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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Herr Hoff im Anfang seiner Broschüre vernehme", "daß es allmählich so weit
gekommen ist, daß in einer einflußreichen Zeitung oder weitverbreiteten Zeitschrift
ein Irgendwer das Recht zu haben glaubt, die Künstlerschaft in der Art be¬
handeln zu dürfen, wie es seinerzeit in der Kölnischen Zeitung durch Herr"
Dr. Eisenmann in Kassel, durch Herrn Bruno Bücher in der Wiener Presse,
auf welche Aufsätze (!) ich ebenfalls zurückkommen werde, und nun durch Herr"
von Wurzbach geschieht; uns in dem heiligen Respekt, der uns für die
Kunst erfüllt, glaubt ungestraft kränken zu dürfen, ohne vielleicht nicht einmal
die Ahnung zu haben, daß man uns damit in dem innersten Lebensnerv unseres
Wesens verletzt. Und alles dies auf Grund einer sogenannten Gelehrsamkeit
und eines Kunstverständnisses, deren Öde durch die klägliche Fadenscheinigkeit (!)
der Aussprüche derselben (?) um so sichtbarer durchschimmert, je mehr sie sich
in das feierliche Gewand der Sprache der Weltweisheit und des angeschwollenen
Selbstgefühls hüllen. Wir haben es mit dem in solchem Auftreten erscheinenden
Prinzip und nicht mit den Personen zu thun."

Dieser letzte Satz, welcher sich in seiner calorischem Großmut wunderbar
schön aufnimmt, ist leider nur eine hohle Phrase. Denn die Hoffsche Broschüre
trügt auf jeder Seite den Charakter eines Pasquills, welches sich in den ge¬
hässigsten persönlichen Augriffen ergeht, ohne irgendetwas sachliches vorzu¬
bringen, dem man sachliches entgegenstellen könnte. Ein Fechterstreich ist immer
unglücklicher als der andre. So glaubt Herr Hoff z. B. Alfred von Wurzbach
seine Verachtung nicht besser ausdrücken zu können, als indem er die Frage
aufwirft: "Wer ist Herr Alfred von Wurzbach? Ich habe mir die Frage bis
jetzt vergeblich gestellt, auch andre konnten mir keine Auskunft geben, niemand
wußte von einem Herrn von Wurzbach dieses Vornamens." In einer Note
setzt er dann hinzu, er habe "seither erfahren, daß Herr Alfred von Wurzbach
der Bruder Konstantin von Wnrzbach und der Verfasser verschiedener Bio¬
graphien von Dichtern und Musikern sei, und sich neuerdings auch als Kunst¬
schriftsteller aufgethan habe." Mit demselben Rechte, mit welchem Herr Hoff diese
Frage aufstellt, konnte man den Spieß umkehren und fragen: Wer ist denn
eigentlich Herr Carl Hoff? Worauf gründet sich seine Berechtigung, so gewaltig
ins Horn zu stoßen? Man könnte weit in deutschen Landen herumfragen, ehe
man auf diese Frage eine Antwort erhielte. Und im günstigsten Falle würde
sie dann lauten: "Herr Hoff ist ein Genremaler, der mit wenig Witz, aber mit
großem Aufwand von Kleiderpomp mehr oder minder larmohante Novellen er¬
zählt." Wurzbach steht unter den Kunstschriftstellern mindestens ans derselben
Stufe, die Herr Hoff unter deu Malern einnimmt. Dadurch, daß der letztre
davon nichts weiß oder nichts zu wissen vorgiebt, enthüllt er nur eine neue
Blöße seiner Bildung.

Abgesehen von diesen Kunststücken sucht er deu Gallimathias seiner Pero-
rationen noch durch Anekdoten und skandalöser zu würzen. Er erzählt Ge-


Herr Hoff im Anfang seiner Broschüre vernehme», „daß es allmählich so weit
gekommen ist, daß in einer einflußreichen Zeitung oder weitverbreiteten Zeitschrift
ein Irgendwer das Recht zu haben glaubt, die Künstlerschaft in der Art be¬
handeln zu dürfen, wie es seinerzeit in der Kölnischen Zeitung durch Herr»
Dr. Eisenmann in Kassel, durch Herrn Bruno Bücher in der Wiener Presse,
auf welche Aufsätze (!) ich ebenfalls zurückkommen werde, und nun durch Herr»
von Wurzbach geschieht; uns in dem heiligen Respekt, der uns für die
Kunst erfüllt, glaubt ungestraft kränken zu dürfen, ohne vielleicht nicht einmal
die Ahnung zu haben, daß man uns damit in dem innersten Lebensnerv unseres
Wesens verletzt. Und alles dies auf Grund einer sogenannten Gelehrsamkeit
und eines Kunstverständnisses, deren Öde durch die klägliche Fadenscheinigkeit (!)
der Aussprüche derselben (?) um so sichtbarer durchschimmert, je mehr sie sich
in das feierliche Gewand der Sprache der Weltweisheit und des angeschwollenen
Selbstgefühls hüllen. Wir haben es mit dem in solchem Auftreten erscheinenden
Prinzip und nicht mit den Personen zu thun."

