Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Herr Thaddäus.

Waffenstillstand, drum brüderlich essen, saufen," Dies Idyll droht aber teils
an den Intriguen, welche Frau Telimene spinnt, um den jungen, frischen
Thaddäus an sich zu fesseln, teils durch die altbeliebte heißblutige polnische
Zanksucht, die diesmal um den Besitz des alten Schlosses der ausgestorbenen
Wojewodenfamilie der Horeszko entbrennt, teils durch das Hereinspielcn
der weltgeschichtlichen Ereignisse rasch genug zu enden. In den ländlichen
Kreisen Litthauens werfen die kommenden Dinge ihren Schatten voraus, mit
der Kunde vom wahrscheinlichen Kriege des großen Siegers Napoleon gegen
den Zaren erwacht in den polnischen Edelhöfen unter der ganzen Schlacht"
und ihrem Anhang der streitfrohe Zorn wider Moskau. Aber der große Komet
von 1811, der auch über Soplicowo steht, bedeutet zunächst dem friedlichen
litthauischen Landsitz und Dorf Unheil, eine lokale Fehde gegen die Sopliea,
denen man den Besitz des Herrenschlosses der Horeszko nicht gönnt, soll mit der
aus der herrliche" altpolnischen Wirtschaft stammenden Sitte eines Einritts,
der gewaltsamen Besitzergreifung eines streitigen Eigentums, beendet werden. Man
überfällt die Soplica glücklich, aber da der Gewalthaufe, der sich mit dem
Grasen Dobrzynsli im Schlosse einnistet, viele der Patrioten in sich faßt, die
den Russen schon längere Zeit verdächtig sind, da das siegreiche Lager, in welchem
tapfer gegessen und noch tapferer getrunken worden ist, alle Vorsichtsmaßregeln
versäumt hat, so werden die Sieger vom vorhergehenden Abend am andern
Morgen von russischen Truppen überfallen und gefangen genommen. Vergeblich
protestirt der wackre Richter Soplica für die Einbrecher und erklärt, daß hier
nur "Nachbarhändel, wie sie sich häufig begeben," vorgefallen seien. Major
Plut, "ein Schuft vom Wirbel bis zur Sohle, wie immer ein beim Zaren ver-
moskowiteter Pole," gedenkt den bösen Handel möglichst auszunutzen und
für jeden der Gefangenen tausend Rubel Lösegeld zu erpressen. Da Litthauen
bereits unter dem Kriegsrecht des "gelben Buches" steht, so könnte der Handel
für die Helden dieses Einritts übel genug enden, wenn sich nicht das Gefühl
der Landsmannschaft in den noch freien Polen regte, welche eigentlich den
Soplicas zu Hilfe geeilt sind und diesen über Wunsch und Gebühr von den
Russen geholfen finden. Denn so zänkisch, so erpicht auf Händel und Rauferei
die polnische Schlachta ist, rachsüchtig ist sie nicht, und die Landsleute kann man
unmöglich in den Händen der Russen lassen. Wie die Moskowiter nach oliven
Gelag von den polnischen Damen einen Tanz begehren und Major Plut auf
seine Manier brutal galant wird, kommt das polnische Blut in Wallung, der
junge Thaddäus eröffnet den Kampf, indem er den Moskowiter ohrfeigt, und
der Bernhardiner Robak zieht aus dem Kuttenärmel ein Terzerol, um Thaddäus
zu bewaffnen. Die Schüsse krachen, die Messer blitzen, die gefangnen Polen
werden befreit und kämpfen, mit ihren Landsleuten verbunden, gegen die rus¬
sischen Jäger, im malerischen Handgemenge schlägt Stahl an Stahl, die Russen
können nicht mehr feuern, um nicht die Ihrigen zu treffen, Hauptmann


Herr Thaddäus.

