Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.Nie Grafen von Alten schwerst. Mama! sagte er. Entschuldige, daß ich dich nicht sah. Daß dn mich nicht sahst, mein liebes Kind, das bedauere ich nur deshalb, Meine liebe Mama, erwiederte Dietrich, indem er den Brief in die Tasche Die Gräfin schüttelte den Kopf. Deine Backen sind ganz rot, sagte sie. Ah bah, Mamachen, denke dir nicht solche unwahrscheinliche Gespenster¬ Ob es eine Dame aus der Gesellschaft ist oder nicht, das thut nichts zur Gut, liebe Mama, ich will folgsam sein. Quäle dich nicht. Es war ja Du bist ein Kind, sagte die Dame stirnrunzelnd und doch mit schmeichelndem Nie Grafen von Alten schwerst. Mama! sagte er. Entschuldige, daß ich dich nicht sah. Daß dn mich nicht sahst, mein liebes Kind, das bedauere ich nur deshalb, Meine liebe Mama, erwiederte Dietrich, indem er den Brief in die Tasche Die Gräfin schüttelte den Kopf. Deine Backen sind ganz rot, sagte sie. Ah bah, Mamachen, denke dir nicht solche unwahrscheinliche Gespenster¬ Ob es eine Dame aus der Gesellschaft ist oder nicht, das thut nichts zur Gut, liebe Mama, ich will folgsam sein. Quäle dich nicht. Es war ja Du bist ein Kind, sagte die Dame stirnrunzelnd und doch mit schmeichelndem <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0386" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/152082"/> <fw type="header" place="top"> Nie Grafen von Alten schwerst.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1409"> Mama! sagte er. Entschuldige, daß ich dich nicht sah.</p><lb/> <p xml:id="ID_1410"> Daß dn mich nicht sahst, mein liebes Kind, das bedauere ich nur deshalb,<lb/> weil ich sehen muß, wie wenig dn dich an die Vorschriften des Arztes hältst.<lb/> Er hat dir doch so eindringlich vorgestellt, daß du jede ernste, jede aufregende<lb/> Beschäftigung vermeiden müßtest, wenn deine Nerven sich erholen sollten. Dn<lb/> hast auch geraucht, Dietrich. Ich rieche deutlich den türkischen Tabak. Dietrich,<lb/> was soll dir der Algensaft helfen, wenn du dabei rauchst und eine aufregende<lb/> Korrespondenz führst?</p><lb/> <p xml:id="ID_1411"> Meine liebe Mama, erwiederte Dietrich, indem er den Brief in die Tasche<lb/> gleiten ließ, für meine Nerven ist die Langeweile das allerschlimmste, und meine<lb/> Korrespondenz ist mir nur eine angenehme Erholung.</p><lb/> <p xml:id="ID_1412"> Die Gräfin schüttelte den Kopf. Deine Backen sind ganz rot, sagte sie.<lb/> Gewiß war dieser Brief aus Paris, und gewiß ist er von einer jener leicht¬<lb/> fertigen Damen geschrieben, die niemals Rücksicht auf das Wohl derer nehmen,<lb/> die sie zu lieben vorgeben.</p><lb/> <p xml:id="ID_1413"> Ah bah, Mamachen, denke dir nicht solche unwahrscheinliche Gespenster¬<lb/> geschichten aus. Ein ganz unschuldiger Brief von einer Dame ans der Ge¬<lb/> sellschaft.</p><lb/> <p xml:id="ID_1414"> Ob es eine Dame aus der Gesellschaft ist oder nicht, das thut nichts zur<lb/> Sache, Dietrich. Im Gegenteil, es macht mich umso mehr besorgt. Ich bitte<lb/> dich, lieber Sohn, halte nnr diese paar Wochen wenigstens die Kur streng ein.<lb/> Es ist so sehr nötig für deine Gesundheit. Laß auch das Rauchen! Doktor<lb/> Schmidt sagte mir, daß der Algensaft von einer einschneidenden Wirkung auf<lb/> den Organismus wäre und sich durchaus nicht mit Kaffee, Thee, Wein, Tabak<lb/> und allen derartigen anregenden Dingen vertrüge. Er müsse sich dann geradezu<lb/> in Gift verwandeln. Ich bitte dich, Dietrich, richte dich darnach.</p><lb/> <p xml:id="ID_1415"> Gut, liebe Mama, ich will folgsam sein. Quäle dich nicht. Es war ja<lb/> nur eine einzige Cigarrette. Und das Leben ist so ganz ohne türkischen Tabak<lb/> und Kaffee wahrhaftig recht schwer! Ich finde die Kur hier recht unangenehm.<lb/> Es ist geradezu lächerlich, von so materiellen Dingen überhaupt uur zu sprechen,<lb/> aber ich muß sagen: seit den drei Tagen, die wir hier in dem verwünschten<lb/> Hanse sind, bin ich noch nicht satt geworden. Ich mag das Zeug nicht, was<lb/> wir hier bekommen. Wer hat dir nnr den Gedanke» eingegeben, hierher zu<lb/> gehen? Ich vermute, die ganze Geschichte läuft darauf hinaus, daß man Geld<lb/> an uns verdienen will, denn wir zahlen einen dörrenden Preis und werden<lb/> dafür ausgehungert.</p><lb/> <p xml:id="ID_1416" next="#ID_1417"> Du bist ein Kind, sagte die Dame stirnrunzelnd und doch mit schmeichelndem<lb/> Tone. Kannst du denn nicht um deiner Gesundheit willen ein paar Wochen<lb/> Diät halten? Dieser Doktor Schmidt ist ein ganz ausgezeichneter Arzt, er hat<lb/> die brillantesten Kuren gemacht, nud der Algensaft verträgt sich nnn einmal<lb/> mit keiner ander» Lebensweise. Die scharfen Substanzen, Jod und Brom, und</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0386]
Nie Grafen von Alten schwerst.
