Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.Lntstehlmgsgeschichte und Stil des Egmont,
Wenn Egmont ferner sich aus den düstern Wänden eines Saales hinweg und Auch die Abschiedsszeue zwischen Klürcheu und Brackenburg und besonders Dich schließt der Feind von oller Seiten ein! Lntstehlmgsgeschichte und Stil des Egmont,
Wenn Egmont ferner sich aus den düstern Wänden eines Saales hinweg und Auch die Abschiedsszeue zwischen Klürcheu und Brackenburg und besonders Dich schließt der Feind von oller Seiten ein! <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0378" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/152066"/> <fw type="header" place="top"> Lntstehlmgsgeschichte und Stil des Egmont,</fw><lb/> <quote> <p xml:id="ID_1342"> Es geht die Sonne mir der schönsten Gunst<lb/> Ans einmal unter; seinen holden Blick</p> <p xml:id="ID_1343"> Entziehet mir der Fürst n»d läßt mich hier<lb/> Auf düsterm, schmalem Pfad verworren stehn</p> </quote><lb/> <p xml:id="ID_1344"> Wenn Egmont ferner sich aus den düstern Wänden eines Saales hinweg und<lb/> ins Freie hinaussehnt, so liegt hier gleichfalls Erlebtes ans dem Weimarer<lb/> Conseil zu Grunde, und selbst vom Hombnrger Hofe schreibt Goethe einmal an<lb/> die Stein: „So ziehen wir an den Höfen herum, frieren und langeweilen, essen<lb/> schlecht und trinken noch schlechter. Hier jammern einen die Leute, sie fühlen<lb/> wie es bey ihnen aussieht und ein fremder macht ihnen bang, Sie sind schlecht<lb/> eingerichtet und haben meist Schöpfe und Lumpen um sich. Ins Feld kaun<lb/> man nicht und unterm Dach ist wenig Luft,"</p><lb/> <p xml:id="ID_1345"> Auch die Abschiedsszeue zwischen Klürcheu und Brackenburg und besonders<lb/> der folgende Monolog Brackeuburgs weist durch ländischen Rhythmus auf eine<lb/> spätere Entstehung, nur der Schluß verrät auffallenderweise keine Spur davon. Nur<lb/> ganz selten und erst am Eude treten hier Jamben auf. Auch die Motive sind<lb/> zum Teil alt, die Erzählung des alten Neides, den Alba den: Egmont aus den<lb/> Jugendjahren nachträgt, setzt ein in der Sturm- und Drangzeit typisches Ver¬<lb/> hältnis wie zwischen Götz und Weisungen voraus. Der Enthusiasmus Ferdinands<lb/> gehört gleichfalls der frühern Epoche an, die hohe Begeisterung für el» großes<lb/> Vorbild, welche die Stürmer und Dränger gegenüber Shakespeare empfanden<lb/> und bethätigten, dem sie auch menschlich nahe zu treten meinten. Vielleicht hat<lb/> Goethe für die letzte Szene die ausführlichen Nachrichten benutzt, welche er sich<lb/> durch Lavater über die letzten Stunden und die letzte Unterredung des 1780<lb/> in der Schweiz des Hochverrates angeklagten und enthaupteten Pfarrers Waser<lb/> kommen ließ. In den letzten Absätzen klingt das Stück wieder iambisch aus:</p><lb/> <quote> Dich schließt der Feind von oller Seiten ein!<lb/> Es blinken Schwerter; Freunde, höhern Muth!<lb/> Im Rücken hohe Ihr Eltern, Weiber, Kinder!<lb/> Und diese treibt ein hohles Wort des Herrschers,<lb/> nicht ihr Gemüth, Schützt Eure Güter!!<lb/> Und Euer Liebstes zu erretten,<lb/> fallt freudig, wie ich Euch ein Beispiel gebe!</quote><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0378]
Lntstehlmgsgeschichte und Stil des Egmont,
Es geht die Sonne mir der schönsten Gunst
Ans einmal unter; seinen holden Blick
Entziehet mir der Fürst n»d läßt mich hier
Auf düsterm, schmalem Pfad verworren stehn
Wenn Egmont ferner sich aus den düstern Wänden eines Saales hinweg und
ins Freie hinaussehnt, so liegt hier gleichfalls Erlebtes ans dem Weimarer
Conseil zu Grunde, und selbst vom Hombnrger Hofe schreibt Goethe einmal an
die Stein: „So ziehen wir an den Höfen herum, frieren und langeweilen, essen
schlecht und trinken noch schlechter. Hier jammern einen die Leute, sie fühlen
wie es bey ihnen aussieht und ein fremder macht ihnen bang, Sie sind schlecht
eingerichtet und haben meist Schöpfe und Lumpen um sich. Ins Feld kaun
man nicht und unterm Dach ist wenig Luft,"
Auch die Abschiedsszeue zwischen Klürcheu und Brackenburg und besonders
der folgende Monolog Brackeuburgs weist durch ländischen Rhythmus auf eine
spätere Entstehung, nur der Schluß verrät auffallenderweise keine Spur davon. Nur
ganz selten und erst am Eude treten hier Jamben auf. Auch die Motive sind
zum Teil alt, die Erzählung des alten Neides, den Alba den: Egmont aus den
Jugendjahren nachträgt, setzt ein in der Sturm- und Drangzeit typisches Ver¬
hältnis wie zwischen Götz und Weisungen voraus. Der Enthusiasmus Ferdinands
gehört gleichfalls der frühern Epoche an, die hohe Begeisterung für el» großes
Vorbild, welche die Stürmer und Dränger gegenüber Shakespeare empfanden
und bethätigten, dem sie auch menschlich nahe zu treten meinten. Vielleicht hat
Goethe für die letzte Szene die ausführlichen Nachrichten benutzt, welche er sich
durch Lavater über die letzten Stunden und die letzte Unterredung des 1780
in der Schweiz des Hochverrates angeklagten und enthaupteten Pfarrers Waser
kommen ließ. In den letzten Absätzen klingt das Stück wieder iambisch aus:
Dich schließt der Feind von oller Seiten ein!
Es blinken Schwerter; Freunde, höhern Muth!
Im Rücken hohe Ihr Eltern, Weiber, Kinder!
Und diese treibt ein hohles Wort des Herrschers,
nicht ihr Gemüth, Schützt Eure Güter!!
Und Euer Liebstes zu erretten,
fallt freudig, wie ich Euch ein Beispiel gebe!
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