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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Der parlamentarischl! Konflikt in Frankreich.

politisch Gleichgiltigeu natürlich anch nicht, ganz wie bei uns.^ Die Väter des
Senats mögen sich in Acht nehme". Die republikanische Sache ist kein Kinder¬
spiel. Wir leben in einer ernsten Krisis, und angesichts der gegenwärtigen Ver¬
wicklungen dürfen die Deputirtenkammer und Frankreich sich nicht schwächlich
zeigen."

Verstündiger spricht sich der lölLgraxliv, das Organ des zukünftigen Kabinets,
aus. Er sagt, wenn der Senat das Proskriptiousgesetz verwerfe, so werde die
Regierung sich in die dadurch geschaffne Lage fügen müssen. Sie könne die
Prinzen nicht durch besondres Dekret ihres Wahlrechts berauben und sie nur
wegen Unfähigkeit oder groben Mißverhältnis aus der Armee entfernen. Kein
Dekret könne somit die erste Klausel des Gesetzes ersetzen. Was aber die Aus-
weisuugstlaul angehe, so könne die Regierung nach deren Verwerfung durch den
Senat die Mitglieder der alten regierenden Häuser keinesfalls aus dem Lande
treiben. Sie habe selbst erklärt, daß keine Gefahr vorhanden sei. Wenn daher
die Vvrbeuguugsmaßregel, welche sie das Parlament zu beschließen ersticht hat,
vom Oberhause abgelehnt würde, welchen Weg hätte sie dann einzuschlagen?
Sollte sie vor die Deputirtenkammer treten und von ihr einen Jndemnitäts-
beschluß erbitten, den die Senatoren verweigern würden, so wäre das eine lächer¬
liche Parodie des repräsentativen Regierungssystems. Das hieße Abschaffung
des Parlamentarismus und Ersetzung desselben dnrch einen allmächtigen Konvent.
"Die Regierung, so schließt der lelögrcPbö, kann nur die Mittel anwenden,
die ihr zur Verfügung stehen, sie kann selbst mit Unterstützung der Mehrheit
im Palais Bourbon keine neuen Mittel schaffen. Nichts kann an die Stelle
des Gesetzes treten, und das Gesetz muß von beiden Kammern beschlossen werden.
Eine Resolution, bloß in dem einen oder dem andern Hause durchgegangen,
kann es nicht ersetzen."

Wir können dem nur beistimmen, und wir glauben, daß der Senat keinerlei
Ursache hat, sich vor entschiedenem Auftreten zu fürchten, und daß er sich dessen
bewußt ist. Der zur Prüfung des Proskriptionsgesetzes von ihm niedergesetzte
Ausschuß legte am Donnerstag durch den Senator Akkon einen Bericht vor,
der sich ganz entschieden gegen dasselbe erklärte, ein Votum für die Dringlichkeit
der Sache wurde beantragt, und man beschloß, dieselbe am Sonnabend im Plenum
zu erledigen. Es scheint daher sicher, daß der Fabresche Gesetzentwurf, mit dem
sich Regierung und Deputirtenkammer einverstanden erklärt haben, vom Senate
abgelehnt werde" wird. Die Vertreter der Regierung sprachen im Senatsaus¬
schusse nicht mit der Entschiedenheit, welche eine ernste Krisis einflößt, sie wußten
nichts von einer Gefahr für den Staat, die in einer Verwerfung des Gesetzes
liegen würde. Alle im Amte gewesenen Staatsmänner erklärten sich energisch für
Mäßigung und gesunden Menschenverstand. Drei oder vier Botschafter der Republik
haben ihr Abschiedsgesuch eingesandt, und andre scheinen desgleichen zu beab¬
sichtigen. Das alles muß notwendig auf die öffentliche Meinung wirken, und


Der parlamentarischl! Konflikt in Frankreich.

politisch Gleichgiltigeu natürlich anch nicht, ganz wie bei uns.^ Die Väter des
Senats mögen sich in Acht nehme». Die republikanische Sache ist kein Kinder¬
spiel. Wir leben in einer ernsten Krisis, und angesichts der gegenwärtigen Ver¬
wicklungen dürfen die Deputirtenkammer und Frankreich sich nicht schwächlich
zeigen."

Verstündiger spricht sich der lölLgraxliv, das Organ des zukünftigen Kabinets,
aus. Er sagt, wenn der Senat das Proskriptiousgesetz verwerfe, so werde die
Regierung sich in die dadurch geschaffne Lage fügen müssen. Sie könne die
Prinzen nicht durch besondres Dekret ihres Wahlrechts berauben und sie nur
wegen Unfähigkeit oder groben Mißverhältnis aus der Armee entfernen. Kein
Dekret könne somit die erste Klausel des Gesetzes ersetzen. Was aber die Aus-
weisuugstlaul angehe, so könne die Regierung nach deren Verwerfung durch den
Senat die Mitglieder der alten regierenden Häuser keinesfalls aus dem Lande
treiben. Sie habe selbst erklärt, daß keine Gefahr vorhanden sei. Wenn daher
die Vvrbeuguugsmaßregel, welche sie das Parlament zu beschließen ersticht hat,
vom Oberhause abgelehnt würde, welchen Weg hätte sie dann einzuschlagen?
Sollte sie vor die Deputirtenkammer treten und von ihr einen Jndemnitäts-
beschluß erbitten, den die Senatoren verweigern würden, so wäre das eine lächer¬
liche Parodie des repräsentativen Regierungssystems. Das hieße Abschaffung
des Parlamentarismus und Ersetzung desselben dnrch einen allmächtigen Konvent.
„Die Regierung, so schließt der lelögrcPbö, kann nur die Mittel anwenden,
die ihr zur Verfügung stehen, sie kann selbst mit Unterstützung der Mehrheit
im Palais Bourbon keine neuen Mittel schaffen. Nichts kann an die Stelle
des Gesetzes treten, und das Gesetz muß von beiden Kammern beschlossen werden.
Eine Resolution, bloß in dem einen oder dem andern Hause durchgegangen,
kann es nicht ersetzen."