Dieser letzte Satz, welcher sich in seiner calorischem Großmut wunderbar
schön aufnimmt, ist leider nur eine hohle Phrase. Denn die Hoffsche Broschüre
trügt auf jeder Seite den Charakter eines Pasquills, welches sich in den ge¬
hässigsten persönlichen Augriffen ergeht, ohne irgendetwas sachliches vorzu¬
bringen, dem man sachliches entgegenstellen könnte. Ein Fechterstreich ist immer
unglücklicher als der andre. So glaubt Herr Hoff z. B. Alfred von Wurzbach
seine Verachtung nicht besser ausdrücken zu können, als indem er die Frage
aufwirft: „Wer ist Herr Alfred von Wurzbach? Ich habe mir die Frage bis
jetzt vergeblich gestellt, auch andre konnten mir keine Auskunft geben, niemand
wußte von einem Herrn von Wurzbach dieses Vornamens." In einer Note
setzt er dann hinzu, er habe „seither erfahren, daß Herr Alfred von Wurzbach
der Bruder Konstantin von Wnrzbach und der Verfasser verschiedener Bio¬
graphien von Dichtern und Musikern sei, und sich neuerdings auch als Kunst¬
schriftsteller aufgethan habe." Mit demselben Rechte, mit welchem Herr Hoff diese
Frage aufstellt, konnte man den Spieß umkehren und fragen: Wer ist denn
eigentlich Herr Carl Hoff? Worauf gründet sich seine Berechtigung, so gewaltig
ins Horn zu stoßen? Man könnte weit in deutschen Landen herumfragen, ehe
man auf diese Frage eine Antwort erhielte. Und im günstigsten Falle würde
sie dann lauten: „Herr Hoff ist ein Genremaler, der mit wenig Witz, aber mit
großem Aufwand von Kleiderpomp mehr oder minder larmohante Novellen er¬
zählt." Wurzbach steht unter den Kunstschriftstellern mindestens ans derselben
Stufe, die Herr Hoff unter deu Malern einnimmt. Dadurch, daß der letztre
davon nichts weiß oder nichts zu wissen vorgiebt, enthüllt er nur eine neue
Blöße seiner Bildung.

Abgesehen von diesen Kunststücken sucht er deu Gallimathias seiner Pero-
rationen noch durch Anekdoten und skandalöser zu würzen. Er erzählt Ge-


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[0431] Herr Hoff im Anfang seiner Broschüre vernehme», „daß es allmählich so weit gekommen ist, daß in einer einflußreichen Zeitung oder weitverbreiteten Zeitschrift ein Irgendwer das Recht zu haben glaubt, die Künstlerschaft in der Art be¬ handeln zu dürfen, wie es seinerzeit in der Kölnischen Zeitung durch Herr» Dr. Eisenmann in Kassel, durch Herrn Bruno Bücher in der Wiener Presse, auf welche Aufsätze (!) ich ebenfalls zurückkommen werde, und nun durch Herr» von Wurzbach geschieht; uns in dem heiligen Respekt, der uns für die Kunst erfüllt, glaubt ungestraft kränken zu dürfen, ohne vielleicht nicht einmal die Ahnung zu haben, daß man uns damit in dem innersten Lebensnerv unseres Wesens verletzt. Und alles dies auf Grund einer sogenannten Gelehrsamkeit und eines Kunstverständnisses, deren Öde durch die klägliche Fadenscheinigkeit (!) der Aussprüche derselben (?) um so sichtbarer durchschimmert, je mehr sie sich in das feierliche Gewand der Sprache der Weltweisheit und des angeschwollenen Selbstgefühls hüllen. Wir haben es mit dem in solchem Auftreten erscheinenden Prinzip und nicht mit den Personen zu thun." Dieser letzte Satz, welcher sich in seiner calorischem Großmut wunderbar schön aufnimmt, ist leider nur eine hohle Phrase. Denn die Hoffsche Broschüre trügt auf jeder Seite den Charakter eines Pasquills, welches sich in den ge¬ hässigsten persönlichen Augriffen ergeht, ohne irgendetwas sachliches vorzu¬ bringen, dem man sachliches entgegenstellen könnte. Ein Fechterstreich ist immer unglücklicher als der andre. So glaubt Herr Hoff z. B. Alfred von Wurzbach seine Verachtung nicht besser ausdrücken zu können, als indem er die Frage aufwirft: „Wer ist Herr Alfred von Wurzbach? Ich habe mir die Frage bis jetzt vergeblich gestellt, auch andre konnten mir keine Auskunft geben, niemand wußte von einem Herrn von Wurzbach dieses Vornamens." In einer Note setzt er dann hinzu, er habe „seither erfahren, daß Herr Alfred von Wurzbach der Bruder Konstantin von Wnrzbach und der Verfasser verschiedener Bio¬ graphien von Dichtern und Musikern sei, und sich neuerdings auch als Kunst¬ schriftsteller aufgethan habe." Mit demselben Rechte, mit welchem Herr Hoff diese Frage aufstellt, konnte man den Spieß umkehren und fragen: Wer ist denn eigentlich Herr Carl Hoff? Worauf gründet sich seine Berechtigung, so gewaltig ins Horn zu stoßen? Man könnte weit in deutschen Landen herumfragen, ehe man auf diese Frage eine Antwort erhielte. Und im günstigsten Falle würde sie dann lauten: „Herr Hoff ist ein Genremaler, der mit wenig Witz, aber mit großem Aufwand von Kleiderpomp mehr oder minder larmohante Novellen er¬ zählt." Wurzbach steht unter den Kunstschriftstellern mindestens ans derselben Stufe, die Herr Hoff unter deu Malern einnimmt. Dadurch, daß der letztre davon nichts weiß oder nichts zu wissen vorgiebt, enthüllt er nur eine neue Blöße seiner Bildung. Abgesehen von diesen Kunststücken sucht er deu Gallimathias seiner Pero- rationen noch durch Anekdoten und skandalöser zu würzen. Er erzählt Ge-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/431>, abgerufen am 23.07.2024.