Waffenstillstand, drum brüderlich essen, saufen," Dies Idyll droht aber teils
an den Intriguen, welche Frau Telimene spinnt, um den jungen, frischen
Thaddäus an sich zu fesseln, teils durch die altbeliebte heißblutige polnische
Zanksucht, die diesmal um den Besitz des alten Schlosses der ausgestorbenen
Wojewodenfamilie der Horeszko entbrennt, teils durch das Hereinspielcn
der weltgeschichtlichen Ereignisse rasch genug zu enden. In den ländlichen
Kreisen Litthauens werfen die kommenden Dinge ihren Schatten voraus, mit
der Kunde vom wahrscheinlichen Kriege des großen Siegers Napoleon gegen
den Zaren erwacht in den polnischen Edelhöfen unter der ganzen Schlacht«
und ihrem Anhang der streitfrohe Zorn wider Moskau. Aber der große Komet
von 1811, der auch über Soplicowo steht, bedeutet zunächst dem friedlichen
litthauischen Landsitz und Dorf Unheil, eine lokale Fehde gegen die Sopliea,
denen man den Besitz des Herrenschlosses der Horeszko nicht gönnt, soll mit der
aus der herrliche» altpolnischen Wirtschaft stammenden Sitte eines Einritts,
der gewaltsamen Besitzergreifung eines streitigen Eigentums, beendet werden. Man
überfällt die Soplica glücklich, aber da der Gewalthaufe, der sich mit dem
Grasen Dobrzynsli im Schlosse einnistet, viele der Patrioten in sich faßt, die
den Russen schon längere Zeit verdächtig sind, da das siegreiche Lager, in welchem
tapfer gegessen und noch tapferer getrunken worden ist, alle Vorsichtsmaßregeln
versäumt hat, so werden die Sieger vom vorhergehenden Abend am andern
Morgen von russischen Truppen überfallen und gefangen genommen. Vergeblich
protestirt der wackre Richter Soplica für die Einbrecher und erklärt, daß hier
nur „Nachbarhändel, wie sie sich häufig begeben," vorgefallen seien. Major
Plut, „ein Schuft vom Wirbel bis zur Sohle, wie immer ein beim Zaren ver-
moskowiteter Pole," gedenkt den bösen Handel möglichst auszunutzen und
für jeden der Gefangenen tausend Rubel Lösegeld zu erpressen. Da Litthauen
bereits unter dem Kriegsrecht des „gelben Buches" steht, so könnte der Handel
für die Helden dieses Einritts übel genug enden, wenn sich nicht das Gefühl
der Landsmannschaft in den noch freien Polen regte, welche eigentlich den
Soplicas zu Hilfe geeilt sind und diesen über Wunsch und Gebühr von den
Russen geholfen finden. Denn so zänkisch, so erpicht auf Händel und Rauferei
die polnische Schlachta ist, rachsüchtig ist sie nicht, und die Landsleute kann man
unmöglich in den Händen der Russen lassen. Wie die Moskowiter nach oliven
Gelag von den polnischen Damen einen Tanz begehren und Major Plut auf
seine Manier brutal galant wird, kommt das polnische Blut in Wallung, der
junge Thaddäus eröffnet den Kampf, indem er den Moskowiter ohrfeigt, und
der Bernhardiner Robak zieht aus dem Kuttenärmel ein Terzerol, um Thaddäus
zu bewaffnen. Die Schüsse krachen, die Messer blitzen, die gefangnen Polen
werden befreit und kämpfen, mit ihren Landsleuten verbunden, gegen die rus¬
sischen Jäger, im malerischen Handgemenge schlägt Stahl an Stahl, die Russen
können nicht mehr feuern, um nicht die Ihrigen zu treffen, Hauptmann


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0474" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/152258"/>
