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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Ltttstthiingsgeschichtc und Stil des Egmoot.

Sonnenfinsternis pünktlich und schrecklich treffen," "vor ihrer Thüre siehts aus,
mis öl> ein Kranker im Hause wäre" sind ganz im Geschmacke des Götz, Die
folgende Szene zwischen Alba und seinem Sohne ist nach dem Tagebuche in
Weimar entstanden oder doch überarbeitet; der folgende Monolog Aldas gleich¬
falls, der sich sast ganz in ländischen Rhythmus bewegt.


Trug Dich Dein Pferd so leicht herein

Und scheute vor dem Blutgeruche nicht

Und vor dem Geiste mit dem blanken Schwert,
'

Der ein der Pforte Dich empfängt? Steig ab!

So bist Du mit dem einen Fuß im Grab --

Und so mit beiden! Ja, streicht' es nnr und klopfe

Für seineu mntWgen Dienst zum letzten Man(e)

Den Nacken ihm! Und mir bleibt keine Wahl.

In der Verblendung, wie hier Egmont naht,

Kann er Dir nicht zum zweiten Mal sich liefern!


Daß Goethe die folgende Szene zwischen Egmont und Alba in Weimar um¬
gearbeitet hat, würde man dagegen aus der äußern Form nicht erkennen, denn
sie zeigt den Rhythmus nirgends deutlich. In die Szene zwischen Klürchen
und den Bürgern stehlen sich dagegen hier und da wieder iambische Rhythmen
ein, und der folgende Monolog Egmonts ist durchaus rhythmisch bewegt, stellen¬
weise (besonders am Schlüsse) ganz iambisch:


O haltet, Mauern, die ihr mich einschließt, jnmschließt?^
so vieler Geister wolgemeintes Drängen
nicht von mir ab

und welcher Muth ans meinen Augen sonst

sich über sie ergoß, der kehre nnn

ans ihren Herzen in meines wieder!

O ja, sie rühren sich zu Tausenden!

Sie kommen, stehen mir zur Seite!

Ihr frommer Wunsch eilt dringend zu dem Himmel,

er bittet um ein Wunder.

Und steigt zu meiner Rettung nicht ein Engel nieder,
so seh' ich sie uach Lanz und Schwertern greifen.
Die Thore spalten sich, die Gitter springen,
Die Mauer stürzt vor ihren Händen ein,

und der Freiheit des einbrechenden Tages steigt Egmont fröhlich entgegen.

Wie manch bekannt Gesicht empfängt mich jnnchzend!
'

Ach Märchen, wärst du Mann, so sah ich Dich

Gewiß auch hier zuerst und dankte Dir,

was einem Könige zu danken hart ist -- Freiheit.


Wenn Egmont hier die Gerechtigkeit des Königs und die Freundschaft der Re¬
gentin mit einem glänzenden Feuerbild der Nacht vergleicht, welches ihm ver¬
schwunden sei und ihn allein auf dunkelm Pfade zurückgelassen habe, so ist das
ein Bild im Stile des Tasso, wo es gleichlautend heißt:


Grenzboten I. 1883. 47
Ltttstthiingsgeschichtc und Stil des Egmoot.

Sonnenfinsternis pünktlich und schrecklich treffen," „vor ihrer Thüre siehts aus,
mis öl> ein Kranker im Hause wäre" sind ganz im Geschmacke des Götz, Die
folgende Szene zwischen Alba und seinem Sohne ist nach dem Tagebuche in
Weimar entstanden oder doch überarbeitet; der folgende Monolog Aldas gleich¬
falls, der sich sast ganz in ländischen Rhythmus bewegt.


Trug Dich Dein Pferd so leicht herein

Und scheute vor dem Blutgeruche nicht

Und vor dem Geiste mit dem blanken Schwert,
'

Der ein der Pforte Dich empfängt? Steig ab!

So bist Du mit dem einen Fuß im Grab —

Und so mit beiden! Ja, streicht' es nnr und klopfe

Für seineu mntWgen Dienst zum letzten Man(e)

Den Nacken ihm! Und mir bleibt keine Wahl.

In der Verblendung, wie hier Egmont naht,

Kann er Dir nicht zum zweiten Mal sich liefern!


