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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Die deutsche Flotte.

schon über Verhältnis in Anspruch genommen waren, wiederholt den Versuch
zur Gründung einer solchen in Gemeinschaft mit den Staaten des Zollvereins,
ohne jedoch den zähen Widerstand kleinstaatlicher Sonderpolitik in dieser Rich¬
tung überwinden zu können.

Politische Motive und Zweckmäßigkeitsgründe veranlaßten neben seiner
Vaterlandsliebe und der Begeisterung sür die gute Sache wohl hauptsächlich den
Prinzen Adalbert von Preußen, die Leitung der 1848 geschaffenen deutschen
Flotte in die Hand zu nehmen. Zwar konnte er sie nicht vor dem Hammer
des Auktionators bewahren, doch sollte er berufen sein, an andrer Stelle auf
gleichem Gebiet seinem Könige und dem Vaterlande ersprießliche Dienste zu
leisten. Denn Preußen hielt den Augenblick für gekommen, seinerseits selbständig
den Gedanken der Kriegsmarine zur That werden zu lassen. Mit der nüchtern
praktischen Entschlossenheit, welche alle Unternehmungen Preußens kennzeichnet,
ging man aus Werk und konnte schon mit dem Ablauf des Malmöer Waffen¬
stillstandes, im August 1849, eine kleine Flotte, bestehend aus der Segelkorvette
Amazone, den beiden Raddampfern Adler und Elisabeth, 21 Rudertanonscha-
luppcn und 6 Ruderkanonjollen, mit im ganzen 67 Geschützen und einer Be¬
mannung von 1S21 Köpfen, unter den Befehlen des Kommodore Schroeder
vereinigen.

Nach dem Frieden erhielt Prinz Adalbert das Oberkommando über die
preußischen Schiffe und hat bis zu seinem am 6. Juni 1873 erfolgten Tode
seine ganze Kraft der Entwicklung der jungen Marine gewidmet. Obgleich nicht
Seemann von Beruf und Erziehung, wohl aber nach Neigung und ernstem
maritimen Studium, ist der genannte Prinz recht eigentlich als der Gründer
der deutschen Flotte anzusehen, und wenn es ihm auch nicht vergönnt gewesen
ist, an der Spitze eines mächtigen Panzergcschwaders Seesiege von welterschttt-
terndcr Bedeutung über die Feinde seines Vaterlandes zu erringen, so ist dafür
die gedeihliche Fortentwicklung der Flotte in ihren Hauptzügen ganz wesentlich
seiner unermüdlichen hingebenden Arbeit zu verdanken, und nicht nur der deutsche
Seemann, sondern jeder Patriot wird beim Anblick des im Jahre 1882 dem
prinzlichen Herrn in Bremerhaven gesetzten Denkmals mit Stolz und Freude
des ersten preußischen Admirals gedenken.

Die Bewohner der preußischen Küstenstriche lieferten ein vortreffliches
Material zur Bemannung der Flotte, das Hauptaugenmerk aber mußte der
kommandirende Offizier auf die Gewinnung und Heranbildung tüchtiger See¬
offiziere richten. Zu diesem Zwecke wurden junge Leute als Offiziersaspiranten
eingestellt, und Offiziere fremder Kriegsflotten wie aus der Handelsmarine heran¬
gezogen. Armeeoffiziere widmeten sich dem neuen Berufe und wurden zu weiterer
Fachausbildung auf die englische, amerikanische und holländische Flotte komman-
dirt. Der Erfolg des ernsten Strebens blieb nicht aus: auch das homogene,
an innerer Tüchtigkeit und kmneradschaftlicher Zusammengehörigkeit dem tradi-


Grenzboten I. 1883. Ü7
Die deutsche Flotte.

schon über Verhältnis in Anspruch genommen waren, wiederholt den Versuch
zur Gründung einer solchen in Gemeinschaft mit den Staaten des Zollvereins,
ohne jedoch den zähen Widerstand kleinstaatlicher Sonderpolitik in dieser Rich¬
tung überwinden zu können.

Politische Motive und Zweckmäßigkeitsgründe veranlaßten neben seiner
Vaterlandsliebe und der Begeisterung sür die gute Sache wohl hauptsächlich den
Prinzen Adalbert von Preußen, die Leitung der 1848 geschaffenen deutschen
Flotte in die Hand zu nehmen. Zwar konnte er sie nicht vor dem Hammer
des Auktionators bewahren, doch sollte er berufen sein, an andrer Stelle auf
gleichem Gebiet seinem Könige und dem Vaterlande ersprießliche Dienste zu
leisten. Denn Preußen hielt den Augenblick für gekommen, seinerseits selbständig
den Gedanken der Kriegsmarine zur That werden zu lassen. Mit der nüchtern
praktischen Entschlossenheit, welche alle Unternehmungen Preußens kennzeichnet,
ging man aus Werk und konnte schon mit dem Ablauf des Malmöer Waffen¬
stillstandes, im August 1849, eine kleine Flotte, bestehend aus der Segelkorvette
Amazone, den beiden Raddampfern Adler und Elisabeth, 21 Rudertanonscha-
luppcn und 6 Ruderkanonjollen, mit im ganzen 67 Geschützen und einer Be¬
mannung von 1S21 Köpfen, unter den Befehlen des Kommodore Schroeder
vereinigen.

