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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Die Grafen von Altenschwerdt.

Du hast dich nie um Geld bekümmert, sagte die Gräfin ungeduldig, und
du weißt gar nicht, was das Leben kostet. Wenn du dich aber recht besinnen
willst, so wirst du finden, daß du in Paris etwa zwölftausend Franken jähr¬
lich gebrauchst. Es ist das eine Erbschaft deines Vaters, daß du stets deine
Einnahme groß findest und stets beinahe das doppelte von dem aufgiebst, was
du hast.

Graf Dietrich biß sich in die Lippen und schwieg.

Du bist jetzt ein junger Manu, Attache und wenig zu Ausgaben ver¬
pflichtet, aber wenn du erst höher stehst, was hoffentlich nicht ausbleiben wird,
so wirst du andre Summen nötig haben. Das ist es, woran ich denke, und
worauf ich jetzt ziele. Es hat sich nämlich gegenwärtig für dich eine glänzende
Aussicht gezeigt, die ich wohl in der Lage, worin wir uns befinden, eine himm¬
lische Fügung nennen darf. Seit Jahrhunderten nämlich besteht zwischen unserm
Hanse und einem andern, höchst angesehenen, reinen und reich begüterten Ge¬
schlechte, dem der Freiherren von Sextus, eine gewisse Beziehung, die sich durch
kriegerische Traditionen, Herzensangelegenheiten und dergleichen angeknüpft und
befestigt hat. Nun erhielt ich vor nicht langer Zeit von dem jetzigen Chef des
Hauses Sextus einen Brief mit einer, mich in hohem Maße überraschenden
Mitteilung. Der Baron schrieb mir, es bestehe eine testamentarische Verfügung,
daß bei Aussterben der männlichen Descendenz der Sextus die Vermählung einer
Tochter dieses Hauses mit dem Erben der Grafen von Altenschwerdt das Ver¬
bleiben des Majorats bei der weiblichen Descendenz zur Folge haben solle.
Er schrieb mir zugleich, daß der vorgesehene Fall jetzt eingetreten sei, daß nur
noch eine Tochter in der ältern Linie am Leben und daß er geneigt sei, eine
Verbindung mit unserm Hause zu bewirken. Es geht hieraus also hervor, daß
die Herrschaft Eichhausen, dieser wundervolle Besitz, in deine Hände gelangen
muß, wenn du die Freiin Dorothea von Sextus, die Erbin dieses glänzenden
Namens und Vermögens, heiratest. Diese Angelegenheit ist der zweite Grund,
warum wir hierher gezogen sind. Das Schloß Eichhansen liegt nur drei Stunden
von hier, und es läßt sich eine scheinbar unabsichtliche Zusammenkunft zwischen
dir und der jungen Dame, die ganz unbekannt mit unserm Plane ist, bewerk¬
stelligen. Was sagst du dazu?

Während die Gräfin mit diesen und andern Worten, worin sie sich aus¬
führlich über die Familie Sextus und die Herrschaft Eichhanse" ausließ, ihren
Plan darlegte, lauschte ihr Sohn stumm und atemlos, und mehrfach wechselte
die Farbe auf seineu Wangen.

Meine beste Mutter, sagte er, du redest mir vou Ruhe vor und predigst
mir, ich sollte mich vor Aufregungen hüten, und dabei stürzest du mich inner¬
halb zehn Minuten dreimal in die Lava des glühenden Vesuv und kühlst mich
dreimal wieder im Eismeer ab.

Die Gräfin beobachtete jetzt sorgfältiger das Gesicht ihres Sohnes, woran


Die Grafen von Altenschwerdt.

Du hast dich nie um Geld bekümmert, sagte die Gräfin ungeduldig, und
du weißt gar nicht, was das Leben kostet. Wenn du dich aber recht besinnen
willst, so wirst du finden, daß du in Paris etwa zwölftausend Franken jähr¬
lich gebrauchst. Es ist das eine Erbschaft deines Vaters, daß du stets deine
Einnahme groß findest und stets beinahe das doppelte von dem aufgiebst, was
du hast.

Graf Dietrich biß sich in die Lippen und schwieg.

Du bist jetzt ein junger Manu, Attache und wenig zu Ausgaben ver¬
pflichtet, aber wenn du erst höher stehst, was hoffentlich nicht ausbleiben wird,
so wirst du andre Summen nötig haben. Das ist es, woran ich denke, und
worauf ich jetzt ziele. Es hat sich nämlich gegenwärtig für dich eine glänzende
Aussicht gezeigt, die ich wohl in der Lage, worin wir uns befinden, eine himm¬
lische Fügung nennen darf. Seit Jahrhunderten nämlich besteht zwischen unserm
Hanse und einem andern, höchst angesehenen, reinen und reich begüterten Ge¬
schlechte, dem der Freiherren von Sextus, eine gewisse Beziehung, die sich durch
kriegerische Traditionen, Herzensangelegenheiten und dergleichen angeknüpft und
befestigt hat. Nun erhielt ich vor nicht langer Zeit von dem jetzigen Chef des
Hauses Sextus einen Brief mit einer, mich in hohem Maße überraschenden
Mitteilung. Der Baron schrieb mir, es bestehe eine testamentarische Verfügung,
daß bei Aussterben der männlichen Descendenz der Sextus die Vermählung einer
Tochter dieses Hauses mit dem Erben der Grafen von Altenschwerdt das Ver¬
bleiben des Majorats bei der weiblichen Descendenz zur Folge haben solle.
Er schrieb mir zugleich, daß der vorgesehene Fall jetzt eingetreten sei, daß nur
noch eine Tochter in der ältern Linie am Leben und daß er geneigt sei, eine
Verbindung mit unserm Hause zu bewirken. Es geht hieraus also hervor, daß
die Herrschaft Eichhausen, dieser wundervolle Besitz, in deine Hände gelangen
muß, wenn du die Freiin Dorothea von Sextus, die Erbin dieses glänzenden
Namens und Vermögens, heiratest. Diese Angelegenheit ist der zweite Grund,
warum wir hierher gezogen sind. Das Schloß Eichhansen liegt nur drei Stunden
von hier, und es läßt sich eine scheinbar unabsichtliche Zusammenkunft zwischen
dir und der jungen Dame, die ganz unbekannt mit unserm Plane ist, bewerk¬
stelligen. Was sagst du dazu?

Während die Gräfin mit diesen und andern Worten, worin sie sich aus¬
führlich über die Familie Sextus und die Herrschaft Eichhanse» ausließ, ihren
Plan darlegte, lauschte ihr Sohn stumm und atemlos, und mehrfach wechselte
die Farbe auf seineu Wangen.

Meine beste Mutter, sagte er, du redest mir vou Ruhe vor und predigst
mir, ich sollte mich vor Aufregungen hüten, und dabei stürzest du mich inner¬
halb zehn Minuten dreimal in die Lava des glühenden Vesuv und kühlst mich
dreimal wieder im Eismeer ab.

Die Gräfin beobachtete jetzt sorgfältiger das Gesicht ihres Sohnes, woran


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/389>, abgerufen am 23.07.2024.