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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Die deutsche Flotte.

Wie aber selbstverständlich die auf Jahre vorher bestimmten Etatssätze
manchen Schwankungen im Laufe der Zeit unterworfen gewesen sind, so hat
auch die ganze Ausführung des Flottengründungsplanes vielfache Änderungen
erfahren müssen. Zunächst war es nicht in allen Fällen möglich, die erforder¬
lichen Bauten an Schiffen und an Marineetablissements in dem in Aussicht ge¬
nommenen Tempo zu fördern, sodaß die einmaligen Ausgaben in den einzelnen
Finanzjahren erheblich hinter der Vorherbestimmung zurückblieben, wenn auch
die laufenden Ausgaben sich in ziemlicher Übereinstimmung mit derselben stei¬
gern mochten. Keine Zeit ist ferner reicher an Erfindungen mannichfachster Art
in Bezug auf die Tragweite der Geschütze, die Durchschlagskraft der Geschosse
und die schützende Panzerung gewesen als das verflossene Jahrzehnt, und das
Bestreben, die Entwicklung der kaiserlichen Marine stets auf der Höhe der
neuesten Forschungen und Erfindungen zu halten, mußte natürlich einen ent¬
scheidenden Einfluß auf den Bau wie auf die Bewaffnung der Schiffe ausüben.
Und während der "Kampf zwischen Panzer und Geschütz" noch immer nicht
beendigt ist, hat die Entwicklung des Torpedowescns solche Fortschritte gemacht,
daß anscheinend diese tückische Waffe zu einem hauptsächlichen Kampfmittel im
Seekriege geworden ist. Namentlich für die Küstenverteidigung erscheinen die
Torpedos von hoher Wichtigkeit, was auch von selten der Admiralität in einer
Weise anerkannt worden ist, daß die letzte offizielle Schiffsliste der kaiserlichen
Marine bereits 15 Torpedoboote und Minenleger aufzählt, während nach der¬
selben Liste vom Jahre 1880 erst zwei eigentliche Torpedoboote neben einer
Anzahl von Minenlegern und Minenprahmen vorhanden waren. Ein vollstän¬
diger Abschluß der Flottenorganisation ist also aus diesen und einigen andern
ähnlichen Gründen nicht erreicht worden, und die stetig im Fortschreiten begriffene
Technik wird einen solchen wohl auch stets verbieten; dagegen ist im allgemeinen
der Flottengründungsplan sachlich der Vollendung entgegengeführt, und nament¬
lich wird die von vornherein beabsichtigte Beschränkung desselben nicht an¬
getastet.

Wie es unserm Kaiser im Laufe seiner vielbewegten Regierung so häufig
gelungen ist, für besondre Aufgaben die richtige Persönlichkeit zu finden, so hat
auch der auf den schwierigen Posten eines Chefs der Admiralität berufene Ge¬
neral in mehr als zwölfjähriger angestrengter Thätigkeit bedeutendes zu schaffen
verstanden. Zwar ist General von Stosch sowenig wie vor ihm Prinz Adalbert
ein fachmännisch gebildeter Seemann, sondern aus dem Landheere zu seiner
jetzigen Stellung berufen, und dieser Umstand mag ihm von vornherein manche,
bis auf den heutigen Tag noch nicht überwundene Gegnerschaft zugezogen haben.
Mit großer Arbeitskraft aber und eiserner Energie verbindet der Chef der Ad¬
miralität ein ausgesprochenes Organisationstalent, und vermöge dieser Eigen¬
schaften hat er die mannichfachen entgegenstehenden Schwierigkeiten seines hohen
Amtes siegreich überwunden, und von künstigen Erfolgen der deutschen Flotte


Die deutsche Flotte.

Wie aber selbstverständlich die auf Jahre vorher bestimmten Etatssätze
manchen Schwankungen im Laufe der Zeit unterworfen gewesen sind, so hat
auch die ganze Ausführung des Flottengründungsplanes vielfache Änderungen
erfahren müssen. Zunächst war es nicht in allen Fällen möglich, die erforder¬
lichen Bauten an Schiffen und an Marineetablissements in dem in Aussicht ge¬
nommenen Tempo zu fördern, sodaß die einmaligen Ausgaben in den einzelnen
Finanzjahren erheblich hinter der Vorherbestimmung zurückblieben, wenn auch
die laufenden Ausgaben sich in ziemlicher Übereinstimmung mit derselben stei¬
gern mochten. Keine Zeit ist ferner reicher an Erfindungen mannichfachster Art
in Bezug auf die Tragweite der Geschütze, die Durchschlagskraft der Geschosse
und die schützende Panzerung gewesen als das verflossene Jahrzehnt, und das
Bestreben, die Entwicklung der kaiserlichen Marine stets auf der Höhe der
neuesten Forschungen und Erfindungen zu halten, mußte natürlich einen ent¬
scheidenden Einfluß auf den Bau wie auf die Bewaffnung der Schiffe ausüben.
Und während der „Kampf zwischen Panzer und Geschütz" noch immer nicht
beendigt ist, hat die Entwicklung des Torpedowescns solche Fortschritte gemacht,
daß anscheinend diese tückische Waffe zu einem hauptsächlichen Kampfmittel im
Seekriege geworden ist. Namentlich für die Küstenverteidigung erscheinen die
Torpedos von hoher Wichtigkeit, was auch von selten der Admiralität in einer
Weise anerkannt worden ist, daß die letzte offizielle Schiffsliste der kaiserlichen
Marine bereits 15 Torpedoboote und Minenleger aufzählt, während nach der¬
selben Liste vom Jahre 1880 erst zwei eigentliche Torpedoboote neben einer
Anzahl von Minenlegern und Minenprahmen vorhanden waren. Ein vollstän¬
diger Abschluß der Flottenorganisation ist also aus diesen und einigen andern
ähnlichen Gründen nicht erreicht worden, und die stetig im Fortschreiten begriffene
Technik wird einen solchen wohl auch stets verbieten; dagegen ist im allgemeinen
der Flottengründungsplan sachlich der Vollendung entgegengeführt, und nament¬
lich wird die von vornherein beabsichtigte Beschränkung desselben nicht an¬
getastet.