Nach dem Frieden erhielt Prinz Adalbert das Oberkommando über die
preußischen Schiffe und hat bis zu seinem am 6. Juni 1873 erfolgten Tode
seine ganze Kraft der Entwicklung der jungen Marine gewidmet. Obgleich nicht
Seemann von Beruf und Erziehung, wohl aber nach Neigung und ernstem
maritimen Studium, ist der genannte Prinz recht eigentlich als der Gründer
der deutschen Flotte anzusehen, und wenn es ihm auch nicht vergönnt gewesen
ist, an der Spitze eines mächtigen Panzergcschwaders Seesiege von welterschttt-
terndcr Bedeutung über die Feinde seines Vaterlandes zu erringen, so ist dafür
die gedeihliche Fortentwicklung der Flotte in ihren Hauptzügen ganz wesentlich
seiner unermüdlichen hingebenden Arbeit zu verdanken, und nicht nur der deutsche
Seemann, sondern jeder Patriot wird beim Anblick des im Jahre 1882 dem
prinzlichen Herrn in Bremerhaven gesetzten Denkmals mit Stolz und Freude
des ersten preußischen Admirals gedenken.

Die Bewohner der preußischen Küstenstriche lieferten ein vortreffliches
Material zur Bemannung der Flotte, das Hauptaugenmerk aber mußte der
kommandirende Offizier auf die Gewinnung und Heranbildung tüchtiger See¬
offiziere richten. Zu diesem Zwecke wurden junge Leute als Offiziersaspiranten
eingestellt, und Offiziere fremder Kriegsflotten wie aus der Handelsmarine heran¬
gezogen. Armeeoffiziere widmeten sich dem neuen Berufe und wurden zu weiterer
Fachausbildung auf die englische, amerikanische und holländische Flotte komman-
dirt. Der Erfolg des ernsten Strebens blieb nicht aus: auch das homogene,
an innerer Tüchtigkeit und kmneradschaftlicher Zusammengehörigkeit dem tradi-


Grenzboten I. 1883. Ü7
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[0457] Die deutsche Flotte. schon über Verhältnis in Anspruch genommen waren, wiederholt den Versuch zur Gründung einer solchen in Gemeinschaft mit den Staaten des Zollvereins, ohne jedoch den zähen Widerstand kleinstaatlicher Sonderpolitik in dieser Rich¬ tung überwinden zu können. Politische Motive und Zweckmäßigkeitsgründe veranlaßten neben seiner Vaterlandsliebe und der Begeisterung sür die gute Sache wohl hauptsächlich den Prinzen Adalbert von Preußen, die Leitung der 1848 geschaffenen deutschen Flotte in die Hand zu nehmen. Zwar konnte er sie nicht vor dem Hammer des Auktionators bewahren, doch sollte er berufen sein, an andrer Stelle auf gleichem Gebiet seinem Könige und dem Vaterlande ersprießliche Dienste zu leisten. Denn Preußen hielt den Augenblick für gekommen, seinerseits selbständig den Gedanken der Kriegsmarine zur That werden zu lassen. Mit der nüchtern praktischen Entschlossenheit, welche alle Unternehmungen Preußens kennzeichnet, ging man aus Werk und konnte schon mit dem Ablauf des Malmöer Waffen¬ stillstandes, im August 1849, eine kleine Flotte, bestehend aus der Segelkorvette Amazone, den beiden Raddampfern Adler und Elisabeth, 21 Rudertanonscha- luppcn und 6 Ruderkanonjollen, mit im ganzen 67 Geschützen und einer Be¬ mannung von 1S21 Köpfen, unter den Befehlen des Kommodore Schroeder vereinigen. Nach dem Frieden erhielt Prinz Adalbert das Oberkommando über die preußischen Schiffe und hat bis zu seinem am 6. Juni 1873 erfolgten Tode seine ganze Kraft der Entwicklung der jungen Marine gewidmet. Obgleich nicht Seemann von Beruf und Erziehung, wohl aber nach Neigung und ernstem maritimen Studium, ist der genannte Prinz recht eigentlich als der Gründer der deutschen Flotte anzusehen, und wenn es ihm auch nicht vergönnt gewesen ist, an der Spitze eines mächtigen Panzergcschwaders Seesiege von welterschttt- terndcr Bedeutung über die Feinde seines Vaterlandes zu erringen, so ist dafür die gedeihliche Fortentwicklung der Flotte in ihren Hauptzügen ganz wesentlich seiner unermüdlichen hingebenden Arbeit zu verdanken, und nicht nur der deutsche Seemann, sondern jeder Patriot wird beim Anblick des im Jahre 1882 dem prinzlichen Herrn in Bremerhaven gesetzten Denkmals mit Stolz und Freude des ersten preußischen Admirals gedenken. Die Bewohner der preußischen Küstenstriche lieferten ein vortreffliches Material zur Bemannung der Flotte, das Hauptaugenmerk aber mußte der kommandirende Offizier auf die Gewinnung und Heranbildung tüchtiger See¬ offiziere richten. Zu diesem Zwecke wurden junge Leute als Offiziersaspiranten eingestellt, und Offiziere fremder Kriegsflotten wie aus der Handelsmarine heran¬ gezogen. Armeeoffiziere widmeten sich dem neuen Berufe und wurden zu weiterer Fachausbildung auf die englische, amerikanische und holländische Flotte komman- dirt. Der Erfolg des ernsten Strebens blieb nicht aus: auch das homogene, an innerer Tüchtigkeit und kmneradschaftlicher Zusammengehörigkeit dem tradi- Grenzboten I. 1883. Ü7

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/457>, abgerufen am 23.07.2024.