Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.Der zweite Pariser Rrach. und auch heutzutage mag im Gespräch und im Gerücht von Mund zu Mund War nun der Sturz Boutoux' zugleich der Sturz Gambettas, so war er Seitdem ist die Geschichte der Börse die Geschichte Frankreichs. Die Wenn ich noch die algerische Eisenbahnaffäre zustande bringe, so werde ich diesen fünf noch
drei hinzufügen können. "Werden sie diese 3 vor oder hinter die S setzen," habe darauf Carpenticr gefragt, "wird es 35 oder 53 Millionen geben? Setzen Sie die 3 immer vornhin und geben sie mir ihre 5, es bleibt ihnen doch noch eine nette Summe übrig." Rothschild wollte aber von dem Vorschlage nichts wissen, gab aber Carpenticr seine Uhrkette von allerdings großem Werte, die jedoch Rothschilds gelungener Schüler sogleich ver schenkte. Damals erzählte man sich auch, gelegentlich der Pariser Ausstellung habe Roth¬ schild nur an den 20-Centimes-Tagen die Ausstellung besucht, und setzte ein nicht sonderlich schmeichelhaftes Wort hinzu. Ein deutsches Blatt jener Zeit bezeichnete die Geschichte des Hauses Rothschild als eine "Krankheitsgeschichte der europäischen Staaten." Der zweite Pariser Rrach. und auch heutzutage mag im Gespräch und im Gerücht von Mund zu Mund War nun der Sturz Boutoux' zugleich der Sturz Gambettas, so war er Seitdem ist die Geschichte der Börse die Geschichte Frankreichs. Die Wenn ich noch die algerische Eisenbahnaffäre zustande bringe, so werde ich diesen fünf noch
drei hinzufügen können. „Werden sie diese 3 vor oder hinter die S setzen," habe darauf Carpenticr gefragt, „wird es 35 oder 53 Millionen geben? Setzen Sie die 3 immer vornhin und geben sie mir ihre 5, es bleibt ihnen doch noch eine nette Summe übrig." Rothschild wollte aber von dem Vorschlage nichts wissen, gab aber Carpenticr seine Uhrkette von allerdings großem Werte, die jedoch Rothschilds gelungener Schüler sogleich ver schenkte. Damals erzählte man sich auch, gelegentlich der Pariser Ausstellung habe Roth¬ schild nur an den 20-Centimes-Tagen die Ausstellung besucht, und setzte ein nicht sonderlich schmeichelhaftes Wort hinzu. Ein deutsches Blatt jener Zeit bezeichnete die Geschichte des Hauses Rothschild als eine „Krankheitsgeschichte der europäischen Staaten." <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0412" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/152134"/> <fw type="header" place="top"> Der zweite Pariser Rrach.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1525" prev="#ID_1524"> und auch heutzutage mag im Gespräch und im Gerücht von Mund zu Mund<lb/> noch mancherlei gesprochen werden. Aber die französische Presse schweigt, und die<lb/> Deputirten folgen dem Stern Rothschilds, wie einst die Armee Dumouriez'<lb/> dem Stern der Republik gefolgt war, wenn auch aus erheblich andern Gründen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1526"> War nun der Sturz Boutoux' zugleich der Sturz Gambettas, so war er<lb/> die Besiegelung der Abhängigkeit der französischen Stantswirtschaft von Roth¬<lb/> schild und der Hs-nel-ünMos. Lediglich aus politischen Motiven hatte Gambetta<lb/> die Konversion der fünfprozentigen Rente und die Verstaatlichung des Eisen¬<lb/> bahnnetzes ins Auge gefaßt. Die im Jahre 1878 von den Gesellschaften<lb/> übernommenen Bahnen des sekundären Netzes sind lediglich eine Last für den<lb/> Staat; sie sind selbstverständlich mit Kapital überlastet. Dieselben werden zu¬<lb/> dem wirtschaftlich stets die Aschenbrödel der sie umgarnenden großen Bahn¬<lb/> gesellschaften bleiben. Jeder vernünftige Politiker, als den wir Gambetta trotz<lb/> seines Chauvinismus doch immerhin betrachten müssen, muß aber, wenn er an<lb/> die Spitze eines Staatswesens wie Frankreich tritt, erkennen, daß eine so voll¬<lb/> kommene Umgarnung der Staatsinteressen, wie sie infolge der Beherrschung der<lb/> französischen Rente und der Eisenbahnen durch Rothschild stattfindet, zur Er¬<lb/> stickung führen muß; und wenn er dies noch nicht erkennt, so muß er jedenfalls<lb/> diesen Druck unerträglich finden. Indeß hatte Gambetta viel zu lange und viel<lb/> zu sehr unter demselben Zeichen wie Rothschild an der Zerrüttung der staat¬<lb/> lichen Selbständigkeit gearbeitet, um nicht den erlittenen Sturz zu verdienen,<lb/> was indeß nichts ändert an der Schrecklichkeit der Verrottung, welche dieser<lb/> Sturz zum schamlosen Ausdruck bringt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1527" next="#ID_1528"> Seitdem ist die Geschichte der Börse die Geschichte Frankreichs. Die<lb/> ägyptische Politik der Nachfolger Gambettas war die Politik Rothschilds, die<lb/> man leicht verstehen wird, wenn man weiß, daß die finanziellen Interessen des<lb/> letztern am Nil größer sind als die aller andern Finanzgruppen, und daß die¬<lb/> selben während der Panik, welcher die ägyptischen Werte zur Zeit der Kata¬<lb/> strophe unterlagen, noch ungeheuer vermehrt wurden. Rothschild wollte daher<lb/> auch lediglich den stÄwg quo in Ägypten wieder hergestellt wissen und<lb/> fürchtete, daß eine kombinirte Aktion zwischen England und Frankreich leicht<lb/> zu einem Konflikt führen könne, welcher dann natürlich den Dingen notwendig</p><lb/> <note xml:id="FID_49" prev="#FID_48" place="foot"> Wenn ich noch die algerische Eisenbahnaffäre zustande bringe, so werde ich diesen fünf noch<lb/> drei hinzufügen können. „Werden sie diese 3 vor oder hinter die S setzen," habe darauf<lb/> Carpenticr gefragt, „wird es 35 oder 53 Millionen geben? Setzen Sie die 3 immer vornhin<lb/> und geben sie mir ihre 5, es bleibt ihnen doch noch eine nette Summe übrig." Rothschild<lb/> wollte aber von dem Vorschlage nichts wissen, gab aber Carpenticr seine Uhrkette<lb/> von allerdings großem Werte, die jedoch Rothschilds gelungener Schüler sogleich ver<lb/> schenkte. Damals erzählte man sich auch, gelegentlich der Pariser Ausstellung habe Roth¬<lb/> schild nur an den 20-Centimes-Tagen die Ausstellung besucht, und setzte ein nicht sonderlich<lb/> schmeichelhaftes Wort hinzu. Ein deutsches Blatt jener Zeit bezeichnete die Geschichte des<lb/> Hauses Rothschild als eine „Krankheitsgeschichte der europäischen Staaten."</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0412]
Der zweite Pariser Rrach.