Wir können dem nur beistimmen, und wir glauben, daß der Senat keinerlei
Ursache hat, sich vor entschiedenem Auftreten zu fürchten, und daß er sich dessen
bewußt ist. Der zur Prüfung des Proskriptionsgesetzes von ihm niedergesetzte
Ausschuß legte am Donnerstag durch den Senator Akkon einen Bericht vor,
der sich ganz entschieden gegen dasselbe erklärte, ein Votum für die Dringlichkeit
der Sache wurde beantragt, und man beschloß, dieselbe am Sonnabend im Plenum
zu erledigen. Es scheint daher sicher, daß der Fabresche Gesetzentwurf, mit dem
sich Regierung und Deputirtenkammer einverstanden erklärt haben, vom Senate
abgelehnt werde» wird. Die Vertreter der Regierung sprachen im Senatsaus¬
schusse nicht mit der Entschiedenheit, welche eine ernste Krisis einflößt, sie wußten
nichts von einer Gefahr für den Staat, die in einer Verwerfung des Gesetzes
liegen würde. Alle im Amte gewesenen Staatsmänner erklärten sich energisch für
Mäßigung und gesunden Menschenverstand. Drei oder vier Botschafter der Republik
haben ihr Abschiedsgesuch eingesandt, und andre scheinen desgleichen zu beab¬
sichtigen. Das alles muß notwendig auf die öffentliche Meinung wirken, und


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[0398] Der parlamentarischl! Konflikt in Frankreich. politisch Gleichgiltigeu natürlich anch nicht, ganz wie bei uns.^ Die Väter des Senats mögen sich in Acht nehme». Die republikanische Sache ist kein Kinder¬ spiel. Wir leben in einer ernsten Krisis, und angesichts der gegenwärtigen Ver¬ wicklungen dürfen die Deputirtenkammer und Frankreich sich nicht schwächlich zeigen." Verstündiger spricht sich der lölLgraxliv, das Organ des zukünftigen Kabinets, aus. Er sagt, wenn der Senat das Proskriptiousgesetz verwerfe, so werde die Regierung sich in die dadurch geschaffne Lage fügen müssen. Sie könne die Prinzen nicht durch besondres Dekret ihres Wahlrechts berauben und sie nur wegen Unfähigkeit oder groben Mißverhältnis aus der Armee entfernen. Kein Dekret könne somit die erste Klausel des Gesetzes ersetzen. Was aber die Aus- weisuugstlaul angehe, so könne die Regierung nach deren Verwerfung durch den Senat die Mitglieder der alten regierenden Häuser keinesfalls aus dem Lande treiben. Sie habe selbst erklärt, daß keine Gefahr vorhanden sei. Wenn daher die Vvrbeuguugsmaßregel, welche sie das Parlament zu beschließen ersticht hat, vom Oberhause abgelehnt würde, welchen Weg hätte sie dann einzuschlagen? Sollte sie vor die Deputirtenkammer treten und von ihr einen Jndemnitäts- beschluß erbitten, den die Senatoren verweigern würden, so wäre das eine lächer¬ liche Parodie des repräsentativen Regierungssystems. Das hieße Abschaffung des Parlamentarismus und Ersetzung desselben dnrch einen allmächtigen Konvent. „Die Regierung, so schließt der lelögrcPbö, kann nur die Mittel anwenden, die ihr zur Verfügung stehen, sie kann selbst mit Unterstützung der Mehrheit im Palais Bourbon keine neuen Mittel schaffen. Nichts kann an die Stelle des Gesetzes treten, und das Gesetz muß von beiden Kammern beschlossen werden. Eine Resolution, bloß in dem einen oder dem andern Hause durchgegangen, kann es nicht ersetzen." Wir können dem nur beistimmen, und wir glauben, daß der Senat keinerlei Ursache hat, sich vor entschiedenem Auftreten zu fürchten, und daß er sich dessen bewußt ist. Der zur Prüfung des Proskriptionsgesetzes von ihm niedergesetzte Ausschuß legte am Donnerstag durch den Senator Akkon einen Bericht vor, der sich ganz entschieden gegen dasselbe erklärte, ein Votum für die Dringlichkeit der Sache wurde beantragt, und man beschloß, dieselbe am Sonnabend im Plenum zu erledigen. Es scheint daher sicher, daß der Fabresche Gesetzentwurf, mit dem sich Regierung und Deputirtenkammer einverstanden erklärt haben, vom Senate abgelehnt werde» wird. Die Vertreter der Regierung sprachen im Senatsaus¬ schusse nicht mit der Entschiedenheit, welche eine ernste Krisis einflößt, sie wußten nichts von einer Gefahr für den Staat, die in einer Verwerfung des Gesetzes liegen würde. Alle im Amte gewesenen Staatsmänner erklärten sich energisch für Mäßigung und gesunden Menschenverstand. Drei oder vier Botschafter der Republik haben ihr Abschiedsgesuch eingesandt, und andre scheinen desgleichen zu beab¬ sichtigen. Das alles muß notwendig auf die öffentliche Meinung wirken, und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/398>, abgerufen am 23.07.2024.