Mama! sagte er. Entschuldige, daß ich dich nicht sah.
Daß dn mich nicht sahst, mein liebes Kind, das bedauere ich nur deshalb,
weil ich sehen muß, wie wenig dn dich an die Vorschriften des Arztes hältst.
Er hat dir doch so eindringlich vorgestellt, daß du jede ernste, jede aufregende
Beschäftigung vermeiden müßtest, wenn deine Nerven sich erholen sollten. Dn
hast auch geraucht, Dietrich. Ich rieche deutlich den türkischen Tabak. Dietrich,
was soll dir der Algensaft helfen, wenn du dabei rauchst und eine aufregende
Korrespondenz führst?
Meine liebe Mama, erwiederte Dietrich, indem er den Brief in die Tasche
gleiten ließ, für meine Nerven ist die Langeweile das allerschlimmste, und meine
Korrespondenz ist mir nur eine angenehme Erholung.
Die Gräfin schüttelte den Kopf. Deine Backen sind ganz rot, sagte sie.
Gewiß war dieser Brief aus Paris, und gewiß ist er von einer jener leicht¬
fertigen Damen geschrieben, die niemals Rücksicht auf das Wohl derer nehmen,
die sie zu lieben vorgeben.
Ah bah, Mamachen, denke dir nicht solche unwahrscheinliche Gespenster¬
geschichten aus. Ein ganz unschuldiger Brief von einer Dame ans der Ge¬
sellschaft.
Ob es eine Dame aus der Gesellschaft ist oder nicht, das thut nichts zur
Sache, Dietrich. Im Gegenteil, es macht mich umso mehr besorgt. Ich bitte
dich, lieber Sohn, halte nnr diese paar Wochen wenigstens die Kur streng ein.
Es ist so sehr nötig für deine Gesundheit. Laß auch das Rauchen! Doktor
Schmidt sagte mir, daß der Algensaft von einer einschneidenden Wirkung auf
den Organismus wäre und sich durchaus nicht mit Kaffee, Thee, Wein, Tabak
und allen derartigen anregenden Dingen vertrüge. Er müsse sich dann geradezu
in Gift verwandeln. Ich bitte dich, Dietrich, richte dich darnach.
Gut, liebe Mama, ich will folgsam sein. Quäle dich nicht. Es war ja
nur eine einzige Cigarrette. Und das Leben ist so ganz ohne türkischen Tabak
und Kaffee wahrhaftig recht schwer! Ich finde die Kur hier recht unangenehm.
Es ist geradezu lächerlich, von so materiellen Dingen überhaupt uur zu sprechen,
aber ich muß sagen: seit den drei Tagen, die wir hier in dem verwünschten
Hanse sind, bin ich noch nicht satt geworden. Ich mag das Zeug nicht, was
wir hier bekommen. Wer hat dir nnr den Gedanke» eingegeben, hierher zu
gehen? Ich vermute, die ganze Geschichte läuft darauf hinaus, daß man Geld
an uns verdienen will, denn wir zahlen einen dörrenden Preis und werden
dafür ausgehungert.
Du bist ein Kind, sagte die Dame stirnrunzelnd und doch mit schmeichelndem
Tone. Kannst du denn nicht um deiner Gesundheit willen ein paar Wochen
Diät halten? Dieser Doktor Schmidt ist ein ganz ausgezeichneter Arzt, er hat
die brillantesten Kuren gemacht, nud der Algensaft verträgt sich nnn einmal
mit keiner ander» Lebensweise. Die scharfen Substanzen, Jod und Brom, und
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |