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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Der Regen.

erfaßt, im Bogen hcrnmnimmt und nach rechts ablegt. So nimmt der Luft¬
wirbel der Depressiv" den südwestlichen Strom, hebt ihn empor und wirft ihn
gleichsam über die Achsel hinter sich, sodaß er in höhern Regionen als Südost
abfließt, eventuell mit dem in tieferer Schicht strömenden kälteren Nordwest in Be¬
rührung tretend das bekannte aus der Regeuecke oder dem "Negenlvche," oder
wie die Gegend sonst lokal benannt wird, abscheuliche ans Regen oder Schnee-
schaner" bestehende Unwetter bildet. Umgekehrt wird der die Rückseite umkreisende
kalte Nordoststrom durch denselben Wirbel emporgehoben und i" hohen Luft¬
regionen als Nordwest entlassen.

Das eben ausgesprochene kann natürlich nur für eine Vermutung gelten,
da wir -- was im Interesse der Meteorologie sehr zu bedauern ist -- über
die Vorgänge in den höheren Luftregionen keine Kenntnis haben und nur von
Luftschiffer" erfahren, daß in denselben sehr mannichfaltige, der Luftbewegung
an der Erdoberfläche entgegengesetzte Strömungen herrschen. Nur ein Zeichen
hat man, welches Schlüsse auf den Zustand der obern Regionen zu machen
gestattet; es ist die Gestalt und der Zug der bereits erwähnten Cirrnswolken.
Nach der eben ausgeführten Hypothese muß beim Herannahen einer Depression
Südwestwind in den tiefen, Nordwestwind in den hohen Regionen herrschen,
letzterer müßte an dem Zuge von federartig gestalteten leichten Schleiern zu
erkennen sein, ersterer müßte Trübung der Luft am Horizonte und eine auf¬
steigende Wolkenbank mitbringen. Dies ist auch genau so der Fall, und die
Erscheinung ist unter dem Namen Wetterbaum allgemein bekannt. Wenn die
Vomusbcrechnung von Schnelligkeit und Richtung einer Depression immer eine
prekäre Sache bleibt, so haben wir vom Eintreffen derselben ganz sichere Vor¬
zeichen im Auftreten der eben geschilderten Merkmale,

Nach dem Wetterkanou der barometrischen Minima müßte also der Ver¬
lauf folgender heim Fallendes Barometer, Südost- bis Südwestwind und
Regen; steigendes Barometer, West- bis Nordwestwind und hell werdender
Himmel bei sinkender Temperatur, Diese Ordnung trifft auch zu für England,
Skandinavien und die deutschen Küstenländer. Für das deutsche Binnenland ist
sie nicht zutreffend; wir erhalten die meisten Niederschlüge bei steigendem Baro¬
meter und nordwestlichen Winde, Dies hat seinen Grund darin, daß der Regen,
welchen die südwestliche" Winde bringen, von dem weitgedehnten Vorlande ab¬
gefangen wird, und daß für uns die Nordsee die ergiebigste Regenquelle ist.
Diese nordwestlichen Winde gelangen aber zu uns, wenn die Depression bereits
vorüber ist und das Barometer zu steigen anfängt. Wie oft wird auf das Ba¬
rometer gescholten und ihm vorgeworfen, daß es falsch zeige! Man sieht, wie
ungerecht das ist.

Nicht selten aber auch verläuft der ganze mehrfach geschilderte Prozeß in
rapider Weise, der Wind springt förmlich herum, und Regen und Sonnenschein
folgen einander in wenigen Stunden. Dies geschieht, wenn sich, wie schon oben


Der Regen.

erfaßt, im Bogen hcrnmnimmt und nach rechts ablegt. So nimmt der Luft¬
wirbel der Depressiv» den südwestlichen Strom, hebt ihn empor und wirft ihn
gleichsam über die Achsel hinter sich, sodaß er in höhern Regionen als Südost
abfließt, eventuell mit dem in tieferer Schicht strömenden kälteren Nordwest in Be¬
rührung tretend das bekannte aus der Regeuecke oder dem „Negenlvche," oder
wie die Gegend sonst lokal benannt wird, abscheuliche ans Regen oder Schnee-
schaner» bestehende Unwetter bildet. Umgekehrt wird der die Rückseite umkreisende
kalte Nordoststrom durch denselben Wirbel emporgehoben und i» hohen Luft¬
regionen als Nordwest entlassen.

Das eben ausgesprochene kann natürlich nur für eine Vermutung gelten,
da wir — was im Interesse der Meteorologie sehr zu bedauern ist — über
die Vorgänge in den höheren Luftregionen keine Kenntnis haben und nur von
Luftschiffer« erfahren, daß in denselben sehr mannichfaltige, der Luftbewegung
an der Erdoberfläche entgegengesetzte Strömungen herrschen. Nur ein Zeichen
hat man, welches Schlüsse auf den Zustand der obern Regionen zu machen
gestattet; es ist die Gestalt und der Zug der bereits erwähnten Cirrnswolken.
Nach der eben ausgeführten Hypothese muß beim Herannahen einer Depression
Südwestwind in den tiefen, Nordwestwind in den hohen Regionen herrschen,
letzterer müßte an dem Zuge von federartig gestalteten leichten Schleiern zu
erkennen sein, ersterer müßte Trübung der Luft am Horizonte und eine auf¬
steigende Wolkenbank mitbringen. Dies ist auch genau so der Fall, und die
Erscheinung ist unter dem Namen Wetterbaum allgemein bekannt. Wenn die
Vomusbcrechnung von Schnelligkeit und Richtung einer Depression immer eine
prekäre Sache bleibt, so haben wir vom Eintreffen derselben ganz sichere Vor¬
zeichen im Auftreten der eben geschilderten Merkmale,