          <fw type="header" place="top"> Herr Thaddäus.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1801" prev="#ID_1800" next="#ID_1802"> Waffenstillstand, drum brüderlich essen, saufen," Dies Idyll droht aber teils<lb/>
an den Intriguen, welche Frau Telimene spinnt, um den jungen, frischen<lb/>
Thaddäus an sich zu fesseln, teils durch die altbeliebte heißblutige polnische<lb/>
Zanksucht, die diesmal um den Besitz des alten Schlosses der ausgestorbenen<lb/>
Wojewodenfamilie der Horeszko entbrennt, teils durch das Hereinspielcn<lb/>
der weltgeschichtlichen Ereignisse rasch genug zu enden. In den ländlichen<lb/>
Kreisen Litthauens werfen die kommenden Dinge ihren Schatten voraus, mit<lb/>
der Kunde vom wahrscheinlichen Kriege des großen Siegers Napoleon gegen<lb/>
den Zaren erwacht in den polnischen Edelhöfen unter der ganzen Schlacht«<lb/>
und ihrem Anhang der streitfrohe Zorn wider Moskau. Aber der große Komet<lb/>
von 1811, der auch über Soplicowo steht, bedeutet zunächst dem friedlichen<lb/>
litthauischen Landsitz und Dorf Unheil, eine lokale Fehde gegen die Sopliea,<lb/>
denen man den Besitz des Herrenschlosses der Horeszko nicht gönnt, soll mit der<lb/>
aus der herrliche» altpolnischen Wirtschaft stammenden Sitte eines Einritts,<lb/>
der gewaltsamen Besitzergreifung eines streitigen Eigentums, beendet werden. Man<lb/>
überfällt die Soplica glücklich, aber da der Gewalthaufe, der sich mit dem<lb/>
Grasen Dobrzynsli im Schlosse einnistet, viele der Patrioten in sich faßt, die<lb/>
den Russen schon längere Zeit verdächtig sind, da das siegreiche Lager, in welchem<lb/>
tapfer gegessen und noch tapferer getrunken worden ist, alle Vorsichtsmaßregeln<lb/>
versäumt hat, so werden die Sieger vom vorhergehenden Abend am andern<lb/>
Morgen von russischen Truppen überfallen und gefangen genommen. Vergeblich<lb/>
protestirt der wackre Richter Soplica für die Einbrecher und erklärt, daß hier<lb/>
nur &#x201E;Nachbarhändel, wie sie sich häufig begeben," vorgefallen seien. Major<lb/>
Plut, &#x201E;ein Schuft vom Wirbel bis zur Sohle, wie immer ein beim Zaren ver-<lb/>
moskowiteter Pole," gedenkt den bösen Handel möglichst auszunutzen und<lb/>
für jeden der Gefangenen tausend Rubel Lösegeld zu erpressen. Da Litthauen<lb/>
bereits unter dem Kriegsrecht des &#x201E;gelben Buches" steht, so könnte der Handel<lb/>
für die Helden dieses Einritts übel genug enden, wenn sich nicht das Gefühl<lb/>
der Landsmannschaft in den noch freien Polen regte, welche eigentlich den<lb/>
Soplicas zu Hilfe geeilt sind und diesen über Wunsch und Gebühr von den<lb/>
Russen geholfen finden. Denn so zänkisch, so erpicht auf Händel und Rauferei<lb/>
die polnische Schlachta ist, rachsüchtig ist sie nicht, und die Landsleute kann man<lb/>
unmöglich in den Händen der Russen lassen. Wie die Moskowiter nach oliven<lb/>
Gelag von den polnischen Damen einen Tanz begehren und Major Plut auf<lb/>
seine Manier brutal galant wird, kommt das polnische Blut in Wallung, der<lb/>
junge Thaddäus eröffnet den Kampf, indem er den Moskowiter ohrfeigt, und<lb/>
der Bernhardiner Robak zieht aus dem Kuttenärmel ein Terzerol, um Thaddäus<lb/>
zu bewaffnen. Die Schüsse krachen, die Messer blitzen, die gefangnen Polen<lb/>
werden befreit und kämpfen, mit ihren Landsleuten verbunden, gegen die rus¬<lb/>
sischen Jäger, im malerischen Handgemenge schlägt Stahl an Stahl, die Russen<lb/>