Wie es unserm Kaiser im Laufe seiner vielbewegten Regierung so häufig
gelungen ist, für besondre Aufgaben die richtige Persönlichkeit zu finden, so hat
auch der auf den schwierigen Posten eines Chefs der Admiralität berufene Ge¬
neral in mehr als zwölfjähriger angestrengter Thätigkeit bedeutendes zu schaffen
verstanden. Zwar ist General von Stosch sowenig wie vor ihm Prinz Adalbert
ein fachmännisch gebildeter Seemann, sondern aus dem Landheere zu seiner
jetzigen Stellung berufen, und dieser Umstand mag ihm von vornherein manche,
bis auf den heutigen Tag noch nicht überwundene Gegnerschaft zugezogen haben.
Mit großer Arbeitskraft aber und eiserner Energie verbindet der Chef der Ad¬
miralität ein ausgesprochenes Organisationstalent, und vermöge dieser Eigen¬
schaften hat er die mannichfachen entgegenstehenden Schwierigkeiten seines hohen
Amtes siegreich überwunden, und von künstigen Erfolgen der deutschen Flotte


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[0460] Die deutsche Flotte. Wie aber selbstverständlich die auf Jahre vorher bestimmten Etatssätze manchen Schwankungen im Laufe der Zeit unterworfen gewesen sind, so hat auch die ganze Ausführung des Flottengründungsplanes vielfache Änderungen erfahren müssen. Zunächst war es nicht in allen Fällen möglich, die erforder¬ lichen Bauten an Schiffen und an Marineetablissements in dem in Aussicht ge¬ nommenen Tempo zu fördern, sodaß die einmaligen Ausgaben in den einzelnen Finanzjahren erheblich hinter der Vorherbestimmung zurückblieben, wenn auch die laufenden Ausgaben sich in ziemlicher Übereinstimmung mit derselben stei¬ gern mochten. Keine Zeit ist ferner reicher an Erfindungen mannichfachster Art in Bezug auf die Tragweite der Geschütze, die Durchschlagskraft der Geschosse und die schützende Panzerung gewesen als das verflossene Jahrzehnt, und das Bestreben, die Entwicklung der kaiserlichen Marine stets auf der Höhe der neuesten Forschungen und Erfindungen zu halten, mußte natürlich einen ent¬ scheidenden Einfluß auf den Bau wie auf die Bewaffnung der Schiffe ausüben. Und während der „Kampf zwischen Panzer und Geschütz" noch immer nicht beendigt ist, hat die Entwicklung des Torpedowescns solche Fortschritte gemacht, daß anscheinend diese tückische Waffe zu einem hauptsächlichen Kampfmittel im Seekriege geworden ist. Namentlich für die Küstenverteidigung erscheinen die Torpedos von hoher Wichtigkeit, was auch von selten der Admiralität in einer Weise anerkannt worden ist, daß die letzte offizielle Schiffsliste der kaiserlichen Marine bereits 15 Torpedoboote und Minenleger aufzählt, während nach der¬ selben Liste vom Jahre 1880 erst zwei eigentliche Torpedoboote neben einer Anzahl von Minenlegern und Minenprahmen vorhanden waren. Ein vollstän¬ diger Abschluß der Flottenorganisation ist also aus diesen und einigen andern ähnlichen Gründen nicht erreicht worden, und die stetig im Fortschreiten begriffene Technik wird einen solchen wohl auch stets verbieten; dagegen ist im allgemeinen der Flottengründungsplan sachlich der Vollendung entgegengeführt, und nament¬ lich wird die von vornherein beabsichtigte Beschränkung desselben nicht an¬ getastet. Wie es unserm Kaiser im Laufe seiner vielbewegten Regierung so häufig gelungen ist, für besondre Aufgaben die richtige Persönlichkeit zu finden, so hat auch der auf den schwierigen Posten eines Chefs der Admiralität berufene Ge¬ neral in mehr als zwölfjähriger angestrengter Thätigkeit bedeutendes zu schaffen verstanden. Zwar ist General von Stosch sowenig wie vor ihm Prinz Adalbert ein fachmännisch gebildeter Seemann, sondern aus dem Landheere zu seiner jetzigen Stellung berufen, und dieser Umstand mag ihm von vornherein manche, bis auf den heutigen Tag noch nicht überwundene Gegnerschaft zugezogen haben. Mit großer Arbeitskraft aber und eiserner Energie verbindet der Chef der Ad¬ miralität ein ausgesprochenes Organisationstalent, und vermöge dieser Eigen¬ schaften hat er die mannichfachen entgegenstehenden Schwierigkeiten seines hohen Amtes siegreich überwunden, und von künstigen Erfolgen der deutschen Flotte

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/460>, abgerufen am 23.07.2024.