Daß Goethe die folgende Szene zwischen Egmont und Alba in Weimar um¬
gearbeitet hat, würde man dagegen aus der äußern Form nicht erkennen, denn
sie zeigt den Rhythmus nirgends deutlich. In die Szene zwischen Klürchen
und den Bürgern stehlen sich dagegen hier und da wieder iambische Rhythmen
ein, und der folgende Monolog Egmonts ist durchaus rhythmisch bewegt, stellen¬
weise (besonders am Schlüsse) ganz iambisch:


O haltet, Mauern, die ihr mich einschließt, jnmschließt?^
so vieler Geister wolgemeintes Drängen
nicht von mir ab

und welcher Muth ans meinen Augen sonst

sich über sie ergoß, der kehre nnn

ans ihren Herzen in meines wieder!

O ja, sie rühren sich zu Tausenden!

Sie kommen, stehen mir zur Seite!

Ihr frommer Wunsch eilt dringend zu dem Himmel,

er bittet um ein Wunder.

Und steigt zu meiner Rettung nicht ein Engel nieder,
so seh' ich sie uach Lanz und Schwertern greifen.
Die Thore spalten sich, die Gitter springen,
Die Mauer stürzt vor ihren Händen ein,

und der Freiheit des einbrechenden Tages steigt Egmont fröhlich entgegen.

Wie manch bekannt Gesicht empfängt mich jnnchzend!
'

Ach Märchen, wärst du Mann, so sah ich Dich

Gewiß auch hier zuerst und dankte Dir,

was einem Könige zu danken hart ist — Freiheit.


Wenn Egmont hier die Gerechtigkeit des Königs und die Freundschaft der Re¬
gentin mit einem glänzenden Feuerbild der Nacht vergleicht, welches ihm ver¬
schwunden sei und ihn allein auf dunkelm Pfade zurückgelassen habe, so ist das
ein Bild im Stile des Tasso, wo es gleichlautend heißt:


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[0377] Ltttstthiingsgeschichtc und Stil des Egmoot. Sonnenfinsternis pünktlich und schrecklich treffen," „vor ihrer Thüre siehts aus, mis öl> ein Kranker im Hause wäre" sind ganz im Geschmacke des Götz, Die folgende Szene zwischen Alba und seinem Sohne ist nach dem Tagebuche in Weimar entstanden oder doch überarbeitet; der folgende Monolog Aldas gleich¬ falls, der sich sast ganz in ländischen Rhythmus bewegt. Trug Dich Dein Pferd so leicht herein Und scheute vor dem Blutgeruche nicht Und vor dem Geiste mit dem blanken Schwert, ' Der ein der Pforte Dich empfängt? Steig ab! So bist Du mit dem einen Fuß im Grab — Und so mit beiden! Ja, streicht' es nnr und klopfe Für seineu mntWgen Dienst zum letzten Man(e) Den Nacken ihm! Und mir bleibt keine Wahl. In der Verblendung, wie hier Egmont naht, Kann er Dir nicht zum zweiten Mal sich liefern! Daß Goethe die folgende Szene zwischen Egmont und Alba in Weimar um¬ gearbeitet hat, würde man dagegen aus der äußern Form nicht erkennen, denn sie zeigt den Rhythmus nirgends deutlich. In die Szene zwischen Klürchen und den Bürgern stehlen sich dagegen hier und da wieder iambische Rhythmen ein, und der folgende Monolog Egmonts ist durchaus rhythmisch bewegt, stellen¬ weise (besonders am Schlüsse) ganz iambisch: O haltet, Mauern, die ihr mich einschließt, jnmschließt?^ so vieler Geister wolgemeintes Drängen nicht von mir ab und welcher Muth ans meinen Augen sonst sich über sie ergoß, der kehre nnn ans ihren Herzen in meines wieder! O ja, sie rühren sich zu Tausenden! Sie kommen, stehen mir zur Seite! Ihr frommer Wunsch eilt dringend zu dem Himmel, er bittet um ein Wunder. Und steigt zu meiner Rettung nicht ein Engel nieder, so seh' ich sie uach Lanz und Schwertern greifen. Die Thore spalten sich, die Gitter springen, Die Mauer stürzt vor ihren Händen ein, und der Freiheit des einbrechenden Tages steigt Egmont fröhlich entgegen. Wie manch bekannt Gesicht empfängt mich jnnchzend! ' Ach Märchen, wärst du Mann, so sah ich Dich Gewiß auch hier zuerst und dankte Dir, was einem Könige zu danken hart ist — Freiheit. Wenn Egmont hier die Gerechtigkeit des Königs und die Freundschaft der Re¬ gentin mit einem glänzenden Feuerbild der Nacht vergleicht, welches ihm ver¬ schwunden sei und ihn allein auf dunkelm Pfade zurückgelassen habe, so ist das ein Bild im Stile des Tasso, wo es gleichlautend heißt: Grenzboten I. 1883. 47

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/377>, abgerufen am 23.07.2024.