können nicht mehr feuern, um nicht die Ihrigen zu treffen, Hauptmann</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0474] Herr Thaddäus. Waffenstillstand, drum brüderlich essen, saufen," Dies Idyll droht aber teils an den Intriguen, welche Frau Telimene spinnt, um den jungen, frischen Thaddäus an sich zu fesseln, teils durch die altbeliebte heißblutige polnische Zanksucht, die diesmal um den Besitz des alten Schlosses der ausgestorbenen Wojewodenfamilie der Horeszko entbrennt, teils durch das Hereinspielcn der weltgeschichtlichen Ereignisse rasch genug zu enden. In den ländlichen Kreisen Litthauens werfen die kommenden Dinge ihren Schatten voraus, mit der Kunde vom wahrscheinlichen Kriege des großen Siegers Napoleon gegen den Zaren erwacht in den polnischen Edelhöfen unter der ganzen Schlacht« und ihrem Anhang der streitfrohe Zorn wider Moskau. Aber der große Komet von 1811, der auch über Soplicowo steht, bedeutet zunächst dem friedlichen litthauischen Landsitz und Dorf Unheil, eine lokale Fehde gegen die Sopliea, denen man den Besitz des Herrenschlosses der Horeszko nicht gönnt, soll mit der aus der herrliche» altpolnischen Wirtschaft stammenden Sitte eines Einritts, der gewaltsamen Besitzergreifung eines streitigen Eigentums, beendet werden. Man überfällt die Soplica glücklich, aber da der Gewalthaufe, der sich mit dem Grasen Dobrzynsli im Schlosse einnistet, viele der Patrioten in sich faßt, die den Russen schon längere Zeit verdächtig sind, da das siegreiche Lager, in welchem tapfer gegessen und noch tapferer getrunken worden ist, alle Vorsichtsmaßregeln versäumt hat, so werden die Sieger vom vorhergehenden Abend am andern Morgen von russischen Truppen überfallen und gefangen genommen. Vergeblich protestirt der wackre Richter Soplica für die Einbrecher und erklärt, daß hier nur „Nachbarhändel, wie sie sich häufig begeben," vorgefallen seien. Major Plut, „ein Schuft vom Wirbel bis zur Sohle, wie immer ein beim Zaren ver- moskowiteter Pole," gedenkt den bösen Handel möglichst auszunutzen und für jeden der Gefangenen tausend Rubel Lösegeld zu erpressen. Da Litthauen bereits unter dem Kriegsrecht des „gelben Buches" steht, so könnte der Handel für die Helden dieses Einritts übel genug enden, wenn sich nicht das Gefühl der Landsmannschaft in den noch freien Polen regte, welche eigentlich den Soplicas zu Hilfe geeilt sind und diesen über Wunsch und Gebühr von den Russen geholfen finden. Denn so zänkisch, so erpicht auf Händel und Rauferei die polnische Schlachta ist, rachsüchtig ist sie nicht, und die Landsleute kann man unmöglich in den Händen der Russen lassen. Wie die Moskowiter nach oliven Gelag von den polnischen Damen einen Tanz begehren und Major Plut auf seine Manier brutal galant wird, kommt das polnische Blut in Wallung, der junge Thaddäus eröffnet den Kampf, indem er den Moskowiter ohrfeigt, und der Bernhardiner Robak zieht aus dem Kuttenärmel ein Terzerol, um Thaddäus zu bewaffnen. Die Schüsse krachen, die Messer blitzen, die gefangnen Polen werden befreit und kämpfen, mit ihren Landsleuten verbunden, gegen die rus¬ sischen Jäger, im malerischen Handgemenge schlägt Stahl an Stahl, die Russen können nicht mehr feuern, um nicht die Ihrigen zu treffen, Hauptmann

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/474
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/474>, abgerufen am 03.07.2024.