Nach dem Wetterkanou der barometrischen Minima müßte also der Ver¬
lauf folgender heim Fallendes Barometer, Südost- bis Südwestwind und
Regen; steigendes Barometer, West- bis Nordwestwind und hell werdender
Himmel bei sinkender Temperatur, Diese Ordnung trifft auch zu für England,
Skandinavien und die deutschen Küstenländer. Für das deutsche Binnenland ist
sie nicht zutreffend; wir erhalten die meisten Niederschlüge bei steigendem Baro¬
meter und nordwestlichen Winde, Dies hat seinen Grund darin, daß der Regen,
welchen die südwestliche» Winde bringen, von dem weitgedehnten Vorlande ab¬
gefangen wird, und daß für uns die Nordsee die ergiebigste Regenquelle ist.
Diese nordwestlichen Winde gelangen aber zu uns, wenn die Depression bereits
vorüber ist und das Barometer zu steigen anfängt. Wie oft wird auf das Ba¬
rometer gescholten und ihm vorgeworfen, daß es falsch zeige! Man sieht, wie
ungerecht das ist.

Nicht selten aber auch verläuft der ganze mehrfach geschilderte Prozeß in
rapider Weise, der Wind springt förmlich herum, und Regen und Sonnenschein
folgen einander in wenigen Stunden. Dies geschieht, wenn sich, wie schon oben


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[0366] Der Regen. erfaßt, im Bogen hcrnmnimmt und nach rechts ablegt. So nimmt der Luft¬ wirbel der Depressiv» den südwestlichen Strom, hebt ihn empor und wirft ihn gleichsam über die Achsel hinter sich, sodaß er in höhern Regionen als Südost abfließt, eventuell mit dem in tieferer Schicht strömenden kälteren Nordwest in Be¬ rührung tretend das bekannte aus der Regeuecke oder dem „Negenlvche," oder wie die Gegend sonst lokal benannt wird, abscheuliche ans Regen oder Schnee- schaner» bestehende Unwetter bildet. Umgekehrt wird der die Rückseite umkreisende kalte Nordoststrom durch denselben Wirbel emporgehoben und i» hohen Luft¬ regionen als Nordwest entlassen. Das eben ausgesprochene kann natürlich nur für eine Vermutung gelten, da wir — was im Interesse der Meteorologie sehr zu bedauern ist — über die Vorgänge in den höheren Luftregionen keine Kenntnis haben und nur von Luftschiffer« erfahren, daß in denselben sehr mannichfaltige, der Luftbewegung an der Erdoberfläche entgegengesetzte Strömungen herrschen. Nur ein Zeichen hat man, welches Schlüsse auf den Zustand der obern Regionen zu machen gestattet; es ist die Gestalt und der Zug der bereits erwähnten Cirrnswolken. Nach der eben ausgeführten Hypothese muß beim Herannahen einer Depression Südwestwind in den tiefen, Nordwestwind in den hohen Regionen herrschen, letzterer müßte an dem Zuge von federartig gestalteten leichten Schleiern zu erkennen sein, ersterer müßte Trübung der Luft am Horizonte und eine auf¬ steigende Wolkenbank mitbringen. Dies ist auch genau so der Fall, und die Erscheinung ist unter dem Namen Wetterbaum allgemein bekannt. Wenn die Vomusbcrechnung von Schnelligkeit und Richtung einer Depression immer eine prekäre Sache bleibt, so haben wir vom Eintreffen derselben ganz sichere Vor¬ zeichen im Auftreten der eben geschilderten Merkmale, Nach dem Wetterkanou der barometrischen Minima müßte also der Ver¬ lauf folgender heim Fallendes Barometer, Südost- bis Südwestwind und Regen; steigendes Barometer, West- bis Nordwestwind und hell werdender Himmel bei sinkender Temperatur, Diese Ordnung trifft auch zu für England, Skandinavien und die deutschen Küstenländer. Für das deutsche Binnenland ist sie nicht zutreffend; wir erhalten die meisten Niederschlüge bei steigendem Baro¬ meter und nordwestlichen Winde, Dies hat seinen Grund darin, daß der Regen, welchen die südwestliche» Winde bringen, von dem weitgedehnten Vorlande ab¬ gefangen wird, und daß für uns die Nordsee die ergiebigste Regenquelle ist. Diese nordwestlichen Winde gelangen aber zu uns, wenn die Depression bereits vorüber ist und das Barometer zu steigen anfängt. Wie oft wird auf das Ba¬ rometer gescholten und ihm vorgeworfen, daß es falsch zeige! Man sieht, wie ungerecht das ist. Nicht selten aber auch verläuft der ganze mehrfach geschilderte Prozeß in rapider Weise, der Wind springt förmlich herum, und Regen und Sonnenschein folgen einander in wenigen Stunden. Dies geschieht, wenn sich, wie schon oben

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/366>, abgerufen am 23.07.2024.