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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Der zweite Pariser Krach.

Selbst nach dem Krach war man immer noch der festen Meinung, daß von
einer tiefern Einwirkung nicht die Rede sei, und daß bald eine neue Ära des
wirtschaftlichen Glanzes, der sich selbstverständlich im Schiller hoher Börsenkurse
zeigen müsse, anbrechen werde. Auch als man nach und uach, ganz wie bei
uns nach dem Gründerkrach, immer tiefere Einwirkungen auf die wirtschaftlichen
Verhältnisse uach allen Seiten hin wahrnahm, als man mehr und mehr bis in die
kleinsten Verhältnisse hinein fühlte, welche Veränderung in den Lebensbedingungen
sich vollziehe, als es den einzelnen in wachsender Zahl immer schwerer wurde,
ihre Engagements aufrecht zu erhalten und ihre Verbindlichkeiten zu erfüllen,
glaubten sie noch an die Scheinmalerei der inspirirter Presse und belogen sich
mit dieser über ihre schwersten Angelegenheiten.

Umso heftiger mußte nun ein so scharfer Umschwung, wie er durch die
Veröffentlichungen der beiden obengenannten Publizisten angedeutet wurde, wirke".
Diese beiden, Sah und Leroy-Beaulieu, waren la, wie bemerkt, lange genug als die
ersten Kapazitäten Frankreichs auf demi Finanzgebiete gerühmt worden, also mußte
man ihnen wohl glauben, was sie sagten, obgleich die Regierung diesmal selbst
den Angriffen der Börsenfaiseurs, die sich gegen den Staatskredit Frankreichs
unmittelbar richteten, entgegentrat.

Allerdings, .wie wäre noch unter Napoleon III. ein derartiges Gebahren
der Börse möglich gewesen! Erst die Republik mit ihrer Herrschaft von Börsen¬
männern hat es möglich gemacht, daß Herr von Rothschild, wenn die Staats¬
regierung nicht verfährt, wie er will, ihr "den Bettel vor die Füße wirft-" Die
Rente gilt nun einmal als stärkste Stütze des Staates, weil sie angeblich das
Interesse der Menge der Rentiers aufs engste mit dem Staatsinteresse verknüpft.
Nun ist es auch kein Wunder, wenn Simsons Rütteln an dieser einzigen Säule
des Tempels der Republik sofort alles zu begraben droht.

Zwei Fragen waren es, wie wir schon angedeutet, welche Rothschild ver¬
anlaßten, die Haltung des französischen Ministeriums uicht "patriotisch" genug
zu finden. Die ägyptische und die Eisenbahnfrage. Die erstere haben wir be¬
reits eingehend charakterisirt. Hinsichtlich der letzter" haben wir nur wenig zu
bemerken.

An sich hat die Häute-llimuoL gegen den Bau der französischen Staats¬
bahnen nichts. Man weiß ja, daß dieselben, eingezwängt zwischen die großen
Privatbahnen, nur das Aschenbrödel dieser letzter" sein werden. Allein der Grund¬
gedanke Freycinets, vielleicht des einzige" französische" Staatsmannes der Gegen-


Presse mit einem der schwierigsten und subtilsten Verhältnisse der Handelspolitik ab. Der
wirkliche Handels- resp. Sozialpolitikcr weiß längst, daß gerade eine übermäßige und sorglos
geleitete Ausfuhr eine Quelle der größten Gefahren werden kann. In der "günstigen Han¬
delsbilanz" Frankreichs, die jetzt vollständig verschwunden ist, kam aber einfach die effektive
Überführung der Kriegskosten nach Deutschland zum Ausdruck.
Der zweite Pariser Krach.

Selbst nach dem Krach war man immer noch der festen Meinung, daß von
einer tiefern Einwirkung nicht die Rede sei, und daß bald eine neue Ära des
wirtschaftlichen Glanzes, der sich selbstverständlich im Schiller hoher Börsenkurse
zeigen müsse, anbrechen werde. Auch als man nach und uach, ganz wie bei
uns nach dem Gründerkrach, immer tiefere Einwirkungen auf die wirtschaftlichen
Verhältnisse uach allen Seiten hin wahrnahm, als man mehr und mehr bis in die
kleinsten Verhältnisse hinein fühlte, welche Veränderung in den Lebensbedingungen
sich vollziehe, als es den einzelnen in wachsender Zahl immer schwerer wurde,
ihre Engagements aufrecht zu erhalten und ihre Verbindlichkeiten zu erfüllen,
glaubten sie noch an die Scheinmalerei der inspirirter Presse und belogen sich
mit dieser über ihre schwersten Angelegenheiten.

Umso heftiger mußte nun ein so scharfer Umschwung, wie er durch die
Veröffentlichungen der beiden obengenannten Publizisten angedeutet wurde, wirke».
Diese beiden, Sah und Leroy-Beaulieu, waren la, wie bemerkt, lange genug als die
ersten Kapazitäten Frankreichs auf demi Finanzgebiete gerühmt worden, also mußte
man ihnen wohl glauben, was sie sagten, obgleich die Regierung diesmal selbst
den Angriffen der Börsenfaiseurs, die sich gegen den Staatskredit Frankreichs
unmittelbar richteten, entgegentrat.

Allerdings, .wie wäre noch unter Napoleon III. ein derartiges Gebahren
der Börse möglich gewesen! Erst die Republik mit ihrer Herrschaft von Börsen¬
männern hat es möglich gemacht, daß Herr von Rothschild, wenn die Staats¬
regierung nicht verfährt, wie er will, ihr „den Bettel vor die Füße wirft-" Die
Rente gilt nun einmal als stärkste Stütze des Staates, weil sie angeblich das
Interesse der Menge der Rentiers aufs engste mit dem Staatsinteresse verknüpft.
Nun ist es auch kein Wunder, wenn Simsons Rütteln an dieser einzigen Säule
des Tempels der Republik sofort alles zu begraben droht.

Zwei Fragen waren es, wie wir schon angedeutet, welche Rothschild ver¬
anlaßten, die Haltung des französischen Ministeriums uicht „patriotisch" genug
zu finden. Die ägyptische und die Eisenbahnfrage. Die erstere haben wir be¬
reits eingehend charakterisirt. Hinsichtlich der letzter» haben wir nur wenig zu
bemerken.

An sich hat die Häute-llimuoL gegen den Bau der französischen Staats¬
bahnen nichts. Man weiß ja, daß dieselben, eingezwängt zwischen die großen
Privatbahnen, nur das Aschenbrödel dieser letzter» sein werden. Allein der Grund¬
gedanke Freycinets, vielleicht des einzige» französische» Staatsmannes der Gegen-


Presse mit einem der schwierigsten und subtilsten Verhältnisse der Handelspolitik ab. Der
wirkliche Handels- resp. Sozialpolitikcr weiß längst, daß gerade eine übermäßige und sorglos
geleitete Ausfuhr eine Quelle der größten Gefahren werden kann. In der „günstigen Han¬
delsbilanz" Frankreichs, die jetzt vollständig verschwunden ist, kam aber einfach die effektive
Überführung der Kriegskosten nach Deutschland zum Ausdruck.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/415>, abgerufen am 23.07.2024.