden. Dabei sind wir im Gegensatze zu der im Parlamente wiederholt zu Tage getretenen Anschauung nicht der Ansicht, daß man zur Teilnahme an der Diskussion über militärische Fragen durchaus früher einmal des Königs Rock getragen haben müsse. Jeder intelligente Mann ist imstande, sich sein Urteil zu bilden, wenn er sich die Mühe nimmt, die grundlegenden Gedanken zu studiren. Hätte Herr Richter das gethan, so würde er in seinem Freimute wahrscheinlich der Preußischen Kriegsverwaltung ein hohes Lob dafür spenden, daß sie nach alter Tradition nicht ohne weiteres die zahlreichen vorgeschlagenen Änderungen ein¬ führt, sondern neu auftauchende Fragen jahrelang besprechen und erproben läßt, bis sich der brauchbare Niederschlag in einer Verbesserung der bestehenden Ein¬ richtungen krystallisirt. Denn man darf nicht vergessen, daß es sich bei Neuerungen nicht immer, wie bei Aufhebung der Kürassier- oder von Kavallerie¬ regimenter überhaupt, um Abschaffungen und also um direkte Ersparnis handelt, sondern ebenso häufig um großartige Anschaffungen, wie Repetirgewehre für die Infanterie oder verbesserte Geschütze für die Artillerie. Als aber der Kriegs¬ minister erklärte, daß eine Vermehrung dieser letztern Waffe nicht beabsichtigt würde, hat niemand Generale zitirt, die etwa andrer Ansicht sein könnten, und doch wird es auch solche geben. In dieses Kapitel gehören auch die kleinen Auszeichnungen und Farben¬ verschiedenheiten an der Uniform der einzelnen Regimenter und Waffengattungen. Ohne auf die militärische Seite der Frage, auf den Korpsgeist, der zu der Uni¬ form so nahe Beziehungen hat, und die Thaten, zu denen er begeistert, ohne auf diese und eine Menge andre Punkte einzugehen, wollen wir nur darauf hinweisen, daß allerdings mit diesen Äußerlichkeiten ein geringer Mehraufwand gegen eine ganz gleichmäßig einfache Uniformirung der Armee stattfindet, daß aber der Übergang zu dieser letztern sehr erhebliche Kosten mit sich bringen würde. Grenzboten I. 1883. 60

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/481>, abgerufen am 04.07.2024.