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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Künstler und llunstschreiber.

wäre, sondern ein elender beweinenswerter Krüppel, dem die Natur wohl die
Fähigkeit und den Trieb künstlerischer Reproduktion, aber nicht die Möglichkeit
der Bethätigung derselben gegeben Hütte, Das wäre allerdings die grausamste
"Entmannung des Genies." Für ein solches Wesen wäre der Tod das einzig
wünschenswerte gewesen. Aber wer eines der herrlichsten und ebenmäßigsten
Menschenbilder, welches die Natur hervorzubringen vermochte, im Ernste sich
derart verstümmelt vorstellen kann, um etwa aus der Kleinheit seines eigenen
Könnens eine um desto größere innerliche Künstlerschaft zu konstruiren, solchen
Rafnels im Geist erwidern wir: Ihr seid ja keine Krüppel, ihr habt ja Arme,
also heran an die Tafel,") und gezeigt, wie es mit der Klarheit der Bilder in
eurem Kopfe bestellt ist."

Es ist hart, daß sich der "Kunstschreiber" Lessing auf seine alten Tage
solche Dinge von Herrn Carl Hoff aus Karlsruhe sagen lassen muß, von Herrn
Carl Hoff, dessen Berechtigung, überhaupt die Feder zu ergreifen und seine
Stimme öffentlich zu erheben, obendrein so überaus zweifelhaft ist. Was soll
man dazu sage", wenn ein Mann, der sich herausnimmt, einen hervorragenden
Kunstgelehrten vou gründlichsten Wissen wie Bruno Bucher in Wien wie einen
Schulknaben zu meistern, zweimal hintereinander von dem "Saale Las Cases"
im Louvre spricht? Wie verworren muß es in einem Kopfe aussehe", welcher
den großen Philanthropen Las Casas und den Pariser Kunstsammler La Caze,
welcher seine schönen Gemälde dem Louvre vermacht hat, in einen Topf wirft
und daraus ein Wesen unter dem Namen "Las Cases" hervorgehen läßt? Und
dieser Mann, der Schnitzer auf Schnitzer macht, der über die einfachsten Stil-
rcgeln im unklaren ist, spielt sich als Vertreter der gesamten deutsche" Künstler
auf und verkündet der Welt die große Botschaft, daß "ur ein Künstler berechtigt
sei, über Kunstwerke ein richtiges Urteil zu haben und auszusprechen!

Ein wenige Seiten langer, für ein breites Publikum bestimmter Aufsatz
von Alfred von Wurzbach über die Naturalisten der Gegenwart in der Zeitschrift
"Vom Fels zum Meer" hat Herrn Hoff die unmittelbare Veranlassung zu seiner
langatmigen und langweiligen Dissertation gegeben. Satz für Satz zerrt er an
jenem harmlosen Essay umher, ohne daß es ihm gelingt, irgend einen der Wurz-
bachschen Sätze sachlich zu widerlegen, schon weil der sich überstürzende Strom
seiner Zungenfertigkeit ihn zu keinen: ruhigen Gedanken kommen läßt. Alfred
von Wurzbach gilt in den engern Kreisen der Kunstgelehrten für einen scharf¬
sinnigen Kritiker, aber für keinen besonders ausgezeichneten Stilisten. Die Sätze
aber, welche Herr Hoff aus Wurzbachs Aufsatze herausgreift und mit dem Stein¬
geröll seiner Phrasen überschüttet, nehmen sich neben den Hoffschen aus wie
echte Perlen, die in Blech gefaßt sind. "Es ist schlimm genug," so läßt sich



Da ich alle Zitate aus der Hoffschen Broschüre mit diplomatischer Genauigkeit wieder¬
gebe, so bitte ich die geehrten Leser der "Grenzboten," nicht mich für die Stil- und Jnter-
punktiousfchlcr des Herrn Hoff verantwortlich zu machen.
Künstler und llunstschreiber.

