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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Die Grafen von Altenschwerdt.

geheimnissen der Damen, aber er dachte, es sei möglich, daß hier gewisse Künste
in Anwendung gekommen seien, von denen er wohl gehört hatte.

Er erklärte der Dame ausführlich die Verhältnisse, welche auf den Kurs¬
stand der Kreditaltieu einzuwirken pflegten, und sie hörte mit großem Inter¬
esse zu.

Haben Sie doch die Liebenswürdigkeit, mich zu begleiten sagte sie dann
in einem Tone, der die Gewohnheit des Befehlens verriet. Ich habe ans meinem
Zimmer eine Liste verschiedner Papiere, über die ich mir Ihre Belehrung er¬
bitte. Ich bin die Gräfin von Altenschwerdt.

Herr Schmidt verneigte sich tief und folgte der Dame ans ihr Zimmer.
Eine lange und eingehende Unterhaltung ward dort zwischen den beiden ge¬
pflogen, und als Herr Schmidt nach einer Stunde wieder herauskam, war der
Ausdruck seines Gesichts ein sehr vergnügter. Er hatte die Fran Gräfin voll¬
ständig davon überzeugt, daß bei der jetzigen Lage der Geschäfte, unter dem Zu¬
strömen der unermeßlichen französischen Kriegsentschädigung, die Anlage in
Bankwerten die vorteilhafteste sei, und daß vorwiegend die Unternehmungen des
Herrn Schmidt glänzende Zinsen versprachen.

Die Sprechstunde war gerade vorüber, und der Bruder hatte jetzt Zeit
für Familienbesuche und Privatangelegenheiten. Es war nicht wunderbar, daß
die etwas kurzsichtige Gräfin Altenschwerdt in der Entfernung die Brüder mit
einander verwechselt hatte. Beide hatten dasselbe rote Haar und blühende Gesicht,
denselben breiten Kopf, wenn auch gewisse Verschiedenheiten in Form und Farbe
bei genaueren Zusehen zu entdecken waren. Gottliebs Unterkiefer war sehr weit
vorgeschoben, und sein Mund befand sich dicht unter der laugen, nach unten
gehenden Nase, was ihm einige Ähnlichkeit mit der Physiognomie des Fuchses
verlieh.

Wie kommst du denn dazu, dich Doktor nennen zu lassen? fragte Rudolf
beim Eintreten. Ich finde, du nimmst großartige Manieren an, aber dieser
Titel könnte dich doch mit den Gerichten in Konflikt bringen.

Ich nenne mich niemals Doktor, entgegnete der Algenarzt mit listigen
Lächeln. Wenn me ne Patienten und meine Domestiken mir ans eigne Hand
diesen Titel geben, kaun ich nichts dafür.

Aha, sagte Rudolf, indem er sich dem Bruder gegenüber in einen Lehn-
stuhl setzte, so bist du also wirklich ein großer Arzt geworden! Ich sehe, dein
Haus ist voll, und das amüsirt mich köstlich.

Der Bruder zuckte die Achseln.

Rudolf betrachtete ihn eine Zeit lang schweigend und mit scharfem Blick,
konnte aber nicht die leiseste Spur vou Beschämung in Gottliebs Gesicht ent¬
decken.

Weißt du, lieber Gottlieb, sagte er dann, die Leute schwatzen bei mir zu
Hanse allerhand über dich, was mir nicht lieb zu hören ist.


Die Grafen von Altenschwerdt.

geheimnissen der Damen, aber er dachte, es sei möglich, daß hier gewisse Künste
in Anwendung gekommen seien, von denen er wohl gehört hatte.

Er erklärte der Dame ausführlich die Verhältnisse, welche auf den Kurs¬
stand der Kreditaltieu einzuwirken pflegten, und sie hörte mit großem Inter¬
esse zu.

Haben Sie doch die Liebenswürdigkeit, mich zu begleiten sagte sie dann
in einem Tone, der die Gewohnheit des Befehlens verriet. Ich habe ans meinem
Zimmer eine Liste verschiedner Papiere, über die ich mir Ihre Belehrung er¬
bitte. Ich bin die Gräfin von Altenschwerdt.

Herr Schmidt verneigte sich tief und folgte der Dame ans ihr Zimmer.
Eine lange und eingehende Unterhaltung ward dort zwischen den beiden ge¬
pflogen, und als Herr Schmidt nach einer Stunde wieder herauskam, war der
Ausdruck seines Gesichts ein sehr vergnügter. Er hatte die Fran Gräfin voll¬
ständig davon überzeugt, daß bei der jetzigen Lage der Geschäfte, unter dem Zu¬
strömen der unermeßlichen französischen Kriegsentschädigung, die Anlage in
Bankwerten die vorteilhafteste sei, und daß vorwiegend die Unternehmungen des
Herrn Schmidt glänzende Zinsen versprachen.

