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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Künstler und Kunstschreiber.
von Adolf Rosenberg.

och sind keine zwei Monate seit dem Erscheinen einer Broschüre
des Malers Carl Hoff, welche den obigen Titel trägt,*) ver¬
flossen, und schon droht das entsetzliche Wort "Kunstschreiber,"
welches aufs ärgste gegen den heiligen Geist der deutschen Sprache
sündigt, aber trotzdem oder vielleicht gerade deswegen wie Honig¬
seim über die Lippen der Herren Ritter vom Pinsel und von der Palette geht,
überall einzureihen, wo man malt, meißelt, zeichnet, baut und modellirt. Welch
eine Fülle der Verachtung liegt in diesem einzigen Worte! Bisher hatte man
nur Stadtschreiber, Gerichtsschreiber, Gutsschreiber, Amtsschreiber; nun hat man
auch einen "Kunstschreiber" erfunden, gegen welchen sich der Künstler mit ebenso
großem Aplomb in die Brust wirst wie der Haudegen gegen den Federfuchser.
Aber die alten Haudegen, solche vom Schlage des alten Blücher, griffen nicht
selbst zur Feder, um sich die leise tretenden und alles verderbenden Diplomaten
vom Halse zu schaffen, sondern sie langten ihr Schwert heraus und schlugen
wild um sich, daß die Wenpapiere in alle Winde flogen. Wenn sich doch auch
die Künstler, die jetzt soviel Druckpapier verschwenden, um ihre Privilegien zu
wahren, an diesem alten Haudegen ein Beispiel nehmen und statt der Feder zum
Pinsel greifen wollten, um der Welt einmal zu zeigen, daß die schöpferische
Kraft, der Genius eine ganz andre und bessere Existenzberechtigung hat und
ganz anders zu reden und zu überzeugen weiß als die Kritik, welche, durch Lob
und Tadel vermittelnd, sich zwischen Künstler und Publikum drängt und, selber
unproduktiv, von den Thaten andrer ihr Dasein fristet.

Aber Worte, Worte, nichts als Worte und keine Thaten! Und gerade
Carl Hoff, der jetzige Professor an der Karlsruher Kunstschule, hat mehr als
mancher andre, der sich in kluges Schweigen hüllt, gegründete Ursache, durch
neue Thaten wieder daran zu erinnern, daß er der Maler der "Taufe des
nachgebornen" in der Berliner Nationalgalerie ist. Seit 1875, in welchem
Jahre dieses Bild vollendet worden ist, bewegt sich seine künstlerische Biographie
in absteigender Linie. Seine Produktivität hat sich in dem Maße verringert,
als seine Lehrthätigkeit zugenommen hat, und über die wenigen Bilder, die er
in den letzten sieben magern Jahren zustande gebracht hat, hat er mehr
Schlimmes als Gutes hören müssen. Es ist daher sehr begreiflich, daß sich
in seinem Herzen viel Galle angesammelt und daß er die Gelegenheit mit
Freuden ergriffen hat, sich die Leber recht frei zu reden. So eine Broschüre
wiegt unter Umstünden eine Badekur in Karlsbad auf, und wir wünschen von



*) Künstle r und Kuustschreiber. Ein Akt der Notwehr von Carl Hoff. München,
Theodor Stroescrs Kunstverlag, 1882.
Künstler und Kunstschreiber.
von Adolf Rosenberg.

och sind keine zwei Monate seit dem Erscheinen einer Broschüre
des Malers Carl Hoff, welche den obigen Titel trägt,*) ver¬
flossen, und schon droht das entsetzliche Wort „Kunstschreiber,"
welches aufs ärgste gegen den heiligen Geist der deutschen Sprache
sündigt, aber trotzdem oder vielleicht gerade deswegen wie Honig¬
seim über die Lippen der Herren Ritter vom Pinsel und von der Palette geht,
überall einzureihen, wo man malt, meißelt, zeichnet, baut und modellirt. Welch
eine Fülle der Verachtung liegt in diesem einzigen Worte! Bisher hatte man
nur Stadtschreiber, Gerichtsschreiber, Gutsschreiber, Amtsschreiber; nun hat man
auch einen „Kunstschreiber" erfunden, gegen welchen sich der Künstler mit ebenso
großem Aplomb in die Brust wirst wie der Haudegen gegen den Federfuchser.
Aber die alten Haudegen, solche vom Schlage des alten Blücher, griffen nicht
selbst zur Feder, um sich die leise tretenden und alles verderbenden Diplomaten
vom Halse zu schaffen, sondern sie langten ihr Schwert heraus und schlugen
wild um sich, daß die Wenpapiere in alle Winde flogen. Wenn sich doch auch
die Künstler, die jetzt soviel Druckpapier verschwenden, um ihre Privilegien zu
wahren, an diesem alten Haudegen ein Beispiel nehmen und statt der Feder zum
Pinsel greifen wollten, um der Welt einmal zu zeigen, daß die schöpferische
Kraft, der Genius eine ganz andre und bessere Existenzberechtigung hat und
ganz anders zu reden und zu überzeugen weiß als die Kritik, welche, durch Lob
und Tadel vermittelnd, sich zwischen Künstler und Publikum drängt und, selber
unproduktiv, von den Thaten andrer ihr Dasein fristet.