und auch heutzutage mag im Gespräch und im Gerücht von Mund zu Mund
noch mancherlei gesprochen werden. Aber die französische Presse schweigt, und die
Deputirten folgen dem Stern Rothschilds, wie einst die Armee Dumouriez'
dem Stern der Republik gefolgt war, wenn auch aus erheblich andern Gründen.
War nun der Sturz Boutoux' zugleich der Sturz Gambettas, so war er
die Besiegelung der Abhängigkeit der französischen Stantswirtschaft von Roth¬
schild und der Hs-nel-ünMos. Lediglich aus politischen Motiven hatte Gambetta
die Konversion der fünfprozentigen Rente und die Verstaatlichung des Eisen¬
bahnnetzes ins Auge gefaßt. Die im Jahre 1878 von den Gesellschaften
übernommenen Bahnen des sekundären Netzes sind lediglich eine Last für den
Staat; sie sind selbstverständlich mit Kapital überlastet. Dieselben werden zu¬
dem wirtschaftlich stets die Aschenbrödel der sie umgarnenden großen Bahn¬
gesellschaften bleiben. Jeder vernünftige Politiker, als den wir Gambetta trotz
seines Chauvinismus doch immerhin betrachten müssen, muß aber, wenn er an
die Spitze eines Staatswesens wie Frankreich tritt, erkennen, daß eine so voll¬
kommene Umgarnung der Staatsinteressen, wie sie infolge der Beherrschung der
französischen Rente und der Eisenbahnen durch Rothschild stattfindet, zur Er¬
stickung führen muß; und wenn er dies noch nicht erkennt, so muß er jedenfalls
diesen Druck unerträglich finden. Indeß hatte Gambetta viel zu lange und viel
zu sehr unter demselben Zeichen wie Rothschild an der Zerrüttung der staat¬
lichen Selbständigkeit gearbeitet, um nicht den erlittenen Sturz zu verdienen,
was indeß nichts ändert an der Schrecklichkeit der Verrottung, welche dieser
Sturz zum schamlosen Ausdruck bringt.
Seitdem ist die Geschichte der Börse die Geschichte Frankreichs. Die
ägyptische Politik der Nachfolger Gambettas war die Politik Rothschilds, die
man leicht verstehen wird, wenn man weiß, daß die finanziellen Interessen des
letztern am Nil größer sind als die aller andern Finanzgruppen, und daß die¬
selben während der Panik, welcher die ägyptischen Werte zur Zeit der Kata¬
strophe unterlagen, noch ungeheuer vermehrt wurden. Rothschild wollte daher
auch lediglich den stÄwg quo in Ägypten wieder hergestellt wissen und
fürchtete, daß eine kombinirte Aktion zwischen England und Frankreich leicht
zu einem Konflikt führen könne, welcher dann natürlich den Dingen notwendig
Wenn ich noch die algerische Eisenbahnaffäre zustande bringe, so werde ich diesen fünf noch
drei hinzufügen können. „Werden sie diese 3 vor oder hinter die S setzen," habe darauf
Carpenticr gefragt, „wird es 35 oder 53 Millionen geben? Setzen Sie die 3 immer vornhin
und geben sie mir ihre 5, es bleibt ihnen doch noch eine nette Summe übrig." Rothschild
wollte aber von dem Vorschlage nichts wissen, gab aber Carpenticr seine Uhrkette
von allerdings großem Werte, die jedoch Rothschilds gelungener Schüler sogleich ver
schenkte. Damals erzählte man sich auch, gelegentlich der Pariser Ausstellung habe Roth¬
schild nur an den 20-Centimes-Tagen die Ausstellung besucht, und setzte ein nicht sonderlich
schmeichelhaftes Wort hinzu. Ein deutsches Blatt jener Zeit bezeichnete die Geschichte des
Hauses Rothschild als eine „Krankheitsgeschichte der europäischen Staaten."
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |