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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Die Grafen von Alteuschwerdt.

neue Projekte machen, die keinen gesunden Boden haben und über kurz oder
lang znsanimenbrechen iniissen, wenn sie mich fiir kurze Zeit Prosperiren? Meine
Hilfe dazu kann ich dir freilich nicht anbieten, weil dir die Kenntnisse fehlen,
um Assistenzarzt an meiner Heilanstalt zu sein.

Das ist doch ein bischen stark, sagte Rudolf ärgerlich. Wie kannst dn dir
mir herausnehmen, kaufmännische Unternehmungen mit deiner Pfnscherei zu ver¬
gleichen? Ich bin ein gelernter Kaufmann und arbeite in meinem Fache, wäh¬
rend du doch nicht die Keckheit haben wirst, zu behaupten, du wärst ein stu-
dirter Mediziner!

Mein lieber Junge, ereifere dich nicht, sagte der andre. Wir wollen beide
Geld verdienen, nicht wahr? Und ist nicht das Geld, welches ein Mann ver¬
dient, der beste Beweis dafür, daß er seine Sache versteht, einerlei, ob er zünftig
oder nicht zünftig ist?

Du hast also die Dreistigkeit, schlankweg zu leugnen, daß es eine medizi¬
nische Wissenschaft giebt, ohne deren Kenntnis es unmöglich und also ein
völliger Schwindel ist, kranke Menschen zu kuriren!

Es ist merkwürdig, entgegnete der Natnrarzt, daß selbst die klügsten Leute,
zu denen ich dir die Ehre anthue dich zu rechnen^ völlig vernagelt sind, sobald
es sich um Gesundheit und Krankheit handelt. Ich kenne Leute, die das Gras
wachsen hören und weder an Gott noch den Teufel glauben, die aber, wenn
sie krank sind, so abergläubisch werden wie ein altes Weib, das sich einbildet,
ihrer Kuh wäre die Milch durch Zauberei vergangen. Es ist aber gut, deun
wovon sollten wir Ärzte sonst leben?

Was willst du damit sagen? Das verstehe ich nicht.

Ja, das sehe ich dir an, sagte Gottlieb lachend, Dn bildest dir ein, die
Natur wäre so beschaffen, daß sie ans die gelehrten Leute wartete, um in Ord¬
nung zu kommen.

Willst du denn etwa behaupte,?, Krankheiten würden von selbst besser?

Mein guter Junge, es giebt nach meiner Erfahrung zwei Arten von Krank¬
heiten. Die einen werden von selbst besser, die andern überhaupt nicht.

Das ist stark!

Aber wahr.

Und deshalb giebst du gegen alle Krankheiten Algensaft und hast die Stirn
zu behaupten, das wäre kein Humbug.

Lieber Rudolf, du hast ebensowenig nötig, mir zu sagen, daß der Algen¬
saft Humbng ist, wie ich es nötig habe, dir zu sagen, daß die Gewerbebank
Humbng ist.

Ich gebe es auf, sagte Rudolf, indem er sich erhob. Aber niemals wirst
du mit aller deiner Sophistik die Thatsache aus der Welt schaffen, daß es Hun¬
derte von ganz verschiednen Krankheiten giebt, und daß sie logischer Weise ver¬
schieden behandelt werden müssen,


Die Grafen von Alteuschwerdt.

neue Projekte machen, die keinen gesunden Boden haben und über kurz oder
lang znsanimenbrechen iniissen, wenn sie mich fiir kurze Zeit Prosperiren? Meine
Hilfe dazu kann ich dir freilich nicht anbieten, weil dir die Kenntnisse fehlen,
um Assistenzarzt an meiner Heilanstalt zu sein.

Das ist doch ein bischen stark, sagte Rudolf ärgerlich. Wie kannst dn dir
mir herausnehmen, kaufmännische Unternehmungen mit deiner Pfnscherei zu ver¬
gleichen? Ich bin ein gelernter Kaufmann und arbeite in meinem Fache, wäh¬
rend du doch nicht die Keckheit haben wirst, zu behaupten, du wärst ein stu-
dirter Mediziner!

Mein lieber Junge, ereifere dich nicht, sagte der andre. Wir wollen beide
Geld verdienen, nicht wahr? Und ist nicht das Geld, welches ein Mann ver¬
dient, der beste Beweis dafür, daß er seine Sache versteht, einerlei, ob er zünftig
oder nicht zünftig ist?

Du hast also die Dreistigkeit, schlankweg zu leugnen, daß es eine medizi¬
nische Wissenschaft giebt, ohne deren Kenntnis es unmöglich und also ein
völliger Schwindel ist, kranke Menschen zu kuriren!

Es ist merkwürdig, entgegnete der Natnrarzt, daß selbst die klügsten Leute,
zu denen ich dir die Ehre anthue dich zu rechnen^ völlig vernagelt sind, sobald
es sich um Gesundheit und Krankheit handelt. Ich kenne Leute, die das Gras
wachsen hören und weder an Gott noch den Teufel glauben, die aber, wenn
sie krank sind, so abergläubisch werden wie ein altes Weib, das sich einbildet,
ihrer Kuh wäre die Milch durch Zauberei vergangen. Es ist aber gut, deun
wovon sollten wir Ärzte sonst leben?

Was willst du damit sagen? Das verstehe ich nicht.

Ja, das sehe ich dir an, sagte Gottlieb lachend, Dn bildest dir ein, die
Natur wäre so beschaffen, daß sie ans die gelehrten Leute wartete, um in Ord¬
nung zu kommen.

Willst du denn etwa behaupte,?, Krankheiten würden von selbst besser?

Mein guter Junge, es giebt nach meiner Erfahrung zwei Arten von Krank¬
heiten. Die einen werden von selbst besser, die andern überhaupt nicht.

Das ist stark!

Aber wahr.

Und deshalb giebst du gegen alle Krankheiten Algensaft und hast die Stirn
zu behaupten, das wäre kein Humbug.

Lieber Rudolf, du hast ebensowenig nötig, mir zu sagen, daß der Algen¬
saft Humbng ist, wie ich es nötig habe, dir zu sagen, daß die Gewerbebank
Humbng ist.

Ich gebe es auf, sagte Rudolf, indem er sich erhob. Aber niemals wirst
du mit aller deiner Sophistik die Thatsache aus der Welt schaffen, daß es Hun¬
derte von ganz verschiednen Krankheiten giebt, und daß sie logischer Weise ver¬
schieden behandelt werden müssen,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/382>, abgerufen am 25.08.2024.