Aber Worte, Worte, nichts als Worte und keine Thaten! Und gerade
Carl Hoff, der jetzige Professor an der Karlsruher Kunstschule, hat mehr als
mancher andre, der sich in kluges Schweigen hüllt, gegründete Ursache, durch
neue Thaten wieder daran zu erinnern, daß er der Maler der „Taufe des
nachgebornen" in der Berliner Nationalgalerie ist. Seit 1875, in welchem
Jahre dieses Bild vollendet worden ist, bewegt sich seine künstlerische Biographie
in absteigender Linie. Seine Produktivität hat sich in dem Maße verringert,
als seine Lehrthätigkeit zugenommen hat, und über die wenigen Bilder, die er
in den letzten sieben magern Jahren zustande gebracht hat, hat er mehr
Schlimmes als Gutes hören müssen. Es ist daher sehr begreiflich, daß sich
in seinem Herzen viel Galle angesammelt und daß er die Gelegenheit mit
Freuden ergriffen hat, sich die Leber recht frei zu reden. So eine Broschüre
wiegt unter Umstünden eine Badekur in Karlsbad auf, und wir wünschen von



*) Künstle r und Kuustschreiber. Ein Akt der Notwehr von Carl Hoff. München,
Theodor Stroescrs Kunstverlag, 1882.
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[0427] Künstler und Kunstschreiber. von Adolf Rosenberg. och sind keine zwei Monate seit dem Erscheinen einer Broschüre des Malers Carl Hoff, welche den obigen Titel trägt,*) ver¬ flossen, und schon droht das entsetzliche Wort „Kunstschreiber," welches aufs ärgste gegen den heiligen Geist der deutschen Sprache sündigt, aber trotzdem oder vielleicht gerade deswegen wie Honig¬ seim über die Lippen der Herren Ritter vom Pinsel und von der Palette geht, überall einzureihen, wo man malt, meißelt, zeichnet, baut und modellirt. Welch eine Fülle der Verachtung liegt in diesem einzigen Worte! Bisher hatte man nur Stadtschreiber, Gerichtsschreiber, Gutsschreiber, Amtsschreiber; nun hat man auch einen „Kunstschreiber" erfunden, gegen welchen sich der Künstler mit ebenso großem Aplomb in die Brust wirst wie der Haudegen gegen den Federfuchser. Aber die alten Haudegen, solche vom Schlage des alten Blücher, griffen nicht selbst zur Feder, um sich die leise tretenden und alles verderbenden Diplomaten vom Halse zu schaffen, sondern sie langten ihr Schwert heraus und schlugen wild um sich, daß die Wenpapiere in alle Winde flogen. Wenn sich doch auch die Künstler, die jetzt soviel Druckpapier verschwenden, um ihre Privilegien zu wahren, an diesem alten Haudegen ein Beispiel nehmen und statt der Feder zum Pinsel greifen wollten, um der Welt einmal zu zeigen, daß die schöpferische Kraft, der Genius eine ganz andre und bessere Existenzberechtigung hat und ganz anders zu reden und zu überzeugen weiß als die Kritik, welche, durch Lob und Tadel vermittelnd, sich zwischen Künstler und Publikum drängt und, selber unproduktiv, von den Thaten andrer ihr Dasein fristet. Aber Worte, Worte, nichts als Worte und keine Thaten! Und gerade Carl Hoff, der jetzige Professor an der Karlsruher Kunstschule, hat mehr als mancher andre, der sich in kluges Schweigen hüllt, gegründete Ursache, durch neue Thaten wieder daran zu erinnern, daß er der Maler der „Taufe des nachgebornen" in der Berliner Nationalgalerie ist. Seit 1875, in welchem Jahre dieses Bild vollendet worden ist, bewegt sich seine künstlerische Biographie in absteigender Linie. Seine Produktivität hat sich in dem Maße verringert, als seine Lehrthätigkeit zugenommen hat, und über die wenigen Bilder, die er in den letzten sieben magern Jahren zustande gebracht hat, hat er mehr Schlimmes als Gutes hören müssen. Es ist daher sehr begreiflich, daß sich in seinem Herzen viel Galle angesammelt und daß er die Gelegenheit mit Freuden ergriffen hat, sich die Leber recht frei zu reden. So eine Broschüre wiegt unter Umstünden eine Badekur in Karlsbad auf, und wir wünschen von *) Künstle r und Kuustschreiber. Ein Akt der Notwehr von Carl Hoff. München, Theodor Stroescrs Kunstverlag, 1882.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/427>, abgerufen am 03.07.2024.