Die Sprechstunde war gerade vorüber, und der Bruder hatte jetzt Zeit
für Familienbesuche und Privatangelegenheiten. Es war nicht wunderbar, daß
die etwas kurzsichtige Gräfin Altenschwerdt in der Entfernung die Brüder mit
einander verwechselt hatte. Beide hatten dasselbe rote Haar und blühende Gesicht,
denselben breiten Kopf, wenn auch gewisse Verschiedenheiten in Form und Farbe
bei genaueren Zusehen zu entdecken waren. Gottliebs Unterkiefer war sehr weit
vorgeschoben, und sein Mund befand sich dicht unter der laugen, nach unten
gehenden Nase, was ihm einige Ähnlichkeit mit der Physiognomie des Fuchses
verlieh.

Wie kommst du denn dazu, dich Doktor nennen zu lassen? fragte Rudolf
beim Eintreten. Ich finde, du nimmst großartige Manieren an, aber dieser
Titel könnte dich doch mit den Gerichten in Konflikt bringen.

Ich nenne mich niemals Doktor, entgegnete der Algenarzt mit listigen
Lächeln. Wenn me ne Patienten und meine Domestiken mir ans eigne Hand
diesen Titel geben, kaun ich nichts dafür.

Aha, sagte Rudolf, indem er sich dem Bruder gegenüber in einen Lehn-
stuhl setzte, so bist du also wirklich ein großer Arzt geworden! Ich sehe, dein
Haus ist voll, und das amüsirt mich köstlich.

Der Bruder zuckte die Achseln.

Rudolf betrachtete ihn eine Zeit lang schweigend und mit scharfem Blick,
konnte aber nicht die leiseste Spur vou Beschämung in Gottliebs Gesicht ent¬
decken.

Weißt du, lieber Gottlieb, sagte er dann, die Leute schwatzen bei mir zu
Hanse allerhand über dich, was mir nicht lieb zu hören ist.


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[0380] Die Grafen von Altenschwerdt. geheimnissen der Damen, aber er dachte, es sei möglich, daß hier gewisse Künste in Anwendung gekommen seien, von denen er wohl gehört hatte. Er erklärte der Dame ausführlich die Verhältnisse, welche auf den Kurs¬ stand der Kreditaltieu einzuwirken pflegten, und sie hörte mit großem Inter¬ esse zu. Haben Sie doch die Liebenswürdigkeit, mich zu begleiten sagte sie dann in einem Tone, der die Gewohnheit des Befehlens verriet. Ich habe ans meinem Zimmer eine Liste verschiedner Papiere, über die ich mir Ihre Belehrung er¬ bitte. Ich bin die Gräfin von Altenschwerdt. Herr Schmidt verneigte sich tief und folgte der Dame ans ihr Zimmer. Eine lange und eingehende Unterhaltung ward dort zwischen den beiden ge¬ pflogen, und als Herr Schmidt nach einer Stunde wieder herauskam, war der Ausdruck seines Gesichts ein sehr vergnügter. Er hatte die Fran Gräfin voll¬ ständig davon überzeugt, daß bei der jetzigen Lage der Geschäfte, unter dem Zu¬ strömen der unermeßlichen französischen Kriegsentschädigung, die Anlage in Bankwerten die vorteilhafteste sei, und daß vorwiegend die Unternehmungen des Herrn Schmidt glänzende Zinsen versprachen. Die Sprechstunde war gerade vorüber, und der Bruder hatte jetzt Zeit für Familienbesuche und Privatangelegenheiten. Es war nicht wunderbar, daß die etwas kurzsichtige Gräfin Altenschwerdt in der Entfernung die Brüder mit einander verwechselt hatte. Beide hatten dasselbe rote Haar und blühende Gesicht, denselben breiten Kopf, wenn auch gewisse Verschiedenheiten in Form und Farbe bei genaueren Zusehen zu entdecken waren. Gottliebs Unterkiefer war sehr weit vorgeschoben, und sein Mund befand sich dicht unter der laugen, nach unten gehenden Nase, was ihm einige Ähnlichkeit mit der Physiognomie des Fuchses verlieh. Wie kommst du denn dazu, dich Doktor nennen zu lassen? fragte Rudolf beim Eintreten. Ich finde, du nimmst großartige Manieren an, aber dieser Titel könnte dich doch mit den Gerichten in Konflikt bringen. Ich nenne mich niemals Doktor, entgegnete der Algenarzt mit listigen Lächeln. Wenn me ne Patienten und meine Domestiken mir ans eigne Hand diesen Titel geben, kaun ich nichts dafür. Aha, sagte Rudolf, indem er sich dem Bruder gegenüber in einen Lehn- stuhl setzte, so bist du also wirklich ein großer Arzt geworden! Ich sehe, dein Haus ist voll, und das amüsirt mich köstlich. Der Bruder zuckte die Achseln. Rudolf betrachtete ihn eine Zeit lang schweigend und mit scharfem Blick, konnte aber nicht die leiseste Spur vou Beschämung in Gottliebs Gesicht ent¬ decken. Weißt du, lieber Gottlieb, sagte er dann, die Leute schwatzen bei mir zu Hanse allerhand über dich, was mir nicht lieb zu hören ist.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/380>, abgerufen am 23.07.2024.