wäre, sondern ein elender beweinenswerter Krüppel, dem die Natur wohl die
Fähigkeit und den Trieb künstlerischer Reproduktion, aber nicht die Möglichkeit
der Bethätigung derselben gegeben Hütte, Das wäre allerdings die grausamste
»Entmannung des Genies.« Für ein solches Wesen wäre der Tod das einzig
wünschenswerte gewesen. Aber wer eines der herrlichsten und ebenmäßigsten
Menschenbilder, welches die Natur hervorzubringen vermochte, im Ernste sich
derart verstümmelt vorstellen kann, um etwa aus der Kleinheit seines eigenen
Könnens eine um desto größere innerliche Künstlerschaft zu konstruiren, solchen
Rafnels im Geist erwidern wir: Ihr seid ja keine Krüppel, ihr habt ja Arme,
also heran an die Tafel,") und gezeigt, wie es mit der Klarheit der Bilder in
eurem Kopfe bestellt ist."

Es ist hart, daß sich der „Kunstschreiber" Lessing auf seine alten Tage
solche Dinge von Herrn Carl Hoff aus Karlsruhe sagen lassen muß, von Herrn
Carl Hoff, dessen Berechtigung, überhaupt die Feder zu ergreifen und seine
Stimme öffentlich zu erheben, obendrein so überaus zweifelhaft ist. Was soll
man dazu sage», wenn ein Mann, der sich herausnimmt, einen hervorragenden
Kunstgelehrten vou gründlichsten Wissen wie Bruno Bucher in Wien wie einen
Schulknaben zu meistern, zweimal hintereinander von dem „Saale Las Cases"
im Louvre spricht? Wie verworren muß es in einem Kopfe aussehe», welcher
den großen Philanthropen Las Casas und den Pariser Kunstsammler La Caze,
welcher seine schönen Gemälde dem Louvre vermacht hat, in einen Topf wirft
und daraus ein Wesen unter dem Namen „Las Cases" hervorgehen läßt? Und
dieser Mann, der Schnitzer auf Schnitzer macht, der über die einfachsten Stil-
rcgeln im unklaren ist, spielt sich als Vertreter der gesamten deutsche» Künstler
auf und verkündet der Welt die große Botschaft, daß »ur ein Künstler berechtigt
sei, über Kunstwerke ein richtiges Urteil zu haben und auszusprechen!

Ein wenige Seiten langer, für ein breites Publikum bestimmter Aufsatz
von Alfred von Wurzbach über die Naturalisten der Gegenwart in der Zeitschrift
„Vom Fels zum Meer" hat Herrn Hoff die unmittelbare Veranlassung zu seiner
langatmigen und langweiligen Dissertation gegeben. Satz für Satz zerrt er an
jenem harmlosen Essay umher, ohne daß es ihm gelingt, irgend einen der Wurz-
bachschen Sätze sachlich zu widerlegen, schon weil der sich überstürzende Strom
seiner Zungenfertigkeit ihn zu keinen: ruhigen Gedanken kommen läßt. Alfred
von Wurzbach gilt in den engern Kreisen der Kunstgelehrten für einen scharf¬
sinnigen Kritiker, aber für keinen besonders ausgezeichneten Stilisten. Die Sätze
aber, welche Herr Hoff aus Wurzbachs Aufsatze herausgreift und mit dem Stein¬
geröll seiner Phrasen überschüttet, nehmen sich neben den Hoffschen aus wie
echte Perlen, die in Blech gefaßt sind. „Es ist schlimm genug," so läßt sich



Da ich alle Zitate aus der Hoffschen Broschüre mit diplomatischer Genauigkeit wieder¬
gebe, so bitte ich die geehrten Leser der „Grenzboten," nicht mich für die Stil- und Jnter-
punktiousfchlcr des Herrn Hoff verantwortlich zu machen.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/430>, abgerufen am 23.07.2024.